I.   Statt eines Vorworts











  Ernst Haeckel in den "Welträtseln":
                (Ausgabe Stuttgart 1899)

"Die Nemesis der Geschichte wird früher oder später über den römischen Papismus ein fruchtbares Strafgericht halten, und die Millionen Menschen, die durch diese entartete Religion um ihr Lebensglück gebracht wurden, werden dazu dienen, ihr im zwanzigsten Jahrhundert den Todesstoß zu versetzen - wenigstens in den wahren "Kulturstaaten". Man hat neuerdings berechnet, daß die Zahl der Menschen, welche durch die papistischen Ketzerverfolgungen, die Inquisition, die christlichen Glaubenskriege usw. um's Leben kamen, weit über zehn Millionen beträgt. Aber was bedeutet diese Zahl gegen die zehnfach größere Zahl der Unglücklichen, welche den Satzungen und der Priesterherrschaft der entarteten christlichen Kirche moralisch zum Opfer fielen ?
- gegen die  Unzahl  derjenigen,  deren  höheres Geistesleben durch sie getödtet, deren naives Gewissen gequält, deren Familienleben vernichtet wurde ? Hier gilt  das  wahre  Wort  aus Goethes herrlichem Gedichte
 

"Die Braut von Korinth": "Opfer fallen hier, weder Lamm noch Stier, aber Menschenopfer unerhört !"

                                        ***
         Bertrand Russell: Warum ich kein Christ bin
                            (London 1957) :

"Ich will zugeben, daß das Christentum weniger Schaden anrichtet als früher, das ist aber deshalb, weil weniger inbrünstig daran geglaubt wird".

                                      ***
Albert Schweitzer über die Christus-Interpretation des protestantischen Theologen Bruno Bauer(1809-1882)       (Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, S.256 f.):

"Auch als die römische Welt aufgehört hatte und eine neue Welt anbrach, starb jener Christus nicht. Sein Zauber wurde nur grausiger; und als die neue Kraft in die alte Welt hineinflutete, kam die Zeit, da er sein größtes Zerstörungswerk vollenden sollte. Er wurde der Vampir der geistigen Abstraktion, der Vernichter der Welt. Saft und Kraft, Blut und Leben bis auf den letzten Blutstropfen saugte er der Menschheit aus. Natur und Kunst, Familie, Volk und Staat wurden aufgelöst; und auf den Trümmern der untergegangenen Welt blieb das ausgemergelte Ich sich selbst als die einzige Macht übrig. .Der grausige Zauber der Selbstentfremdung des Ich ist gebrochen in dem Augenblick, wo der religiösen Menschheit nachgewiesen wird, daß jener Jesus-Christus   seine   Wirklichkeit   nur   ihr   verdankt   und
ihre Schöpfung ist. ...
Die Welt ist jetzt frei und reif für jene höhere Religion, wo das Ich die Natur nicht durch Selbstentfremdung überwindet, sondern dadurch, daß es sie durchdringt und adelt. Dem Theologen aber wirft man die Lumpen seiner Wissenschaft, wenn man sie zerrissen hat, als Geschenk und zur Beschäftigung zu, damit ihm in der neuen immer näher kommenden Welt die Zeit nicht lang werde."

***

Rudolph M. Loewenstein : Psychoanalyse des Antisemitismus, Frankfurt a. Main 1971):

 "Obschon die siegreichen Völker den Besiegten ihre Götter aufdrängten, duldeten sie oft neben den eigenen die Götter der unterjochten Völker und reihten sie sogar manchmal in ihren eigenen Pantheon ein.
Mit den monotheistischen Religionen verhält es sich anders. Ob sie sich Judentum, Katholizismus, Protestantismus, griechisch-russische Orthodoxie oder Islam nennen, wenn die Möglichkeit gegeben war, duldeten sie keinerlei rivalisierende Religion neben sich. Es scheint, als sei die Idee eines Einzigen und Allgemeinen Gottes unlösbar an den Begriff eines eifersüchtigen und intoleranten Gottes gebunden."
 
 

  II. Die Wurzeln der christlichen Anschauung










     Das Christentum hat im Laufe seiner Geschichte einem Ausschließlichkeitsgedanken gehuldigt, der seinen Vertretern das Recht gab, alle Menschen anderen Glaubens zu "rechtgläubigen" Christen zu machen - oder eben zu vernichten.
     Dafür hatte es, gemäß seinem Fetisch "Heilige Schrift" zwei gleichartige Motivationen und Möglichkeiten der Rechtfertigung:
     1. Die Alttestamentarische: Der radikale Glaube an den eigenen Stammesgott, der das eigene Volk auserwählt hat und das Recht zur Vernichtung anderer Stämme und Völker einräumt.
     2. Die Neutestamentliche: Der Glaube an zwei verschiedene Arten von Menschen: Die durch den Glauben Erlösten und die wegen Unglauben oder Sünde Verdammten. Daraus die Folgerung der "Nächstenliebe", sie, wenn notwendig, auch gewaltsam "zum Heil" zu bringen (Rettung der Seelen). Wesentlich ist hier die Tatsache, daß es nicht mehr nur wie im alten Testament um Vernichtung sondern um Transformation der Uneinsichtigen im Sinne einer tiefgreifenden Umgestaltung ihres Wesens geht. Erst wenn dies aussichtslos erscheint, dürfen auch diese der Auslöschung übergeben werden.
     Es handelt sich bei dieser Skizzierung "biblischer Humanität" nicht um geschichtliche Reminiszenzen. Die geistig-literarischen Grundlagen dieser Religion schmücken immer noch auf zahllosen Kirchen des Abendlandes wie der ganzen Erde den Altar: Die Bibel ist nach wie vor der Bestseller aller christlichen Kirchen - und sie wird es auch bleiben, so lange diese nicht zugeben können, daß sie die Menschheit zweitausend Jahre lang belogen und betrogen haben.
     Solange die Kirchen sich nicht von den nachfolgenden Bibelstellen distanzieren oder sie aus der Bibel entfernen, müssen wir unseren Vorwurf aufrechterhalten: Daß in diesen Institutionen auch nach wie vor potentielle Massenmörder und inquisitorische Unmenschen erzogen werden.
     Machen wir uns nun anhand einiger Zitate damit vertraut, was das "Wort Gottes" über die Behandlung von Andersgläubigen sagt. Unsere Zitate entstammen einer neueren, revidierten Übersetzung der Luther-Bibel aus den Siebziger Jahren und entsprechen in der Anordnung dem fortlaufenden Text.

2.Mose 23,24 : "...du sollst ihre Steinmale umreißen und zerbrechen."

3.Mose  20,6  :"Wenn sich jemand zu den Geisterbeschwörern und Zeichendeutern wendet, daß er mit ihnen Abgötterei treibt, so will ich mein Antlitz gegen ihn kehren und will ihn aus seinem Volk ausrotten."

3.Mose  26,30  : "...Und ich will eure Opferhöhen vertilgen und eure Sonnensäulen ausrotten und will eure Leichname auf die Leichname eurer Götzen werfen und werde an euch Ekel haben."

5.Mose 4,19  : "Hebe auch nicht deine Augen auf gen Himmel, daß du die Sonne sehest und den Mond und die Sterne, das ganze Heer des Himmels, und fallest ab und betest sie an und dienest ihnen. Denn der Herr, dein Gott, hat sie zugewiesen allen anderen Völkern unter dem ganzen Himmel."

