Von links nach rechts: Bernhard Schulz, Geza v. Nemenyi, ganz rechts der Autor im Jahre 1983 bei der Feier der Sommersonnenwende. Bernhard Schulz und ich tragen das Armanengewand.
Neuheidentum Mitte der Achtziger Jahre in Berlin:
Ein seltsames Dickicht aus Esoterik, rechten Splittergruppen und heftigen
Auseinandersetzungen um den richtigen organisatorischen Weg. Heiden in
schlechter Gesellschaft - manche von ihnen wollen es heute nicht mehr wahrhaben,
tendieren gar dazu, die eigene Biographie zu fälschen, neu zu interpretieren.
Allerdings ist manches unklar, wo die Motive
für ein Bündnis mit bestimmten Leuten wirklich lagen. Erinnern
wir uns aber zunächst einiger Tatsachen:
Ein führender Heide, der germanisch-orthodoxe
Geza v. Nemenyi, tritt als Gastredner des Armanenorden in Erscheinung:
z.B. auf dem Ostarathing 1988 ,
aber auch auf dem Herbstthing des gleichen Jahres .
Ein Brief v. Nemenyis an den Armanen Bernhard
Schulz offenbart den "Thingbesuch" bei den Armanen als Selbstverständlichkeit .
Selbst im Jahre 2002 gibt es noch Ergebenheitsbekundungen
v. Nemenyis an die Chefin des Armanenordens, Sigrun v. Schlichting .
Und die Unterwanderung des Grünen Landesverbandes
Mitte der Achtziger Jahre, nur eine antifaschistische Konspirations-Phantasie
?
Immerhin gibt es neben der Dissertation von
Stefanie v. Schnurbein noch zwei andere Quellen, die darauf Bezug nehmen:
Das Berliner Stadtmagazin "tip" vom 10.11.88
und ein ausführlicher Artikel in den Grünen Blättern/Baden
Württemberg vom September, November und Dezember 1985
/
/ .
Es wäre also vielleicht doch sinnvoll,
einmal autobiographische Motivationsforschung zu betreiben, statt das Geschehene
einfach zu bestreiten. Ein Artikel, den ich für die Nummer 01/86 der
Armanen-Zeitschrift "Irminsul" geschrieben hatte, offenbart durchaus
Verschränkungen sinnvoller Motive mit einer absurden politischen Ideologie .
Ein kleines Fundstück noch ganz am Rande:
In der Nummer 03/1990 der "Irminsul" schrieb ein gewisser "Volkert/AO"(
Letzteres Kürzel wurde in der Regel für Mitglieder des Armanenordens
verwendet) einen Artikel über einen Teil des keltischen Baumkalenders ........
Geza von Nemenyl - ein fundamentalistischer Interpret germanischer Religiosität, aber kein Nazi
Ein paar notwendige aktuelle Anmerkungen von Matthias Wenger
In der Rabenclan-internen Diskussion um die
Vorgeschichte v. Nemenyis ist es zu einer Verkettung von Argumenten und
daraus resultierenden Geschehnissen gekommen, die neues Nachdenken über
den Sachverhalt erfordert.
Also, zu allererst: Man wird zu unterscheiden
haben zwischen rassistischen Phantasten wie z.B. den ariosophischen Armanen,
und jenen, die zwar mit ihnen kontaktieren, ohne sich ihre Ideologie zu
eigen zu machen.
Bei Geza v. Nemenyi, dessen Kommunikation
mit dem Armanen-Orden weitgehend der Vergangenheit angehört, läßt
sich eine klare Position innerhalb der heidnischen Szene ausmachen: Seine
Argumentationsstrategie läuft daraus hinaus, germanische Religion
in erster Linie authentisch im historischen Sinne zu deuten - und diese
authentische Reproduktion mit einem transzendentalen Anspruch (wie z.B.
der Verbalinspiration eddischer Texte) zu verknüpfen. Dieses religiöse
Weltbild mag zwar extrem konservativ, rückwärtsgewandt und traditionsbezogen
erscheinen. Aber mit dem Kontext rassistisch-biologistischer Ideen hat
es nicht das Geringste zu tun.
