Evolution der Religionen ? Besuch in einem Elfenbeinturm
von Confusius

Die berlin-brandenburgische Akademie der Wissenschaften hat am 18. Dezember 2009 in Berlin eine Tagung veranstaltet, bei der man die Chance hatte, einer ganzen Reihe hochkarätiger Religionswissenschaftler zu begegnen.
Es war wohl unvermeidlich, daß sich das Thema "Evolution" im sogenannten Darwin-Jahr auch der Religion bemächtigte.
Dabei ergab sich ziemlich schnell, daß eine Akkumulation von Begriffen nicht zwangsläufig zu Erkenntniswachstum führt. Eher war eine gewisse Ratlosigkeit bei Referenten und Diskutanten  festzustellen, in welcher Weise der Begriff Evolution im Zusammenhang mit dem Religiösen zu verstehen sein könnte.
Zu größeren intellektuellen Mutationen konnte es auch insofern nur begrenzt kommen, als die Diskussion auf ein bestimmtes soziales Milieu  beschränkt blieb: Man erkannte das schon daran, daß der Moderator Prof. Dr. Dr. Markschies (seines Zeichens protestantischer Theologe und Berliner Domprediger) sich meldende Zuhörer fast durchweg namentlich ansprach.
Zunächst einmal wäre ja eine Irritation über die Themenstellung möglich, die in der Tat bei manchen Tagungsteilnehmern auftrat: Wie ist es zu verstehen, wenn ein Begriff aus der Naturwissenschaft, bei dem es um biologische Gesetzmäßigkeiten, ja Zwangsläufigkeiten  geht, auf einen Komplex aus der Geistes- und Kulturgeschichte trifft ? Stehen wir hier vor einem Paradox, einer lancierten Zumutung - oder vor der Chance, bisher getrennte Erkenntnisgegenstände in neuen Zusammenhängen zu sehen ?
Immerhin führte der Versuch, "Biologisch-Unabänderliches" der Plastizität des Geistig-Regsamen aufzuprägen schon mehr als einmal in hundert Jahren zu einem politischen Desaster. Das Ganze könnte insofern auch leicht als Versuch aufgefaßt werden, dem Reich des freien metaphysischen Schweifens eine Zwangsjacke zu verpassen. Getreu nach dem Motto: "Offene geisteswissenschaftliche Horizonte können wir uns heute nicht mehr leisten."       
In jedem Fall wurde anläßlich der verschiedenen Beiträge deutlich, daß ein klarer Arbeitsauftrag an die Referenten nicht unbedingt vorlag. Schon die begrifflichen Diskussionen zum Inhalt von "Evolution" zeigten erhebliche Meinungsverschiedenheiten auf.
So befaßte sich z.B. Friedrich-Wilhelm Graf mit dem Kreationismus als Beispiel dafür, wie sich reigiöse Bewegungen des Themas der biologischen und kosmischen Evolution anzunehmen vermögen.
Jan Assmann skizzierte mit dem Vergleich zwischen biblischen und altägyptischen Gottesbegriffen eine denkbare Transformation des Gottesbegriffs - es wurde deutlich, daß man hier aber regionalgeschichtlich sehr detailliert vorgehen muß, statt hochgespante menschheitsgeschichtliche Perspektiven überzustrapazieren.
Karl-Heinz Kohl demonstrierte meisterhaft die Absurdität des Versuchs, eine lineare zielgerichtete Vervollkommnung auf die Geschichte der Religionen zu projizieren.
Hans Joas referierte angesichts des jasperschen Begriffs der "Achsenzeit" über die These, daß im Kontext einer bestimmten Epoche im Jartausend vor Beginn unserer Zeitrechnung eine Form von Religiosität entstand, die unseren Begriff von Transzendenz überhaupt erst ermöglichte.
Und Christoph Markschies erörterte die ganze Fragestellung angesichts eines bestimmten darwinschen Paradigmas, nämlich der Effizienz der Angepaßtheit eines Systems an vorhandene Umweltbedingungen als Vorraussetzung seiner zukünftigen Erfolgsperspektive. Der Vergleich zwischen Christentum und Islam in der Epoche der ausgehenden Antike wurde zum Gegenstand dieser Überlegungen.  

Gehen wir jetzt noch einmal den Details der einzelnen erwähnten Referate auf den Grund, um zu erkunden, inwiefern das Thema dabei seine Relevanz zu erweisen vermochte.