5.Mose 7,5 : " Sondern so sollt Ihr mit ihnen tun: Ihre Altäre sollt ihr einreißen, ihre Steinmale zerbrechen, ihre heiligen Pfähle abhauen und ihre Götzenbilder mit feuer verbrennen..."

5.Mose 12,2-3 : "Zerstört alle heiligen Stätten, wo die Heiden, die ihr vertreiben werdet, ihren Göttern gedient haben, es sei auf hohen Bergen, auf Hügeln oder unter grünen Bäumen, und reißt um ihre Altäre und zerbrecht ihre Steinmale und verbrennt mit Feuer ihre heiligen Pfähle, zerschlagt die Bilder ihrer Götzen und vertilgt ihre Namen von jener Stätte."

5.Mose 17, 2-5 : "Wenn bei dir in einer deiner Städte, die dir der Herr, dein Gott, geben wird, Mann oder Frau, der da tut, was dem Herrn, deinem Gott mißfällt, daß er seinen Bund übertritt und hingeht und dient andern Göttern und betet sie an, es sei Sonne oder Mond oder das ganze Heer des Himmels, was ich nicht geboten habe, und es wird dir angezeigt, und du hörst es, so sollst du gründlich danach forschen. Und wenn du findest, daß es gewiß wahr ist, daß solch ein Greuel in Israel geschehen ist, so sollst du den Mann oder die Frau, die eine solche Übeltat begangen haben, hinausführen zu deinem Tor und sollst sie zu Tode steinigen."
     Allein dies ist ein Text, der sich zur Etablierung jeder Art von Inquisition und Kreuzzugswahn bedenkenlos heranziehen läßt. Die Anweisungen "Gottes" sind eindeutig. Kein Wunder, daß einzelne Texte dieser Art im "Hexenhammer" von 1487 zitiert werden, wo es darum geht, die Hexenverfolgung mit ihren Millionenopfern theologisch "korrekt" zu begründen.
     Das alte Testament ist in seinen Zielsetzungen gegenüber Menschen anderen Glaubens sehr konkret: Zerstörung der Kultstätten, systematische Überwachung, physische Vernichtung der Gläubigen wie auch der Priester.      Natürlich ist es klar, daß es zwischen den damaligen schon fast legendenhaften Geschehnissen in Palästina und und der späteren Missionsgeschichte gar keinen direkten Zusammenhang gab. Aber das ändert nichts an der Tatsache, daß die geschilderte Vorgehensweise der jüdischen Patriarchen Modellcharakter für die Bekämpfung der europäischen Heiden und der Heiden in aller Welt bekam.
     Es ist höchst kurios, wie selbst in apokryphen Überlieferungen die damaligen kulturellen Auseinandersetzungen des Volkes Israel mit einer feindlichen Umwelt noch weiter in die Vergangenheit zurückprojiziert werden. So gibt es im Koran eine Stelle über den jüdischen Erzvater Abraham, der die "Götzen" seines eigenen Vaters und dessen Sippe in Stücke schlägt, um ihm dadurch die Machtlosigkeit seiner Götter vor Augen zu führen. Nur den größten von allen Götzen ließ er bestehen, um diesem vor seinen Verwandten anschließend die Zerstörung der anderen Götter in die Schuhe zu schieben (Der Koran, nach der Übertragung von Ludwig Ullmann , München 1988, Sure 21). Kann man die Entstehung der monotheistischen Gottesvorstellung noch humoristischer darstellen ?
     Natürlich läßt sich nicht von der Hand weisen, daß die altjüdische Kultur nicht die einzige gewesen ist, die solche Formen einer kulturellen Abschottung gegen das Fremde aufzuweisen hat. In der Tat finden wir Auserwähltheitsdünkel und die Vorstellung, selbst im Mittelpunkt der Welt zu stehen, auch bei den Massai oder bei den alten Chinesen. Aber der entscheidende Unterschied besteht darin, daß dieser Gedanke im Judentum viel stärker ideologisiert und dogmatisiert wird.
Und des weiteren sollten wir bedenken, daß es einige Gelehrte und Künstler jüdischer Abstammung waren, die zu den schärfsten und begründetsten Kritkern dieser Art von Religiosität zählten: Heinrich Heine, Karl Marx, Sigmund Freud und Wilhelm Reich.
 Allerdings bedarf es an dieser Stelle eines Hinweises, mit dem wir auftretenden Mißverständnissen vorbeugen wollen: Die hier skizzierte Ideologie beruhte auf der Machtgier priesterlicher Kreise, die damit selbst im Widerspruch zu großen Teilen des jüdischen Volkes standen, wie die historische Analyse der Besiedlung Palästinas beweist. Es bestand damals einige Jahrhunderte lang die Gefahr, daß die Juden der Faszination des kanaanitischen Heidentums erliegen würden. Die autoritäre Haltung der theokratischen Kreise richtet sich hier also auch gegen die "Abweichler" innerhalb des eigenen Volkes.
Sie hat auch geschichtlich gesehen eine Langzeitwirkung gezeigt: Wurde doch die priesterliche Intoleranz zur wichtigsten Triebfeder des christlichen Antisemitismus. Als erst einmal das Christentum zur herrschenden Religion geworden war, behandelte es seine jüdischen Ursprünge ebenso aussondernd und autoritär, wie es früher die tempelpriesterlichen Kreise gegenüber den innerjüdischen Dissidenten taten. Die christliche Kirche imitierte hier also etwas, war sie doch selbst ursprünglich nur eine Sekte innerhalb des Judentums gewesen.
 Sollte also jemand aus den hier dargelegten Vorgängen Anleihen für einen neuen Antisemitismus machen wollen, indem er die monotheistische Intoleranz zu einem unveränderlichen Wesenszug des jüdischen Volkes deklarierte, so können wir ihn nur zur geschichtlichen Selbstkritik auffordern: In Bezug auf Brutalität in der Verfolgung Andersgläubiger auch in quantitativer Hinsicht (Man denke an die Millionenopfer der Hexenverfolgung) standen die Europäer den alten Theokraten nicht nur in nichts nach. Sie übertrafen diese dabei auch gewaltig und beließen das Schreckensregiment nicht nur in einem Winkel dieser Erde, sondern dehnten es im Zuge der Kolonisierung auch auf den gesamten Planeten aus.
Um nun auf das alte Volk Israel zurückzukommen:
 Aus einer mehr instinktiven Abwehrgebärde infolge einer geo- und kulturpolitischen Bedrohung wird eine Weltanschauung gemacht und diese wird in dem Augenblick zur Zwangsvorstellung, wo die äußeren Bedingungen ihrer Entstehung längst beseitigt sind. In besonderer Weise gilt dies für das Christentum, das die  paranoiden Elemente des Judentums übernimmt und konserviert, obwohl es bei einem vernünftigen Verhalten der ersten Christen zu einem Agreement mit den politischen Instanzen des Imperium Romanum hätte kommen können. So steigerte man sich weinerlich in die Rolle des Getretenen hinein, erschuf sich massenhaft Märtyrer, von denen man später bestens profitieren konnte.
     Der Fanatismus des Neuen Testaments bewegt sich gemäß des stärkeren Einflusses hellenistischer Philosophie auf einer etwas "feinstofflicheren" Ebene. Da der Urgemeinde ja zunächst die Mittel gesellschaftlicher und staatlicher Macht fehlen, bedient man sich einer Strategie der gefühlsmäßigen Verängstigung der Menschen. Sie werden in verschiedene heilsgeschichtliche Klassen eingeteilt, gemäß der rigorosen Vorstellung des alten iranischen Dualismus, den die ersten Christen gnostisch-moralistisch neuinterpretieren: Wir hätten zu lernen, zwischen Kindern des Lichtes und den Kindern der Finsternis zu unterscheiden.
     So heißt es z.B. in Matthäus 23,33 : "Ihr Schlangen, ihr Otterngezüchte ! Wie wollt ihr der höllischen Verdammnis entrinnen ?" Wir begegnen in diesem Text schon der Gleichsetzung des Bösen mit dem Tierischen, was nicht nur tief symbolisch für die ganze Einstellung des Christentums gegenüber der Natur ist, sondern sich in dem Sinnbild des "Großen Tieres" der Johannesapokalypse noch stärker verdichtet. "...einer wird angenommen, der andere wird verworfen werden" sinniert der Autor von Mattäus 24, 40, worin sich die Aussonderung der "Wertlosen" im Sinne des Jüngsten Gerichts drohend andeutet.
     Eindeutiger Natur ist auch der sogenannte Missionsbefehl, der eigentlich pauschal einen großen Teil der Menschheit der Vernichtung preisgibt: "Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird v e r d a m m t  werden" (Markus 16, Vers 16).