Es handelt sich eher um einen ausgeprägten
Kulturkonservatismus. Auch von Nemenyis Bemühen um möglichst
korrekte Quellen steht völlig im Widerspruch zu den ahistorischen
Fantasy- und Okkultspekulationen, wie sie typisch für die klassische
Ariosophie sind.
Ich halte es deshalb auch nicht für redlich,
einen Verdacht auszusprechen, der sich aus der Vielzahl von Texten, die
v. Nemenyi veröffentlicht hat, relativ leicht widerlegen läßt.
Gleichzeitig wundere ich mich über die deutschen Asatruar, die zwar
sehr ausgeprägte Überzeugungen präsentieren, die aber niemals
literarisch und damit allgemein greif- und nachweisbar zugänglich
gemacht werden.
In einer geistesgeschichtlichen Bewertung,
die mit politischen Schlußfolgerungen einhergeht, kommt es nun aber
vor allem auf das Unterscheidungsvermögen an - und nicht darauf, alles
in einen Topf zu werfen.
Differenzierung im Erkennen ist abhängig
von der Intensität des Unterscheidens.
Der Ausgangspunkt dieser ganzen Auseinandersetzung,
nämlich das "Ariosophieprojekt" benannte Konglomerat Schuhmacherscher
Texte hat gerade darin seine Wertlosigkeit erwiesen, daß es Wicca,
die Theosophen und eine Reihe von Leuten aus der Peripherie des Ariosophischen
in einen Topf warf. Und das alles ohne jede Feldrecherche, ohne jedes Interview
mit Beteiligten, nur durch Reproduktion von Informationen einer singulären
Sekundärquelle - eine publizistische Geisterfahrt ohnegleichen !
Dadurch, daß v. Nemenyi nun ausgeladen
wurde, hat der Rabenclan deutlich gezeigt, daß eine differenzierte
Wahrnehmung unerwünscht ist. Es ist aber gerade ein offener Diskurs,
der die Stärke einer aufgeklärten, humanistischen Religiosität
sichtbar machen würde. Auf dem Heidnischen Stammtisch in Berlin, wo
Geza öfter erscheint, haben wir den Beweis dafür geliefert.
Durch Verdrängung befördert man
keine Erkenntnisprozesse. Interessant wäre eine solche Diskussion
aber gerade durch die starke Nähe v. Nemenyis zu der traditionalistisch
geprägten Asatru-Strömung gewesen, die den Rabenclan offenbar
nach wie vor dominiert.
Das Tragische an diesem ganzen Vorgang ist
der Rücktritt Lydia Eslingers, eine in meinen Augen übertriebene
Reaktion auf Asatru-Kritik. Hätte nicht ein offenes Gespräch
auf der Mitgliederversammlung über diesen Punkt erst einmal ausgereicht
? Statt dessen findet eine derartige Auseinandersetzung im Rahmen des Allthings
von Nornirs-Aett statt - eine Stufe "oberhalb" oder "außerhalb" der
Vereinsöffentlichkeit.
Dazu kommen noch folgende Punkte, die einen
verstärkten Diskussionsbedarf aufzuzeigen scheinen: -das eigentümliche
Demokratieverständnis der Asatruar im RC, die außerhalb der
Mitgliederversammlung ein Entscheidungsgremium etablieren, mit dessen Probeabstimmmungen
letztlich die eigenen Strömungsangehörigen unter Druck gesetzt
werden: juristisch vielleicht nicht unbedingt illegitim, aber höchst
fragwürdig. Schließlich wird dadurch ein ergebnisoffener Diskurs
autonomer Menschen in der Mitgliederversammlung unterminiert. Und was den
puren Verdacht einer Nähe zu rechten Tendenzen betrifft: Wir erinnern
uns des erheblichen Rechtsdralls eines Teils des internationalen Asatru-Segments
(z.B. Stephen A. McNallen), eine bisher im Rabenclan weitgehend ausgeblendete,
jedenfalls nie kontrovers und öffentlich diskutierte Problematik.
Die Krönung des Ganzen ist dann aber,
daß mein Wunsch nach Veröffentlichung dieses Passus der Zensur
von Sven Scholz zum Ofer fiel. Mit welcher Legitimation ?
09.09.2002