Mit seinen statistischen Informationen zum Kreationismus in den USA steuerte Friedrich-Wilhelm Graf die Erkenntnis bei, daß dessen Vormarsch offensichtlch unaufhaltsam ist. Dazu trägt unter anderem auch bei, daß us-amerikanische Naturwissenschaftler verstärkt an der Erarbeitung kreationistischr Thesen beteiligt sind und daß ihnen ein jährliches Finanzierungspotential von rund 400 Mio. US-Dollar zur Verfügung steht. Eine wichtige moralpolitische Folge der Kreationismus-Debatte besteht darin, daß wichtige gesellschaftliche Themen wie Homosexualität im Kontext des Begriffes "Schöpfungswidrigkeit" diskutiert werden. Das fundamentalistische Bedürfnis nach letzter Sicherheit bedient der Kreationismus in feindseliger Abgrenzung zur offiziellen Naturwissenschaft deshalb so zielsicher, weil Wissenschaft immer mehr offene Fragen provoziert, als sie Antworten anzubieten hat.
Neu wird für manche Zuhörer gewesen sein, daß es beim Kreationismus z.T. einen Schulterschluß zwischen christlichen und muslimischen Fundamentalisten gibt. Sehr verwunderlich fand ich, daß die durchaus intelligente und komplexe Infragestellung zentraler darwinistischer Paradigmen im Bereich der Esoterik (z.B.b Rupert Sheldrake) mit keinem Wort Erwähnung fand. Dabei befinden wir uns hier inmitten eines  Evolutionsprozesses westlicher metaphysischer Glaubensvorstellungen.
Das Resultat dieses Referats liegt letztlich in der Erkenntnis, daß Religiosität fundamentalistischer Prägung sich als resistent gegenüber dem Begriff der Evolution erweisen muß. Der Kreationismus besteht auf der Unveränderlichkeit der Organismen als Objekte eines Schöpfungsakts. Die Frage, ob das Prinzip Evolution vielleicht im Zusammenhang der Geschichte der Religion selbst eine Rolle spielen könnte, steht hier nicht zur Disposition.

Das war aber gerade der entscheidende Gesichtspunkt für Karl-Heinz Kohl. Er vermittelte einen ziemlich gründlichen Überblick über den starken Einfluß des Evolutionsbegriffs auf die Geschichte religionswissenschaftlicher Theoriebildungen von Edward Tylor über Durkheim, Frazer, bis hin zu Wilhelm Schmidt und Levy-Strauss.
Am Beispiel von Tylors Aussagen über begabte und unbegabtere Menschenrassen und dessen Hypothese eines denkbaren "primitivsten religiösen Stadiums der Menschheitsgeschichte" wurde deutlich, wie stark Kolonialismus und ökonomische Effizienzgedanken von Einfluß gewesen sein können in der religionswissenschaftlichen Theoriebildung.
In seiner Rundreise durch historische Standardhypothesen zeigte Kohl die Beliebigkeit auf, mit der Transformationsprozesses auf die Religionsgeschichte projiziert werden. So existiert bespielsweise die Idee, daß der Animismus als Vorstellungswelt allseitig belebter Objekte und Naturwesen die Vorstufe eines differenzierten Polytheismus gewesen sei - dem dann der Monotheismus als krönender Abschluß der Menschheitsgeschichte und deren schlußendlicher Erkenntnisstufe folgen mußte.
Die Idee einer allmählichen Vervollkommnung der Welterkenntnis lag diesem evolutionären Schema zugrunde.
Welch dramatische Relativierung erlitt aber dieses Bild, als Wilhelm Schmidt in den Zwanziger Jahren im Rahmen umfangreicher Feldforschungen feststellte, daß gerade Stammeskulturen mit den einfachsten zivilisatorischen Vorraussetzungen über Gottesbilder verfügten, bei denen der bildlose Kult eines ersten höchsten Wesens die maßgebliche Roll spielte. Kohl konnte darauf verweisen, daß es auch heute aktuelle Forschungen gibt, die Schmidts Hypothese plausibel machen.
Weitere Relativierungsaspekte ergaben sich aus Hinweisen auf den ausufernden Zauberglauben im gegenwärtigen Süd- und Mittelamerika, der als animistisch definierte Praktiken weitgehend reaktualisiert habe.
Aber auch der als urgeschichtlich primär und urtümlich verortete Totemismus und Schamanismus sei in weiten Teilen der Welt heute derartig verbreitet, daß man ihn nicht mehr im Sinne einer prähistorischen Kausalität bewerten könne.