     Und in Matthäus 25, 41 ruft der sonst so sanftmütig dargestellte Jesus seinen geistigen Kontrahenten zu: "Gehet hin von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln." Vers 46: "...und sie werden in die ewige Pein gehen, aber die Gerechten in das ewige Leben."
     Im Laufe der vergangenen nun fast 2000 Jahre sind viele Gegner des Christentums ins Feuer geschickt worden, abgesehen von den vielen Millionen Glaubensbrüdern, denen dieser Weg ebenfalls nicht erspart blieb.
     Die vielfältigen Äußerungen des Apostels Paulus wollen wir unseren Lesern ersparen, weil dieser Mann und sein exzessiver Haß ein Thema für sich sind.
     Paulus zeichnete sich besonders durch seine geistige Stellung zwischen verschiedenen Welten aus, die ihn dazu nötigte, ständige innere Kämpfe nach außen zu projizieren.
     Als Jude mit römischem Bürgerrecht und umfassender (heidnisch)-hellenistischer Bildung mußte er sich selbst als Verräter an der eigenen Stammesreligion vorkommen.
     In jener unmöglich-absurden Vermischung jüdisch-sektiererischer und jüdisch-traditioneller Religion mit griechischer Philosophie betrachtete er zuerst die Christen als Verräter am ursprünglichen Judentum. Schließlich, nachdem er zum Christentum übergelaufen war, wurden sowohl die jüdischen Traditionalisten als auch die hellenistisch Beeinflußten innerhalb des Christentums seine Feinde.
     Durch den Konflikt zwischen dem Eigenen und Fremden im kulturellen Chaos des Imperium Romanum innerlich entzweit, wird Paulus zum "Handelsreisenden" in Sachen Religion.
     Statt sich damit abzufinden, daß Menschen überall eigenständige, legitime religiöse Überlieferungen haben, entwickelt er die Idee, allen Menschen die wahre Religion vermitteln zu müssen. Insofern sind seine Missionsreisen der Prototyp aller späteren Kreuzzüge und "Überzeugungstaten" der Bekehrer. Paulus transformiert den alttestamentarischen Gedanken der Abwertung und Abwehr andersgläubiger Völker zu einer weltweiten Bewegung. Er macht aus dem stammesegoistischen Ressentiment eines kleinen Wüstenvolkes eine Aufgabe  von globaler Bedeutung. So wird aus einer Ansammlung regionaler, vorderorientalischer Vorurteile und Haßgefühle, so wie sie aus den Zitaten des Alten Testaments hervorgehen, eine weltweite geistige Krankheit.
     Nur am Rande sei erwähnt, daß er im 1. Brief an die  Korinther, 10,14-22 heidnische Gottesdienste und Opfer als Teufelsverehrung und Dämonenkult darstellt und die Christen eindringlich davor warnt. Und dies, obwohl schon seine eigene Weltanschauung ohne den Einfluß der heidnischen antiken Philosophie überhaupt nicht denkbar gewesen wäre. Wie übrigens alle Theologen während ihrer Grundausbildung erfahren, was sie nicht daran hindert, die Zuhörer ihrer Sonntagspredigten über diesen Punkt zu belügen.
     Wir sollten aber der Gerechtigkeit halber erwähnen, daß ohne den Großmachtwahn der Römer eine derartige Ausbreitung intoleranten Gedankengutes kaum möglich gewesen wäre. Das Imperium Romanum verlieh dem jüdischen Fanatismus des Paulus die zivilisatorischen Möglichkeiten zu seiner Verbreitung. Hätte es diesen umfassenden Machtanspruch der Römer im kulturellen Sinne nicht gegeben, der Ungeist der "Bibel" wäre nicht mehr geblieben, als eine Fußnote der vorderasiatischen Religionsgeschichte.      Es ist nicht ganz unwesentlich, anhand der Gestalt des Paulus auf die ununterbrochene Folgerichtigkeit der biblischen Überlieferung hinzuweisen. Viele Theologen bemühen sich um die Darlegung der Tatsache, daß Paulus die Botschaft jenes "Jesus von Nazareth" drastisch verändert und durch eine recht eigenwillige Version ersetzt habe. Nun mag es durchaus sein, daß aus dem realen, historischen Jesus der frühen Christen bei Paulus ein philosophisch-symbolisches Gottwesen im Sinne der hellenistischen Mysterienkulte wurde. Doch ändert dies nichts an der Kontinuität der religiösen Unduldsamkeit, mit der er seinen Zuhörern gegenüber tritt. Darin sind sich der Zimmermannssohn aus Nazareth und der römische Jude aus Tarsus einig.
     Zuguterletzt sei noch die " liebevoll-humanitäre" Zukunftsvision der ersten Christen aus der Johannes-Apokalypse zitiert (Kptl. 22, 14-15): "Selig sind, die ihre Kleider waschen, auf das sie teilhaben dürfen an dem Baum des Lebens und zu den Toren eingehen in die Stadt. Draußen sind die Hunde und die Zauberer und die Unzüchtigen und die Totschläger und die Götzendiener..".
     Der von den Theologen stets behauptete Unterschied zwischen altem und neuem Testament in Bezug auf Menschlichkeit und Toleranz ist angesichts der zitierten Quellen nicht erkennbar.
     Der "liebe Heiland" und die christliche Nächstenliebe erweisen sich als schillernde Vernebelungsstrategie der Theologen.
     Es fehlte in der Geschichte der christlichen Theologie nicht an Versuchen, diese Gedankengänge auf zeitgemäße Art und Weise fortzuführen. So betrachtet Augustinus Gewaltanwendung bei der Missionierung als grundsätzliches Gebot, von der Zerstörung heidnischer Kultstätten bis zur Todesstrafe für absolut "Unbelehrbare", allerdings nach Auffassung von Hans-Dietrich Kahl nur bei Rückfälligen, die vorher bereits einmal die Taufe empfangen hatten. Gewissermaßen geht es hier um ein Mittel zur Erzwingung zur Einhaltung des einmal abgeleisteten Taufgelöbnisses. Die von dem heute noch hoch gelobten Kirchenvater gestattete Gewaltanwendung beinhaltet Haft- und Prügelstrafen sowie kriegerische Exekutionen gegen ganze Menschengruppen. Letzteren Gesichtspunkt betrachtet Kahl als wichtigen frühkirchlich-ideologischen Ausgangspunkt für die Kreuzzüge.
     Weitere Grundgedanken zur missionarischen Verbreitung des Christentums verdankt die Kirche Gregor dem Großen (590-604), der als wirksame Mittel gegen das Heidentum betrachtete: "...mehr oder weniger gelinder Druck, etwa mit Einräumung oder Entziehung von Vermögensvorteilen unter Umständen weitreichender Art wie stark überhöhtem Steuerdruck." (Kahl, S.42).
     Nach der gleichen Darstellung konzipierte Gregor auch die Idee des indirekten Missionskrieges, die die kriegerische Unterwerfung und daraufhin die friedliche Glaubenspredigt  als aufeinanderfolgende Schritte vorsah. Diesbezügliche Mitteilungen Gregors an den Exarchen von Afrika wurden in die späteren Dekretaliensammlungen des Mittelalters aufgenommen und so zu einer kirchlich anerkannten Rechtsnorm aufgewertet. Jene Ausführungen werden von Hans-Dietrich Kahl als programmatischer Ausgangspunkt des gesamten europäischen Kolonialismus einschließlich der Greuel der Konquistadoren in "Neuindien" sowie sämtlicher Kriege gegen die Slawen aufgefaßt !
     Erst sollte ein fremdes Volk, das als Träger einer heidnischen Kultur als prinzipiell rechtlos angesehen wurde, im militärisch-politischen Sinne unterworfen werden. Dann erst war es reif für die Vermittlung des Glaubens. Dennoch soll Gregor dem Prinzip des "direkten Zwangs" also etwa einer Überredung zur Taufe mit unmittelbarer Todesdrohung ablehnend gegenüber gestanden haben.  Viel sympathischer war besagtem klerikalem Gangster lt. Kahl die "indirekte Nötigung", die in geschickter Anwendung sonstiger Repressalien bestand.
     Jedenfalls wurde überdeutlich, daß die Praktiken der Christianisierung nicht etwa nur zeitlich gebundene "Ausrutscher" agressiver Fürsten und Missionare waren, die den Geist der Nächstenliebe vergessen hatten. Die in diesem Buch beschriebenen Methoden sind vielmehr erwiesenermaßen Ausdruck einer liebevoll gehegten und gepflegten Weltanschauung, in der Nichtchristen grundsätzlich keinen Anspruch auf freie Entfaltung und Anerkennung ihrer menschlichen Würde besaßen.
 
