Die Zeit ist reif....

Warum ich endlich den Rabenclan verlassen habe

von Matthias Wenger

Der Glaube der Neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts hatte auch das Neuheidentum ergriffen: Ein vernünftiger Diskurs mit dem herrschenden System der naturverneinenden Mega-Zivilisation ist möglich, sofern man als Bewegung selbst beginnt, in den Kategorien einer billigen Rationalität zu operieren.

Vernünftig heißt, formale einsichtige demokratische Strukturen zu zeigen, die dem äußeren Betrachter keine Dunkelzone überläßt. Damit hätte man den politischen, klerikalen und administrativen Verdächtigern des Neuheidentums die Möglichkeit genommen, selbiges zum Sündenbock des eigenen kulturellen Unvermögens zu machen.

Die Folge war, daß derartige Organisationen wie der Rabenclan oder der Steinkreis mit enormem Energieeinsatz hauptsächlich zwei Dinge taten, von denen sie sich massiv von anderen neuheidnischen Gruppen unterschieden:

Zum einen diskutierten sie mit unversönlicher Militanz die faschistoide Befleckung des früheren und zeitgenössischen neuheidnischen Geistes.

Eine solche Auseinandersetzung war richtig und schon längst überfällig. Aber die Art, wie es geschah, konterkarierte die Legitimität hrer Motive ganz beträchtlich: In der Schußlinie stand am Ende jeder und jede, die sich allein im Kontext eines bestimmten verbalen Kodex bewegten. Es war nicht die geistige Ausrichtung, sondern die vorgebliche verbale Unkorrektheit ihrer Artikulation.

Die erforderliche Methode, sich im Rahmen einer wirklichkeitsorientierten Feldforschung eine konkrete Anschauung realer Menschen zu verschaffen, wurde ignoriert. Verdächtigte wurden beschuldigt, ohne sie jemals in Augenschein zu nehmen, geschweige denn, Motivationsforschung zu betreiben.

Der formale, lediglich sich selbst in das Licht der Unbeflecktheit versetzende Antifaschismus des gehobenen Staatsterrors wurde zum geistlosen Exerzitium neuheidnischer "Aufklärung".

Diese Strategie hatte nicht nur keinerlei Erkenntniswert. Denn das Wesen anderer Menschen zu erkennen, bedeutet immer noch, sich mit ihnen und ihren Geistesschöpfungen konkret auseinanderzusetzen.

Auch die Hoffnung, sich auf diese Weise beim Establishment lieb Kind zu machen und selbst zu einer Avantgarde und zu einem Fokus innerhalb des Neuheidentums zu werden, mißlang gründlich. Der Rabenclan e.V. wie auch sein vereinsrechtliches Pendant Steinkreis waren nie mehr, als eine um die hundert Mitglieder irisierende Sozietät. Die Rolle, die z.B. die pagan federation in Großbritannien mit ihren mehreren tausend Mitgliedern zu spielen vermochte, wurde den beiden Vereinen nie zuteil.

Obwohl die Menschen mit neuheidnischer Identität im deutschen Sprachraum einige Zehntausende umfassen dürfte, vermochte man es nicht, zu einer Repräsentanz, zu einer Widerspiegelung dieser Szene zu werden.

Die vollmundige Überzeugtheit, man hätte das Recht, im Namen dieser Bewegung zu sprechen, sich gleichsam zu ihrem Sprachrohr zu machen, war dennoch ungebrochen, ein bedauerliches Kennzeichen intellektuellen Größenwahns.

Nun müssen wir natürlich den Gründen nachgehen, die Rabenclan und Steinkreis zu einer derart marginalen Rolle verdammten - trotz engagierter Arbeit einer ganzen Reihe ihrer Mitglieder.

Wie kam es z.B. dazu, daß im Laufe von nun über 10 Jahren seiner Existenz zahlreiche Exponenten des Neuheidentums Mitglied im Rabenclan wurden und ihn dennoch nach relativ kurzer Zeit wieder verließen ? Ich erwähne hier nur stellvertretend für viele andere zwei so produktive Persönlichkeiten wie Igor Warneck und Michael Lotan Frantz. Diese Rolle eines "Durchlauferhitzers" der heidnischen Szene beruhte auf einer fortwährenden Attraktion nach außen, der die abstoßenden und ausscheidenden Kräfte aber zugleich die Waage hielten.