Das schönste Beispiel Kohls für eine zeitgenössische animistische Metapher war dann schließlich der Anthropomorphismus des "egoistischen Gens" der Soziobiologen.
Kohls Gegenthese zum Schema einer linear eindeutig beschreibbaren Kette von Religionstransformationen lautete dann schließlich auch: Jede dieser religiösen Formen kann zu jeder Zeit und an jedem Ort wieder in neuer Form in Erscheinung treten - denn die Entwicklung des religiösen Denkens ist abhängig von der Entwicklung in anderen Bereichen des zivilisatorischen Lebens wie z.B. Technik und Ökonomie. Und schließlich habe sich nach Auffassung der Anthropolgie der Mensch in den letzten 70 000 Jahren im Wesentlichen in Bezug auf seine geistigen Fähigkeiten nicht verändert.
Lehrreich war auch die Darstellung des entscheidenden methodologischen Fehlers, der maßgebliche Verantwortung für religionsgeschichtliche Theoriebildungen trägt: Der zivilisatorische Entwicklungsstand untersuchter Stämme wurde von den kolonialpolitisch inspirierten Wissenschaftlern als "primitiver Urzustand" interpretiert, der ein ursprüngliches Stadium der Menscheitsentwicklung dokumentiere.
Indem man die Erträge derartiger Feldforschungen auf eine unbekannte Vorgeschichte projizierte, glaubte man, über aussagekräftiges Forschungsmaterial zu verfügen.
Das Studium des Schamanismus in den letzten hundert Jahren zeige lt. Kohl aber deutlich, daß viele einfache Kulturformen auf zeitgenössischem bewußtem Rückzug der beteiligten Menschen beruhen. Moderner Schamanismus in Teilen der früheren Sowjetunion z.B. sei auch nachweislich als Reaktion und Reflektion kolonialgeschichtlicher Geschehnisse entstanden. Die Idee "urältester" Traditionen erweise sich so als Mythos.

Jan Assmann begann mit einer geistesgeschichtlich recht präzisen Ableitung des Evolutionsbegriffs aus der jüdisch-christlichen Tradition: Die Idee einer aus primitiven Anfängen sich fortentwickelnden Vervollkommnung hin zu einem vorgegebenen Entwicklungsziel sei letztendlich nichts anderes als säkularisierte Heilsgeschichte.
Mit dieser Erkenntnis legte Assmann nahe, inwieweit Darwins persönliche Entwicklung (er war Theologe) von maßgeblicher Bedeutung für seine Theoriebildung gewesen sein könnte.
So läßt sich z.B. die Entwicklungsreihe der "drei Zeitalter" von Joachim v. Fiore in Fergusons/Morgans Reihe "Wildheit / Barbarei / Zivilisation" wiederfinden und diese sei unzweifelhaft die Vorlage für Tylors Schema ("Animismus / Polytheismus / Monotheismus").
Sodann konterkarierte Assmann das christlich-jüdische Selbstverständnis, im Gegensatz zum "primitiven Heidentum" von Anbeginn über das höchstehendste monotheistischsteGottesbild verfügt zu haben, mit der religionsgeschichtlichen Realität: Die alttestamentlichen Texte belegen, daß der Gott des Deuteronomiums noch ein Gott neben vielen anderen Götter war, was sich erst mit Deutero-Jesaja änderte.
Diese Differenz zwischen christlich-jüdischer Selbsteinschätzung und den in Wahrheit "primitiven" Anfängen desselben war sicher für die meisten Zuhörer keine neue Erkenntnis. Es ist aber trotzdem in Anbetracht der westlichen Hybris nur nützlich, sie imer wieder ins Bewußtsein zurückzurufen, da sie auch in öffentlichen Diskussionen von der Theologie gern unterschlagen wird.
Trotz aller Zusammenhänge zwischen dem Evolutionsbegriff und der "historia sacra" wies Assmann aber auf einen Zusammenhang hin, der auch schon in seinem Text "Die mosaische Unterscheidung" von 2003 tematisiert wird: Die monotheistischen Religionen sehen sich selbst nicht als Produkt einer Evolution, sondern einer Revolution. Letztere beinhalte eine radikale Verwerfung alles Vorhergehenden. Dies sei mit dem in der Naturgeschichte verankerten Evolutionsbegriff nicht vereinbar, der untrennbar mit der Fortschrittsidee verbunden sei.