 

III. Die Zerstörung der antiken Welt

     Zunächst müssen wir die Antike betrachten, die erste große Auseinandersetzung fand statt zwischen dem antiken griechisch-römischen Heidentum und der erstarkenden christlichen Kirche.
     Hierzu ist festzustellen, daß Paulus bereits im Jahre 54 n. Ztw. in Ephesos eine große Bücherverbrennung inszenierte, wobei es sich um Bücher handelte, die von "sonderbaren Dingen" handelten. Im Jahre 390 n.Ztw. verbrannten Christen die große Serapeion-Bibliothek in Alexandria (Ägypten), in der sich etwa 200 000 Schriftrollen mit religiösen, literarischen und wissenschaftlichen Überlieferungen befanden.
     Schon unter Konstantin dem Großen, der im Jahre 313 das Mailänder Edikt zum "Schutz der Christen" erließ, machte sich bereits butale Intoleranz bemerkbar: Darin verbot er z.B. das Heranziehen etruskischer Zeichendeuter zur Erforschung der Zukunft, obwohl er selbst diesen Praktiken popsitiv gegenüber stand und sie auch benutzte.
     Theodosius d. Gr. (379-395) sandte besondere Präfekten in die Provinzen, mit dem Auftrag, heidnische Heiligtümer und Kulte mit staatlichen Mitteln zu brechen. Auf diese Weise wurden heidnische Kulte wie der Mithras-Kult in den Randgebieten des Imperium Romanum zerstört, bevor man daran ging, die einheimischen Kulte jener Regionen zu beseitigen. So wurde das Mithraeum in Dieburg bei Darmstadt zerstört, ebenso wie jenes in Saarburg bei Trier. In letzterer Kultstätte fanden Archäologen das gefesselte Skelett des dortigen Mithraspriesters, der wahrscheinlich von Christen ermordet wurde.
     Durch zwei Verordnungen, 385 und 392, stellte er die Wahrsagepraktiken der Haruspizien unter Strafe: Der Tod auf dem Scheiterhaufen drohte jedem, der einen Haruspex konsultierte.      Sein Sohn und Nachfolger Honorius ließ die Bücher der Nymphe Vegoia samt den im Jupitertempel auf dem Kapitol aufbewahrten Sibyllinischen Büchern öffentlich verbrennen - unersetzliche Schätze uralter etruskischer Mysterienkultur (s. Literatur 19a ).
     Selbst ein protestantischer Kirchenhistoriker muß zugeben: "Unter Theodosius (Imperium Romanum) war das Heidentum fast völlig entrechtet, durch äußeren Zwang, in blutigen Kämpfen wurde das Christentum staatlicherseits zum Siege gebracht. Dem staatlichen Verhalten entsprach das Vorgehen des christlichen Pöbels -Tempelstürme!- , der durch den Klerus und von Mönchen geführt wurde." (Die Religion in Geschichte und Gegenwart,Bd.1, S.1552, Tübingen 1927).
     Der französische Julian-Biograph Benoist- Mechin dokumentiert den christlichen Vernichtungswillen folgendermaßen: "Säulen, Architrave und Kapitelle der Tempel wurden entfernt und für den Bau von Klöstern und Kirchen benutzt. Im Jahre 376 wurde das Mithras-Heiligtum in Rom zerstört, 380 ließ Theodosius das Heiligtum von Eleusis vernichten; 391 wurden alle heidnischen Tempel geschlossen, die Gläubigen verfolgt. Heidnische Heiligtümer in Edessa und Apameia wurden im Jahre 387 von Christen zerstört. Natürlich gab es auch Heiden, die sich dem zunehmenden christlichen einfluß entgegenstemmten, wie z.B. Porphyrios (233-304), Celsus, der im Jahre 178 das erste antichristliche Werk schrieb und schließlich der berühmte Kaiser Julian, der eine tiefgreifende Reform des Heidentums und einen Staat auf echt heidnischer Grundlage erstrebte".
     Um sich ein Bild von der moralischen Integrität der politischen Steigbügelhalter der Christianisierung zu machen, sei kurz eine blutige "Anekdote" aus dem Leben des Theodosius berichtet. Theodosius, Kaiser von Byzanz läßt im Jahre 390 in der Arena des Zirkus von Thessalonich 7000 Menschen niedermetzeln - Bürger jener Stadt. Welches schreckliche Verbrechen hatten sie wohl begangen ? Der Grund war, daß in Thessalonich e i n  kaiserlicher Beamter ermordet worden war ! Am Weihnachtstage des Jahres 390 zwang Ambrosius, Bischof von Mailand den Kaiser, für diese administrative Schandtat vor allem Volk ein öffentliches Schuldbekenntnis abzulegen. 391 ist es dann dieser Kaiser, der den römischen und hellenischen Heiden alle öffentlichen Tieropfer verbietet, ein zentraler Ritus des alten Heidentums. Die Begründung:"...denn es sei nicht statthaft, für menschliche Schuld ein unschuldiges Tier zu schlachten" (zit. b. Holger Schleip: Zurück zur Naturreligion ? , Freiburg i. Br. 1986, S.71) Solche moralischen Wracks konnte die Kirche in der Tat hervorragend für ihre Zwecke einspannen. Die beste Kenntnis der menschlichen Seele dient hier nur zu dem Zweck, ihre Versklavung zu vollenden, nie zur Heilung oder Vervollkommnung.
     Vigilius, Bischof von Trient (um 378) versuchte ein Götterbild hinabzustürzen, das sich auf einem schroffen Felsen befand. Es gelang ihm nicht mehr, da er vorher von erbosten Bauern erschlagen wurde.
