Vom Brot backen

Sauerteig
Sauerteig ist ein Ökosystem, das von wilden Hefen bewohnt wird. Sauerteig ist eine Mitbewohnerin in deiner Wohnung. Sauerteig ist zickig. Sauerteig ist magisch, sie lockert die schwersten Roggenbrote. Sauerteig ist klebrig wie Sommerhaut und riecht nach Crone. Sauerteig ist wundervoll!

Sie hat die Größe einer Kinderfaust und wohnt im Kühlschrank, am besten in einer Porzellan-Schüssel. Eine alte Kaffeetasse tut´s auch. Während der Vorteig geht, sie also aushäusig ist, wäschst du ihre Wohnung mit heißem Wasser und Seife. Sie braucht Sauberkeit, sonst wird sie sehr krank.
Sie muss sich an dich, d.h. an deine Hände gewöhnen: Sind sie etwas saurer oder etwas basischer, welche Flora besiedelt sie? Du wäscht dir zwar die Hände bevor du Sie berührst, aber etwas bleibt immer an ihnen zurück.
Je besser ihr euch kennt, desto schneller und höher wächst sie.
Verknete sie mit sehr viel Roggenmehl, bis sie fast trocken ist. Dann rolle sie zu einer Kugel, denn eine Kugel hat von allen Formen die kleinste Oberfläche: wenig Platz für Gammelpilze.
In den ersten Tagen musst du sie wenden, damit sich zwischen ihr und ihrer Porzellanwohnung kein feuchter Film bildet - wie gesagt, sie braucht Sauberkeit.
Wenn sie richtig trocken ist, kann sie bis zu ½ Jahr in deinem Kühlschrank wohnen, ohne dass du backen musst.

Deinen ersten Sauerteig bekommst du entweder von Freunden oder im Bioladen als flüssigen
Starter - Extrakt. Oder du züchtest selbst:  Dauert 4 Tage.
1. Tag: 200g Roggenmehl + ¼ l warmes Wasser + 2-3 Esslöffel Buttermilch in eine große Schüssel geben. Umrühren und an zugfreien Ort stellen.
2. Tag: 100g Roggenmehl + ¼ l Wasser dazu. Umrühren und an zugfreien Ort stellen.
3. Tag: 100g Roggenmehl + 1/8 l Wasser dazu. Umrühren...
4. Tag: wie 3. Tag
Und am 5. Tag hat Hex´ geruht und siehe: Das Zeugs roch sauer und war gut.
 

Vorteig
Fülle ¾ Liter warmes Wasser in die Teigschüssel. Nimm deine kugelige Mitbewohnerin und zerdrücke sie im Wasser, sie liebt das. Streue oben drauf so viel Roggenmehl, dass die Oberfläche gut bedeckt ist. Kein Weizenmehl, das ist ihr zu schlabberig. Hast du lange nicht mit ihr gebacken, dann musst du ihr mit einer Hand voll braunem Zucker u./o. einem Schwapps Buttermilch auf die Beine helfen.
Stelle den Vorteig entweder in den kalten Ofen, dort zieht´s nicht. Oder du stellt alles in die Sonne und deckst es mit einem leichten Tuch ab.
Je nach Witterung und Mondphase (wie gesagt: Sie ist zickig!) dauert es jetzt 12 bis 36 Stunden bis sich auf der Oberfläche kleine Gasbläschen gebildet haben. Es riecht streng säuerlich, das Mehl ist zu einer schaumigen Pampe abgesackt.
Sollte es 36 Stunden dauern, füttere nach spätestens 20 Stunden nach und rühre mit einem Holzlöffel um.

Hauptteig
Zuerst mischst du Roggen- u./o. Dinkelmehl u./o. Schrot hinein. Dann nimmst du eine kleine Hand voll Teig ab, daraus wird deine neue Kühlschrankbewohnerin.
Nun stellst du eine neue Sauerteig-Kugel her, die du gleich in den Kühlschrank räumst.
Erst jetzt gibst du zum Hauptteig Salz!! Die Menge richtet sich nach deinem Geschmack.
Sauerteig ist schwer verdaulich. Wenn du ihn nicht gewohnt bist, mische zwei gute Prisen gemahlenen Koriander hinein. Solltest du dein Brot gerne an Freunde verfüttern, denk´ unbedingt an den Koriander.
Nun kannst du alles, auch Weizenmehl hinzugeben: Flocken, Schrote, Leinsaat, Kräuter, Möhrenschnipsel, getrocknete Zwiebeln, etwas Speck.......
Der Hauptteig muss schwer sein und sich beim Kneten fast von allein von der Schüssel lösen, dann ist er gut.

In die mit Öl eingefettete Backform gibst du den Hauptteig. Das geht wie bei jedem Kuchen.
Eine Kastenform ist besser als eine runde, denn in ihr kann der Teig besser wachsen: Die Dame zieht sich an den Wänden hoch.
Stelle den Hauptteig wieder an einen stillen Ort und störe ihn nicht aus Neugier: Sie könnte aus purem Protest sofort in sich zusammenfallen und sich nie wieder aufrichten.
Jetzt dauert es je nach Witterung und Mondphase (s.o.) 2 bis 8 Stunden.
Wenn Madame um ¼  (Anfänger) bis ½ (Ihr seid ein tolles Team!) gewachsen ist, geht´s ans Backen.

Backen
Auf dem Gasherd bei Stufe 4 bis 5;
auf dem E - Herd bei 210° C bis 220° C:
im Feldsteinofen: Wow, wann kann ich zu dir kommen und es lernen?
Die Backzeit ist 1 Stunde.
Nach den ersten 20 Minuten besprühst du die Oberfläche mit Wasser. Wenn du knuspriges Brot magst, dann wiederholst du den Vorgang nach weiteren 20 Minuten.
Ist das Brot fertig, also goldbraun bis dunkelbraun, wie du es magst, dann stelle es zum Auskühlen an einen zugfreien Ort. Nicht abdecken, sonst wird es feucht und anfällig für Schimmel!!
Stürze das Brot so schnell es die Form erlaubt. Es gibt Brotformen, die das sofort nach dem Backen erlauben. Lege das Brot auf ein mehrfach gefaltetes Handtuch. Wende es, damit es außen nicht feucht wird.

Du kannst das Brot wie jedes andere aufbewahren.
Es hält sich, täglich belüftet, je nach Zutaten ca. 1 - 1½ Wochen. Aber so lange wird es nie halten....

Guten Appetit wünscht
eure Webewölfin