Schließlich eröffnete Assmann einen spannenden Exkurs in ein bestimmtes Kapitel der altägyptischen Religionsgeschichte: Er skizzierte die Fortentwicklung von der Bedeutungszunahme des Sonnengottes über Echnatons quasimonotheistische Revolution bis hin zur ramessidischen Theologie.
Die altägyptische ramessidische Theologie (1340 - 1100 v. Chr.) zeichnete sich dadurch aus, daß sie einen inklusiven Monotheismus vertrat. Das heißt, daß hier der eine verborgene Gott seine Präsenz in der Welt dadurch verdeutlicht, daß er sich in der Vielheit der Götter manifestiert. Dadurch wird eine Beziehung zwischen verschiedenen Gottesvorstellungen  ermöglicht.
Demgegenüber standen die exklusiven Monotheismen von Echnaton und Moses, die jegliche polytheistische Interpretation der Gottesidee als unmöglich betrachteten.
Ein denkbarer Entwicklungsübergang von Polytheismus zum Monotheismus ohne Verfolgung und Gewalt, Vernichtung und Verdrängung sei demzufolge nur im Bereich des inklusiven Monotheimus denkbar.
Was Assmann hier vorstellte, war im Grunde nicht nur ein Angriff auf die Plausibilität der Fortschrittsidee in der Religionsgeschichte, sondern auch eine Attacke auf die Selbstwertschätzung der heutigen Monotheismen:
Mit seiner historischen Miniatur zeigte Assmann auf, daß nach einer moderaten und konsensualen Phase der  Religionsgeschichte so etwas wie das Unerbittliche des jüdisch-christlichen Paradigmas entstehen konnte, daß nicht nur die Fortschritte der ramessidischen Theologie anullierte, sondern sie auch vollkommener Vergessenheit überantwortete. Ein positiver Ansatz in der Geschichte des Glaubens ging in jenem kulturgeschichtlichen Raum, in dem er einst entstand, unwiederbringlich verloren.
Diese Vergessenheit ist die Voraussetzung für die Überzeugtheit, mit der die zeitgenössischen Monotheismen ihr metaphysisches Erstgeburtsrecht präsentieren.

Es ist die historische Beliebigkeit im Gegensatz zur vorgeblichen Folgerichtigkeit einer historischen Konsistenz, auf die schon Kohl hinwies, die Assmann in seinem Referat präzise exemplifiziert hat: Eine menscheitsgeschichtliche kausale Logik ist nicht in Sicht.
Da verlegte sich Christoph Markschies auf das Backen wesentlich kleinerer Brötchen, indem er sich auf die Phasen der Herausbildung von Christentum und Islam zu stabilen Einheiten religionsgeschichtlicher Prozesse konzentrierte. Aber gerade dieser Referent ließ sich geradezu schulmäßig auf das Thema ein, indem er z.B. die Frage formulierte: Welche Gegebenheiten innerhalb des Christentums verliehen ihm eine optimale Angepaßtheit gegenüber den sozio-kulturellen Bedingungen zur Zeit des späten Imerium Romanum ? Beispielsweise fand Markschies dann die adäquate Antwort: Das Christentum bot den Frauen im Rahmen seines Gemeindelebens viele Möglichkeiten. Damit hatte es gegenüber dem vorwiegend männerbündisch und soldatisch orientierten Mithras - Kult Vorteile, die ihm eine bessere Angepaßtheit und damit auch bessere Überlebenschancen vermittelten, als anderen Kulten und Religionen.
Diesen Ansatz fand ich einigermaßen überraschend, zumal aus dem Munde eines Theologen. Man ist hier vertraut mit der Frage nach dem größeren oder geringeren philosophischen Wahrheitsgehalt einer Religion. Aber an dieser Stelle steht die Frage nach der gesellschaftlichen und sozialen Macht im Vordergrund und die Entscheidung darüber wird als mechanisches Kräftemessen wahrgenommen.
Einerseits wird man nicht überrascht sein, vom Vertreter einer Institution Kirche, deren gesellschaftliche Macht ständig dahinschwindet, solches zu vernehmen.
Andererseits: Ist niemand mehr daran interessiert, dem gegenseitigen ergebnisoffenen  Verhandeln  als Ursprung gesellschaftlicher Prozesse nachzuspüren ?
Der Gesamüberblick der Referate scheint das Kuriosum zu offenbaren, als wenn gerade der Theologe die Kälte und Blindheit von Übermacht und deren Selektionsmechanismen besonders gezielt in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt.