     Nicht sehr viel pietätvoller gingen die Bekehrer auch mit den Heiligtümern der Griechen um: Die Athenestatue aus dem Parthenon auf der Akropolis in Athen wurde im 5. Jhdt. entführt und der Asklepiostempel zerstört. Eine ganze Reihe anderer Tempel ließ man zwar in ihrer Bausubstanz unversehrt, entweihte sie dann allerdings dadurch, daß man sie Gestalten der christlichen Ikonographie widmete. Der Tempel der Athene auf der Akropolis wurde der Jungfrau Maria zugeordnet, ebenso auch der Tempel der Persephone. Das Theseion, der Tempel des Theseus wurde eine Kirche des heiligen Georg. In Eleusis, im Tempel des Triptolemos, in Lebadia, im Heiligtum des Trophonius und im Tempel der Rhea zu Konstantinopel: Überall bemächtigten sich die Christen der alten Kultstätten, um sie als Kirchen zu mißbrauchen. Noch schäbiger behandelte Theodosius einige Tempel auf der Akropolis, indem er sie einer profanen Nutzung unterwarf. So geschah es mit den Tempeln des Helios, der Artemis und der Aphrodite. Ein Jupiter- und ein Poseidontempel wurden niedergerissen, um anschließend aus dem Baumaterial Kirchen für christliche Märtyrer zu errichten.
     Selbst in späterer Zeit, als die religiöse Riten der antiken Welt längst erloschen waren, macht der christliche Haß keinen Halt vor den künstlerischen Kultobjekten: Der griechische Asket Ossios Christodoulos (gest. März 1093) fand auf der Insel Patmos einen Tempel der Göttin Artemis, die einst Schutzgöttin der Insel war. Er "zerstörte erst ein kunstreiches Götzenbild, das sie dort im Namen der Artemis hatten" und baute dann an dieser Stelle sein Kloster (Papadopoulos, S. 6)
     Auch in Italien ist die Zahl der heidnischen Tempel, denen eine neue christliche Identität verpaßt wurde, geradezu Legion. Wenn die Menschen wirklich wie von selbst Christen wurden, wie manche Theologen gern behaupten, warum schufen sie sich dann nicht auch ihre eigenen Heiligtümer ?
     Folgende alte Kultstätten fielen im Einzugsgebiet des römischen Heidentums der Christianisierungswut auf diese Weise zum Opfer: Das Templum Sacrae Urbis und das Templum Romuli (durch Bischof Felix IV., 526-536), das Pantheon - heute S. Maria Rotonda (609 durch Bonifazius IV.), der Antoninstempel, der Tempel der Ceres und Proserpina und der alte Minervatempel (Alle in Rom).
     Im übrigen Italien teilten dieses Schicksal ein Apollotempel in Fundi(Latium), ein Bacchustempel in Mailand (Ambrosiusbasilika), ein Concordiatempel (Sizilien), ein Zeusheiligtum (Girgenti/Sizilien) und ein Athenetempel auf Ortygia.
     Doch es dauerte noch geraume Zeit, bis das antike Heidentum wirklich verschwunden war. Noch im Jahre 528 fand Benedikt von Nursia eine Kultgemeinschaft des Gottes Apollon auf der Höhe des Castrum Casinum in Latium. Dort gab es einen heiligen Hain, ein Kultbild nd einen Altar, auf dem noch Opfer dargebracht wurden. Benedikt zertörte die Statue mitsamt dem Tempel und brannte den Hain nieder. An dieser Stelle wurde das erste Kloster der Benediktiner, Monte Cassino, begründet.
     Auch im gesamten orientalischen Einzugsbereich der hellenistischen Kultur, in Kleinasien, Syrien und Ägypten wurde das Zerstörungswerk intensiv betrieben. Man muß ein Buch wie "Der unbesiegte Gott" von Franz Altheim (Hamburg 1957) gelesen haben, um schmerzlich nachzuempfinden, wie grandios und vielfältig das Heidnische auch in diesen Regionen der alten Welt präsent war - der starren Gesetzesreligion des Judentums zum Trotz. Wie sich hier Impulse altorientalischer Sonnenkulte mit hellenischen Mysterien in künstlerischer Intuition  zu einem komplexen Gebilde entwickelte, dem das spätere orientalische Christentum oder gar der Islam nur eine unfaßbare geistige Öde entgegensetzen konnten.
     In der Stadt Sufes (Nordafrika) stürzten die Christen eine besonders verehrte Herkulesstatue um, worauf es zu blutigen Unruhen kam, in deren Verlauf mehr als sechzig Christen getötet wurden. Der Berichterstatter Augustin verschweigt nicht, daß Christen aber auch die eigentlich Schuldigen an dem Gemetzel waren (Neuwinger, S.132). Im Jahre 391 wurde das Serapeion, der Tempel des griechisch-ägyptischen Gottes Serapis, unter Anführung des Patriarchen Theophilus von den Christen gestürmt und vernichtet. Die griechische Mathematikerin und neuplatonische Philosopin Hypatia wurde im Jahre 415 von asketischen Mönchen vom nitrischen Gebirge nackt ausgezogen und mit Glasscherben zerfetzt (Deschner, S.392) In Kleinasien wurden der Tempel des Dionysos in Teos (Karien) sowie das Heiligtum der Athene Polias in Priene zerstört. In Phönizien wurde der Tempel von Aphaka am Libanon von Konstantin vernichtet, weil der dort praktizierte Aphrodite-Kult den Trägern einer neuen verkrampften Morallehre Bauchschmerzen bereitete.
     In Gaza, einst eine Metropole der Philister, widmete sich der Asket Porphyrius dem Werk der Zwangsbekehrung. Als Porphyrius im Jahre 395 Bischof wurde, erwirkte er von Kaiser Arkadius ein Dekret gegen den Götzendienst, das eigentlich nur durch eine Intrige seiner fränkischen Gemahlin Eudoxia zustande kam. Porphyrius vernichtete zunächst eine Marmorstatue der Aphrodite. Das Marneion, ein Heiligtum des semitischen Gottes Marna wurde niedergebrannt und an dessen Stelle eine Kirche gebaut. Mit den Marmorstücken des Allerheiligsten des Tempels ließ Porphyrius den Weg zur Kirche pflastern, "damit jene nicht nur von Männern mit Füßen getreten würden, sondern auch von Frauen und Schweinen und anderen Tieren" (zit. b. Neuwinger, S.134). Ferner wurden Haussuchungen durchgeführt, bei denen man es auf Götterbilder abgesehen hatte. Was gefunden wurde, zertrümmerte man, warf es ins Feuer oder in den Schmutz.
