Friedrich Bernhard Marby -
Ein tragisches Schicksal  ?

Heutzutage gibt es viele Esoteriker, die die Runenübungen zum Ausgangspunkt ihres spirituellen Weges gewählt haben. Uralte heilige Zeichen mit dem eigenen Körper darzustellen - den Symbolen uralter Göttinnen und Götter aus germanischer Zeit und noch älteren Epochen der europäischen Vorgeschichte.
Doch vielen ist nicht bekannt, daß es ein Mann namens Bernhard Friedrich Marby war, der diese Übungen zuerst gestaltete, erfand oder vielleicht wiederfand ? In der Tat werden Runenübungen in vielen neuzeitlichen Runenbüchern dargestellt, ohne daß die Quelle und der Ursprung verraten werden.
Wer war dieser Mann, der von 1882 - 1966 auf dieser Erde weilte, was verkündete er, wie kam er dazu und vor allem, wie tat er es ?
In einer autobiographischen Schilderung erzählt Marby über sein Elternhaus,die 7 Geschwister und seinen schweren Lebensweg. Marby muß eine Art esoterischer Universalist gewesen sein, denn er befaßte sich nicht nur ausführlich mit dem Pendeln und der Astrologie, auch alternative Heilmethoden praktizierte er mit großer Intensität. Seit 1906 soll sich Marby mit den Runen beschäftigt haben und ab 1922 in Stuttgart damit in die Öffentlichkeit getreten sein.
Im Alter von 25 Jahren (Also ca. 1907) will Marby erste Erscheinungen gehabt haben, als er in einer Februarnacht an einer Mordstelle vorüberkam. Seitdem sollen sich oft Wahrnehmungen "leibfreier" Menschen bei ihm eingestellt haben.
In "Runenschrift-Runenwort-Runengymnastik" (Band1/2, Neuausg. Stuttgart 1987) schildert Marby, wie sich bei ihm die Idee der Runenübung als Körpergestalt verbunden mit dem Runenraunen einstellte. Er beobachtete eines Tages ein Kind, das seine ersten Zähne bekam und das nun mit aller Macht versuchte, den damit verbundenen Schmerz durch eifriges und inbrünstiges Lallen und Schreien zu überwinden. Marby war fasziniert davon, daß dieses Kind in sich selbst ein Wissen trug, daß ihm die Bewältigung einer leidvollen Situation ermöglichte. Bei morgendlichen Spaziergängen verband er dieses "lustvolle Lallen" mit dem Raunen der Runen und durch das Recken und Strecken des Körpers in der Morgenfrühe stellten sich seltsame Phänomene ein: Seine Hüften begannen zu springen und zu tanzen, wie er sich ausdrückt.
Nun, jedem, der sich mit bioenergetischen Übungen befaßt hat, sind derartige Vorgänge vertraut: Rückkehr zu kindlicher Ursprünglichkeit (als Zustand der Unverbildetheit) und daß sich in rhythmischen Vibrationen äußernde Fließen einer lange unterdrückten Lebenskraft.
Die Folge dieser Erlebnisse war für Marby nun auch ein bestimmtes Verständnis der Runen: Sie galten ihm als Sinnbilder der Strömungsrichtungen einer kosmischen Energie. Was die Religionsgeschichte über die mythologischen Zusammenhänge der Runen in Gestalt der Göttinnen und Götter weiß, schien ihn weitaus weniger zu interessieren.
Nun, kritischerweise muß man sagen, daß viele Esoteriker der Zwanziger Jahre zur Erklärung psychischer und okkulter Phänomene zu pseudophysikalischen Deutungen griffen, die oft auf oberflächlichen Parallelisieruungen mit physikalischen Modellen beruhten. Dies galt schon für die "Hydraulikmodelle" der Psyche in der Psychoanalyse wie auch für die "radioaktive" Planetenstrahlung Brandler-Prachts oder eben die "Runenstrahlung" . Aber die Faszination der Naturwissenschaft oder auch ihres populären Mißverständnisses waren schon damals ungebrochen.