Ein Diskussionsteilnehmer erlaubte sich folglich die Frage, ob nicht die gezielten Verfolgungen heidnischer Kulte durch die spätrömische Staatskirche dagegen sprächen, von naturalistisch selbstläufigen Gestzmäßigkeiten zu sprechen...
Hans Joas' Referat über die "Achsenzeit" spiegelte eine Theorie wider, die menschheitliche Kulturgeschichte in sehr großen Zügen beschreibt. Hier geht es um die Vorstellung, daß die Entstehung der großen Stifterreligionen in Ost und West das Ergebnis einer Desakralisierung der Königsherrschaften im Verlauf des ersten vorchristlichen Jahrtausends war - mit dem Ergebnis einer Ablösung der Gottheitsbegriffe von diesseitigen Strukturen. Das Resultat hätte in der Herausbildung des Transzendenten bestanden, somit also in der Emanzipation des Spirituellen vom Reich der gesellschaftlichen Realität. Kritiker wandten in der Diskussion ein, daß diese Hypothese den Anspruch erheben müsse, weitgehende und sehr konkrete Bewertungen sehr unterschiedlicher Kulturen in sehr verschiedenen Teilen der Welt zu machen. Die Folgen beständen in der entsprechenden Oberflächlichkeit und Grobgestricktheit ihrer Analyse - so griffig die Hypothese sonst auch anmuten mag. Und eine untergründige Zielgerichtetheit hinsichtlich der Menschheitsgeschichte  kommt in ihr zum Vorschein, die letztlich wieder in eine quasi heilsgeschichtliche Zwangsläufigkeit einmündet.

Resümiert man die verschiedenen Beiträge, so werfen sie ein eher bezeichnendes Licht auf die Religionswissenschaft:  Es gibt keinen Konsens, was die Wahrnehmung eines denkbaren universalgeschichtlichen Prozesses betrifft. Je mehr man, die Vogelperspektive verlassend, in die Details eintaucht, desto stärker verlieren griffige Schematisierungen an Glaubwürdigkeit.  
Stellt sich die Frage nach der Intention einer solchen Aufgabenstellung. Einen Hinweis gab immerhin der etwa zeitgleich erschienene Spiegel Nr. 52, der sich mit der polemischen Frage "Wer hat den stärkeren Gott ?"  gleichfalls an Sozialdarwinisten jeglicher Couleur zu wenden schien. Die graphische Unterstützung der Frage, die einen islamischen mit einem christlichen Gott beim Fingerhakeln zeigt, verweist die Diskussion des Themas auf das unterste Niveau menschlicher Kommunikation.
Der Leitartikel, offenbar von dem Buch "God is back" der Autoren Micklethwait und  Wooldridge inspiriert, zitiert daraus: "Der religiöse Boom wird von denselben zwei Dingen angetrieben wie der Erfolg des Marktkapitalismus: Wettbewerb und Wahlmöglichkeit". Abwägend schlußfolgern die Spiegel-Autoren: Auch bei der Anpassungsfähigkeit der beiden Religionen an kulturelle Eigenarten oder Zeitströmungen ist nicht immer eindeutig, welche Religion flexibler ist".
Die Formulierungen zeigen, daß hier sozialdarwinistische Theoreme unters Volk gebracht werden sollen, während die Akademie-Tagung noch um Verständnisfragen rang.
Präsentiert werden fragwürdige Zahlen über die Vermehrung der Zahl der Gläubigen in den letzten hundert Jahren - ohne die Bevölkerungsenwicklung im gleichen Zeitraum zu berücksichtigen. Sonderfälle wie der der bosnischen Muslime werden als Beleg für agressive muslimische Mission dargestellt. Damit wird eine Art Endzeitkampfstimmung in der Auseinandersetzung zwischen Christentum und Islam herbeigeredet. Nur eine interessante Zahl fand ich in jenem Artikel: Die Zahl der Missionare des Billy-Graham-Centers (Chicago) hat sich innerhlb von fünf Jahren verfünffacht (auf jetzt 346 000 !).
Offensichtlich machen bestimmte Hintergrundkräfte den Versuch, möglichst viele Beteiligte in eine apokalyptische Schlacht zu verwickeln - als wenn Lessings Ringparabel nur ein ferner, fremder Mythos wäre ...
Eines aber hat die Tagung der berlin-brandenburgischen Akademie der Wissenschaften verdeutlicht: Noch ist das Niveau der Religionswissenschaft nicht so tief gesunken, daß deren Vertreter sich gedankenlos vor solcherlei Karren spannen ließen.