Wenn man nach den Gründen forscht, so wird zum andern der vereinsjuristische Formalismus mit seiner geisttötenden und nervenzehrenden Mechanik an erster Stelle stehen.

Unter dem Vorwand, damit demokratische Strukturen verbindlich zu machen, wurden in endlosen Gremiensitzungen und Geschäftsordnungsdebatten kreative und eigenständige Funktionsträger verheizt.

Der Energieeinsatz für diesen Formelkram war beträchtlich größer, als die Gestaltung neuer geistiger Inhalte.

Damit stieß man nicht nur Interessierte ab. Die gesamte Tendenz fortwährender Maßregelung der nicht Regelkonformen förderte nicht die Integration des sich Widersprechden, sondern ihre Ausscheidung. Sie hielt durch konsequentes Burnout von Beteiligten und deren "Verabschiedung" den Verein kontinuierlich kleinformatig.

Was man hier organisationspolitisch zelebrierte, agierte man auch in der "antifaschistischen " Arbeit aus: Durch permanentes Benennen unaufhebbarer Gegensätze wurde nicht die Integration der neuheidnischen Bewegung gefördert, sondern ihre Zerklüftung fortwährend definiert und zementiert.

Damit wurde der Rabenclan sowohl innerlich als auch in seiner Betrachtung der Szene ein Opfer jener Pseudodemokratie des Establishments, die Wesen und Geist der Demokratie im Gefolge des bürgerlichen Parlamentarismus totreitet: Ihr geht es im Auftrage persönlicher individueller Selbstbestätigung um einen permanenten Konkurrenzkampf zwischen formal unvereinbaren Positionen. Diese persönliche Profilierung genießt stets größere Priorität, als der konkrete Ertrag des Handelns.

Damit fördert man nicht die Freude an der Demokratie, sonder die Verzweiflung der Ungeübten an ihr, ihre zunehmende Ratlosigkeit.

Wenn dann noch die Verdächtigung von Mitgliedern, die nur ihr Recht auf Meinungsäußerung wahrzunehmen versuchen, sich in Zensurmaßnahmen niederschlägt, ist das Maß des Erträglichen überschritten (*)

Damit war auch für mich die Hoffnung erloschen, der Rabenclan könnte irgendwann einmal über seinen jetzigen Zustand hinauswachsen.

Schließlich, auf die Zukunft bezogen, ist die vereinsrechtliche Organisation einer völlig neuen und anderen Form von Religiosität wohl als Irrweg zu betrachten. In der Religiosität geht es um eine innere Wahrhaftigkeit, die im letzten Grunde nicht Gegenstand juristischer Diskurse sein kann - wiewohl sie sich in gemeinschaftsbezogener Verbindlichkeit bewähren muß.

Jeder, der mit offenen Augen durch das Land geht, stößt diesbezüglich immer wieder auf Beispiele "unorganisierter" heidnischer Sozialstruktur, die funktioniert.

Um mit anderen Rituale zu feiern oder Feldfrüchte anzubauen, oder die lebensfördernden Kräfte für meinen Körper zu pflegen - dafür brauche ich keinen eingetragenen Verein.

Und um die Zustimmung des politischen Systems würde ich auch nicht mehr buhlen - dieses System in Deutschland zumal hat im Strudel des globalen Kapitalismus längst den Überblick über sich selbst verloren. Wohl dem, der ein gewisses Maß an Eigenständigkeit errungen hat, wenn die zurückschlagende Natur die Reste dieser Zivilisation absorbieren wird...

Matthias Wenger, 09. 12. 2007

 

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(*)Als Beispiel hier eine kritische Darstellung einer Buchbesprechung , deren Veröffentlichung mir auf der Internetseite des Rabenclan verweigert wurde).