Die Probleme beginnen bei Marby an dem Punkt, wo er versucht, seine Erlebnisse auf einer gesellschaftlichen Ebene zu verbreiten. Erbittert berichtet er an vielen Stellen seines Buches darüber, daß Besucher seiner Vorträge später seine Erkenntnisse ohne Namensnennung ausnutzten, wirtschaftlich ausplünderten, ohne ihren Urheber auch nur zu erwähnen.
Diese Stellen zeigen die ungeheure Verbitterung über die Abwertung von Ideen und Glaubensinhalten zur Ware - wie's in den kapitalistischen Raubtierkäfigen der westlichen Zivilisation nun mal Usus ist. Vielleicht war es diese Enttäuschung und Verbitterung, die Marby in die Fänge der politischen Rechten trieb - in dem Glauben, hier einen Angelpunkt für die gesellschaftliche Befreiung auf "völkischer" Grundlage gefunden zu haben.
Und so kommt es dazu, daß der hilfsbereite Marby, der sich für Tausende von Kranken und psychisch Kaputten um runen-energetische Heilung bemühte (Ohne dadurch zu Reichtümern zu gelangen !), im gleichen Atemzug heftige Verwünschungen ausstößt: Gegen die "Mischrassigen", die" Mischmaschdämonen" und die "All-Schmarotzer", denen Marby in echt paranoider Weise vorwirft, sich als "Wölfe im Schafspelz" in "germanischen Körpern" verleiblicht zu haben. Es geht bis hin zu dem Vorwurf, wer die Rassen-Idee bekämpfe, stehe mit dem Teufel im Bunde.
Und obwohl er gegen Beamtenapparat, Universität und Wirtschaftsapparat polemisiert, werden Marby die wirklichen Gesetzmäßigkeiten der zivilisatorischen Konkurrenz und Entmenschlichung nicht klar.
So sehen wir Marby als tragischen Fall einer sensiblen Persönlichkeit, die, hilflos gegenüber den Hyänen einer alles käuflich machenden Welt mit seinem Idealismus zugrunde geht.
1936 machten ihm selbst die Nationalsozialisten (Trotz Marbys völkischer Ideologie) den Prozeß und er verschwand für 99 Monate in verschiedenen KZ's, aus denen er erst 1945 befreit wurde. Über die Umstände dieser Verfolgung wissen wir nichts Genaues.
Aber es macht deutlich, wie erbarmungslos man im dritten Reich mit jedem Menschen verfuhr, der auch nur einen Funken Widerstand mit dem Ziel einer gesellschaftlichen Neugestaltung in sich trug.
Allerdings - so kurios und erschreckend diese Biographie auch sein mag: Gewiß ist sie kein Grund, Marbys reichlich vorurteilsbeladene Auslassungen heute wieder als Runen-Lehrbücher aus der geschichtlichen Mottenkiste zu ziehen.
Und genau das ist die selbstgestellte Aufgabe eines mysteriösen Rudolf Arnold Spieth aus Stuttgart, der Marbys Schriften auch heute noch nachdruckt und anpreist. Obgleich Herr Spieth ein erfolgreicher schwäbischer Buchhändler und Antiquar zu sein scheint, zeugen seine Briefe an den Autor von einer psychopathologischen Verwirrung (abgesehen von seiner chronischen Legasthenie), die ihn nicht ganz ungefährlich macht.
Wer sich wirklich ernsthaft für Runen interessiert, kann heutzutage auf Ernsthafteres und Besseres zurückgreifen
Literatur (Nur für Historiker interessant): Friedrich Bernhard Marby: Runenschrift-Runenwort-Runengymnastik - Stuttgart 1987, Reprint der Ausgabe Stuttgart 1932. ISBN 3-88093-020-1  ( Außerdem eine Gedenkrede eines Freundes von Marby - unveröffentlichtes Manuskript, im Besitz des Autors).
                                                                                  Matthias Wenger

Zurück zur Rubrik: "Faschisten mißbrauchen das Heidentum..."