     In Adra bei Damaskus wurde ein Tempel des Gottes Theandrites von den Christen zertrümmert und durch eine Kirche ersetzt.
     Marcellus, Bischof von Apamea, hatte in seinem Ort bereits alle heidnischen Tempel niedergerissen. Als er auch in den benachbarten Ort Aulon mit einigen Soldaten aufbrach, um einen dort gelegenen Tempel zu zerstören, wurde er mit dem Widerstand der einheimischen Bauern konfrontiert. Diese belagerten und verteidigten ihr Heidentum. Als sie Marcellus dezent im Hintergrund stehend erspähten, schleppten sie ihn fort und verbrannten ihn bei lebendigem Leibe.
     Wenn man bedenkt, daß der Bevölkerungsanteil der Christen im Imperium Romanum zur Zeit Konstantins (Mitte 4.Jhdt.) auf weniger als 10 % geschätzt wird, so wird man ihre Handlungsweise verstehen können: Ohne Terror und machtpolitische Intrigen hätte das Christentum nie die Macht erringen können.
     Ein wesentlicher Grund dieser Machtergreifung liegt aber auch in der Schwäche und Dekadenz der antiken Kultur, die durch die Auflösung der alten sozialen Ordnung, der Verkommenheit der herrschenden Schichten und der Durchdringung mit unverstandener orientalischer Kultur dem Verfall preisgegeben war.
     Allerdings müssen wir auch das Ausmaß an Toleranz bewundern, das in der antiken Welt möglich war. Diese Toleranz war einesteils eben die Grundlage für eine ungeheuer fruchtbare Vielfalt in Kultus, Gottesvorstellung und Philosophie - und zugleich auch der Hauptgrund dafür, daß man nicht die tödliche Gefahr des christlichen Dogmatismus erkannte. Einer entschlossenen Ideologie, die sich um jeden Preis an die Spitze des geistigen Lebens setzen wollte, hatte man nichts entgegenzuhalten, keine unüberwindbare geistige Front, da die Exponenten des Heidentums in zahllose intelektuelle Scharmützel verstrickt waren. So bemerkte einst der Philosoph Themistius zu Kaiser Valens: "Die Hellenen haben einhundert Weisen, die Gottheit aufzufassen und zu ehren, die sich über diese Verschiedenheit der Huldigungen freut" (zit. bei Theodor Reik: Der eigene und der fremde Gott, Frankfurt a. M. 1972,  S.173).
     Schon längere Zeit, bereits in den Schriften Ciceros (106-43 v.Ztw.) war die bloße Existenz der Götter Gegenstand endloser philosophischer Debatten, die sich in fruchtlosen Abstraktionen und Gedankenspielen verloren. Es fehlte bereits Jahrhunderte vor der definitiven Christianisierung an lebendigem Glauben und innerer Gewißheit im römischen Heidentum.
     Deshalb verlagerte sich das abendländische Machtzentrum auch bald in den Bereich jener nordeuropäischen Völker und Stämme, die noch nicht durch die zivilisatorische Aufweichung Roms beeinträchtigt waren.
     Ein besonderes Kapitel der Bekehrungsgeschichte sind die kontinentalen Kelten, da sie ja bereits früher, durch die Auseinandersetzung mit den Römern, viel von ihrer eigenen Identität eingebüßt hatten. Bekannt für die Zerstörung des noch verbliebenen keltischen Heidentums der Gallier wurde Martin von Tours (4. Jhdt.),  der zahlreicheHeiligtümer zerstörte. Er litt derart unter seinem
dadurch hervorgerufenen schlechten Gewissen, daß er selbst noch hin und wieder von heidnischen Göttinnen und Göttern heimgesucht wurde. In Ambroise zerstörte er einen gewaltigen alten Tempel und stürzte eine Säule mit einem Götterbild zu Boden.
     Remigius von Reims wütete im 5. bis 6. Jhdt. gegen die "Altäre der Idole", unter denen er vor allem Heiligtümer der altgallischen Dreiheitsgötter verstand.
     Orientus, ein Bischof im südlichen Aquitanien riß einen  Tempel nieder, der sich auf der Spitze eines heiligen Berges befand.
 Cäsarius, der in der Gegend um Arles wirkte, forderte in seinen Predigten immer wieder zur Vernichtung der Altäre und Heiligtümer auf.
     All die hier geschilderten Untaten sind einesteils die Geschichte einer Kultur, die durchaus ursprüngliche, erdreligiöse Bezüge hatte, das Leben und die Natur durch eine Vielzahl von Riten zu heiligen bemüht war. Doch je mehr die Gier nach äußerer Macht und die damit verbundene  Raffgier nach noch mehr Besitz internationalen Handel und Militarismus förderten, desto stärker löste sich die alte Ordnung auf.
     Die römische Kultur war schließlich an einem zivilisatorischen Stadium angelangt, an dem die soziale Schichtung der Bevölkerung soviel Leid und der luxuriöse Überfluß soviel Überdruß hervorgerufen hatten, daß die scheinbare Lösung aller Probleme nur noch durch eine Erlösungsreligion gewährleistet werden konnte.
     In diesen geistig-seelischen Leerraum stießen viele verschiedene Mysterienkulte vorwiegend orientalischer Herkunft - Doch nur das Christentum konnte den Sieg davon tragen. Dank seiner rigorosen Ansprüche auf Macht und Entfaltung, die wir im vorigenKapitelskizziert hatten.
 
 

IV. Der Schatten des Imperiums: Die auserwählten Völker der neuen Christenheit










     Nachdem man im Mittelmeerraum alle geistig unabhängigen Kräfte zum Schweigen gebracht hatte, wandte sich die Bekehrungsmaschinerie dem Bereich nördlich der Alpen zu. Die germanischen Stämme, die im Rahmen der Völkerwanderung nach Südeuropa geraten waren, hatte man schon frühzeitig zum Christentum gebracht.
     Ganz offen wird aus theologischer Perspektive zugestanden, daß eigentlich bei den "Bekehrten" gar kein inneres seelisches Bedürfnis nach der neuen Religion vorhanden war: "Die im 3. Jhdt. drohende Gefahr, daß die vordringenden Germanen mit dem Reich zugleich das Christentum vernichten und so dem (germanischen) Heidentum (an Stelle des griech.-römischen) von neuem den Sieg verschaffen möchten, wurde dadurch verhindert, daß man die Germanen christianisierte." (Die Religion in Geschichte u. Gegenwart, Bd. 1, S. 1553, Tübingen 1927).
     Wenngleich sich ihr unabhängiger Geist in Form des arianischen Christentums noch eine etwas eigenständige Sichtweise der Dinge bewahrt hatte, gab es doch keinen Raum mehr für eine Religiosität aus eigener Wurzel.
     Der britische Religionshistoriker E.A. Thompson ist der Auffassung, daß z.B. die gotische Stammesaristokratie sich aus rein wirtschaftlichen Gründen genötigt sah, den neuen Glauben anzunehmen. Ihre Anpassung an die Lebensweise der spätrömischen Grundherren beinhaltete auch ein Zugeständnis zu deren religiöser Grundeinstellung.
     Aus ähnlichen Beweggründen ließen sich später auch im Norden und in Britannien viele heidnische Männer "mit dem Kreuz zeichnen", was die Kirche auch als prima signatio bezeichnete. Es handelte sich um eine Vorstufe zur Taufe, noch nicht um einen definitiven Bekehrungsakt. Doch wurde dieser Ritus generell von Nordmännern durchgeführt, die Kaufleute waren oder sich in ein Dienstverhältnis bei Christen begaben. Die Entscheidung sagte insofern nichts über irgendwelche Überzeugungen aus.
     Sicher war eine solch pragmatische Einstellung nicht nur durch eine neue Lebenssituation im wirtschaftlichen Sinne bedingt, sie war für einen germanischen Polytheisten grundsätzlich auch vom religiösen Standpunkt aus möglich. Warum ? Nun, wenn ich als Polytheist davon ausgehe, daß die Vielfalt des Lebendigen sich in einer ebensolchen vielseitigen Existenz geistiger Wesen wiederspiegelt, so bin ich grundsätzlich offen für das Kennenlernen neuer Gottheiten und ihrer Kulte. Hatte doch in der altgermanischen Naturmystik mitunter ein Berg, ein Fluß oder ein bestimmter Wald seinen eigenen Schutzgeist. Man überlege sich die Konsequenz dieser Sichtweise, wenn ein germanischer Stamm bei seiner Wanderung in den Mittelmeerraum ganz neue Landschaften, eine neue Flora und Fauna kennenlernte. Für viele "bekehrte" Goten, Wandalen und Sueben muß Christus ein neuer und vielleicht ebenbürtiger Gott neben seinen alten Göttern gewesen sein. Daß mit der Annahme der neuen Religion auch ein völlig neues Verständnis von Menschentum, Weltentwicklung und Schicksal zusammenhing, wird den meisten Germanen im Eifer des Gefechts entgangen sein. Zumal gerade dann, wenn sie zunächst von Jesus Christus nicht sehr viel mehr erwarteten, als sie von den alten Götter auch erwartet und bekommen hatten. Beispielsweise Glück im Krieg oder gute Nachkommenschaft.
     Es war ihnen wahrscheinlich oft nicht ersichtlich, daß es sich bei der Taufe um einen grundsätzlich unumkehrbaren Akt von umstürzender Totalität handelte. Und nicht, wie er vielleicht selbst glauben mochte, um eine Angelegenheit, die bequem neben der noch vorhandenen heidnischen Gesinnung  koexistieren konnte.
     Über die Missionierung Nordeuropas kursieren nun die eigenartigsten Behauptungen, wobei es vor allem zwei Dinge sind, die immer wieder auftauchen: Einmal die These, daß es nur eine bestimmte Gruppe innerhalb der römischen Kirche gewesen sei, die die Mission mit besonderer Brutalität und Härte vorangetrieben hätte. Die Mission der iro-schottischen Mönchskirche hingegen soll sich durch eine vergleichsweise milde, kompromißbereite Haltung gegenüber dem Heidentum ausgezeichnet haben. Diese vielfach von Anthroposophen verbreitete These mutet abenteuerlich an, wenn man sich der zölibatären Lebensformen der iro-schottischen Mönche erinnert oder solcher Gewaltaktionen wie der Verbrennung von 10.000 Runenmanuskripten aus Birkenrinde im 7. Jhdt., die die Überlieferung der keltischen Kultur enthielten (Charroux, S.63).
     Gerade die Tatsache, daß es sich bei der iro- schottischen Kirche um eine Mönchskirche handelte, sollte uns doch hellhörig machen. Die lange Unabhängigkeit dieser Kirche von Rom wird von theologischen Historikern als geschichtlicher Rückstand orientalischen Asketentums bewertet, wie wir es auch zu Beginn der Etablierung des Christentums im Imperium Romanum finden. Irrtümlicherweise sehen manche Esoteriker hier gleich immer eine verdeckte Beziehung der Iro-Schotten zu den altkeltischen Druiden. Verräterisch sind ferner auch die bei ihnen besonders intensiv gepflegte Beichtpraxis und die ausgedehnten Bußübungen (Wörterbuch der Kirchengeschichte, München 1984, S. 278). Die auf dem europäischen Festland insbesondere im Frankenreich benutzten Bußbücher, die regelrechte Sündenkataloge darstellten, gehen auf iroschottische Initiativen zurück. Zur Praxis dieser Bußen gehörten unter anderem extremes Fasten, unaufhörliche Nachtwachen, zahllose Kniebeugen und kalte Bäder.
     Ein besonderes Kuriosum ist das schon seit Beginn der Christianisierung Irlands vorhandene "Syneisaktentum", bei dem männliche und weibliche Asketen zur angeblichen Stärkung ihres asketischen Willens zusammenlebten. Ausdruck "altkeltischen druidischen Tantras" oder Beispiel übelster Verleumdung sexueller Intinkte durch mönchische Fanatiker ? Die Einrichtung selbst wird bereits in der "Ersten Ordnung der Heiligen" aus dem Jahre 431 erwähnt. Robert E. McNally jedenfalls kennzeichnet die irischen Mönche als weltverachtend, voll von übersteigertem Moralismus und begabt mit ausgeprägtem Sündenbewußtsein.
     Des weiteren zeichnete sich die irische Geistlichkeit dadurch aus, daß sie ihren Angehörigen eine besondere Form von Tonsur auferlegte, bei der wahrscheinlich nur der vordere Teil des Kopfes von einer Verbindungslinie zwischen beiden Ohren an geschoren wurde. Auch die Berechnung des Osterdatums erfolgte nach einer anderen Methode als in der römischen Kirche. Reicht das aber schon aus, bereits eine unmittelbare Nähe zu den Druiden ins Auge zu fassen ? Auch die legendenhafte Angabe, daß es bereits um 431/32, als Patrick seine Missionierung Irlands begann, schon ein Mönchstum auf der grünen Insel gegeben haben soll, ist kein sicherer Anhaltspunkt.
     In Wahrheit waren es gerade  die iroschottischen Mönche, die bei ihrer Festlandmission nicht vor der Zerstörung heiliger Stätten zurückschreckten. Es muß uns schon aufmerksam machen, wenn wir hören, daß gerade sie von den Frankenherrschern Pippin (715-768) und Karl (768-814) ins Land geholt wurden ! Unter anderem gehörten so berüchtigte "Heilige" zu ihnen wie Kolumban, Kilian, Wigbert, Willibrord und Winfried(Bonifatius).
     So wäre z.B. der Ire Kolumban (gest. 615) mit seinen Gehilfen fast erschlagen worden, als er im Gebiet von Zürich ein alemannisches Heiligtum anzündete.
     Eine andere, dreist vorgetragene Behauptung der kirchenamtlichen Historiker läuft darauf hinaus, daß die Christianisierung Nordeuropas mehr oder weniger auf freiwilliger Basis erfolgt sei, weil die Heiden ohnehin nicht mehr an die alten Götter glaubten und sich das Heidentum überlebt hätte. Rudolf Steiner, ein Meister neoplatonischer Fabulierkunst kleidet diesen Gedankengang in die Schilderung folgender "überirdischer" Notwendigkeiten: "Die spätere römische Geschichte wurde auch geleitet von einer Art von Zeitgeist, der aus dem Erzengel des Römertums aufgestiegen war und sich in seiner Wirksamkeit mit dem christlichen Zeitgeist zu gemeinsamem Wirken verband. Diese beiden waren die Erzieher jenes Erzengels, welcher die germanischen Völker führte, der zu deren führenden Erzengeln gehörte, der sich dann zum Zeitgeiste der fünften nachatlantischen Kulturperiode emporhob" (Steiner, S.132).
     Solchen absonderlichen Thesen wollen wir ganz einfach die Fakten gegenüber stellen:
     Das Fundament für die Identität von Frankenherrschaft und christlichem Missionsfanatismus legte bereits Chlodowech (Chlodwig), der von 482- 511 lebte. Seine Bekehrungsgeschichte, in einem Buch Gregor v. Tours überliefert, zeugt nicht gerade von fröhlichem Erkennen einer neuen Religion. Sie offenbaren vielmehr den dumpfen Haß seiner christlichen Umgebung auf das Heidnische. So versuchte zunächst seine Frau mit endlosem Gekeife, ihn von den "Götzen" abzubringen. Doch erst in einer Schlacht gegen die Alemannen, in der ihm die von ihm angerufenen Götter nicht halfen, wandte er sich Christus zu. Ein Stoßgebet zum neuen Gott brachte angeblich die Alemannen dazu, sich trotz anfänglicher totaler Übermacht gegenüber Chlodwigs Heer diesem zu unterwerfen. Eine seltsame, unglaubwürdige Geschichte. Noch eigenartiger ist die Schilderung der Begebenheiten nach der Schlacht, die eine offensichtliche Umfälschung der Tatsachen darstellen: Als die Königin heimlich den Bischof von Reims, Remigius, zu einem Gespräch mit Chlodwig herangeholt hatte, beteuerte der König, er würde, sich ja gern bekehren, doch "das Volk... duldet nicht, daß ich  seine Götter verlasse". Als Chlodwig daraufhin eine Volksversammlung einberuft, sind die Menschen überraschenderweise bereit, "die sterblichen Götter" dem "unsterblichen Gott" zuliebe zu verlassen. Haben wir hier ausgefeilte Intrigen klerikaler Drahtzieher vor uns oder nur ganz einfach eine fromme Geschichtslüge ? Jedenfalls wurde anschließend (immer nach Gregorius' Bericht) eine prachtvolle Taufzeremonie veranstaltet, bei der Remigius seine Stimme zu  dem pietätlosen Weihespruch erhob: "Beuge still deinen Nacken, Sicamber, verehre, was du verbranntest, verbrenne, was du verehrtest." Diese Tragödie spielte sich angeblich im Jahre 498 ab.
     Noch ein anderes Faktum könnte eine gewisse Bedeutung für Chlodwigs Bekehrung gehabt haben, und das ist die starke Verbreitung des St. Martinskultes im westfränkischen Reich. Er wurde ursprunglich um 336 in Pannonien geboren und starb gegen 401. Martin war Zeit seines Lebens Soldat gewesen und wurde später Volksarzt, Heidenbekehrer und dann auch Bischof von Tours. Martin war die erste Heiligengestalt, der die römische Kirche überhaupt erstmals Verehrung entgegenbrachte. Hoch zu Roß sitzend erscheint er als Statue oder Bildnis in seinen Kapellen. Wahrscheinlich war seine soldatische Herkunft der Anlaß für den späteren Brauch der merowingischen Könige, seinen Mantel in der Schlacht vorantragen zu lassen. Karl der Große soll die Chorkappe des "Heiligen" immer mit sich geführt haben.
      Es wird von der Stellung Martins im Volksbrauchtum des 11. November her geschlossen, daß Martin eine gewisse Beziehung zu dem germanischen Gott Wodan gehabt haben müsse. Führte also der Trick der Kirche, heidnische Glaubensinhalte oberflächlich zu integrieren, bei Chlodwig zu einer Täuschung über dessen wahre Natur ?
     Jedenfalls soll er in der Grabbasilika des Heiligen in Tours im Jahre 498 seltsame Erlebnisse gehabt haben, die mit nicht näher ausgeführten Wundern verknüpft waren. Nicitius, damaliger Bischof von Trier behauptete , daß der Martinskult ausschlaggebend für Chlodwigs Übertritt gewesen sei.
     König Childebert I. (511-558) erließ für das Teilreich von Paris ein generelles Verbot heidnischen Kultes.
     Für die Zeit um 525 wird uns berichtet, daß in der Gegend von Köln ein Missionar eintraf, der dort ein heidnisches Heiligtum in Brand setzte.
     Auch der langobardische Missionar Wulfilaich, der im 6. Jhdt. im Gebiet der Ardennen wirkte, zerstörte dort mindestens eine Kultstätte.
     Bereits im Jahre 554 wurde im Reich des Frankenkönigs Childerich ein Gesetz erlassen, das die Verfolgung der Anhänger des alten Glaubens und die Vernichtung ihrer Kultstätten und "Götzenbilder" zum Inhalt hatte.
     Welcher Ungeist sich hier nördlich der Alpen formierte, wird schlaglichtartig in zwei Vorfällen deutlich: Auf dem Konzil von Macon (585) diskutierte man z.B. über die Frage, ob Frauen menschlich beseelte Wesen seien, wobei man sich immerhin noch zu einer bejahenden Antwort durchrang. Doch wird es klar sein, welche Folgen eine derartige "Thematik" für die germanische Religion haben mußte, in der schon laut Tacitus die Frau eine besondere priesterliche Funktion besaß.
     Auch vor ganz primitiven Sticheleien gegen volkstümliche Bräuche schreckten die Bekehrer nicht zurück: So verbot Cäsarius v. Arles (469- 542) das kultische Baden anläßlich der Johannisnacht (Jung, S. 227).
     Um die Mitte des 6. Jahrhunderts bemühte sich der christliche Missionar Wulflach um die Christianisierung der Landbevölkerung im Trierischen. Dabei stieß er auf einen ausgedehnten Bilderdienst, der sich besonders um eine von Gregor von Tours so bezeichnete Göttin namens Diana rankte. Erst nach längeren Bemühungen gelang es dem Fanatiker, einige Menschen aus der Bevölkerung auf seine Seite zu ziehen: Erst mit ihrer Hilfe gelang es ihm, die Statue der Göttin und eine ganze Reihe ähnlicher Bildnisse zu zerstören.
     Als Radegund, die Gemahlin Chlotars I.( herrschte 558 - 561) auf einer Fahrt von Thüringen nach Frankreich an einem fränkischen Heidentempel vorbeikam, gebot sie ihrem Gefolge, diesen anzuzünden. Die Franken wehrten sich zwar, aber Radegund setzte ihren Willen durch, da sie eine glaubenseifrige Christin war (Vita Sanctae Radegundis, zit. b. Golther, S. 595).
     Der "heilige" Barbatus von Benevent (602-683) ließ einen von den Langobarden kultisch verehrten Baum fällen. Anschließend sorgte er dafür, daß Stamm und Wurzel so vergraben wurden, daß man seine ursprüngliche Stelle nicht mehr finden konnte.
     Im Jahre 612 stellten Columban und Gallus bei einer Missionsreise nach Bregenz am Bodensee fest, daß die dortige Bevölkerung eine christliche Kirche zweckentfremdet hatte. In der Wand einer Aureliakapelle waren drei vergoldete Erzbilder angebracht, die das Volk anbetete. Gallus zerschlug die Götterbilder und warf sie in den See (Golther, S.604).
      So besaß der Missionar Amandus (gest. 679), der um das Jahr 625 herum seine Missionstätigkeit in den fränkischen Grenzgebieten am Rhein begann, eine staatliche Konzession für Zwangstaufen. In seiner Lebensbeschreibung wird angegeben, daß sie ihm von dem fränkischen König Dagobert I. (629- 639) erteilt worden sei. In Gent legte er sich (vermutlich mit irgendwelchen Taschenspielertricks) das Image eines Wundertäters zu und konnte damit einige Einheimische "überzeugen": Mit ihrer Hilfe verwüstete er zahlreiche Tempel und Götterbilder. Dieser Amandus versuchte seine missionarische "Erfolgsbilanz" auch dadurch aufzubessern, daß er massenhaft Sklaven ankaufte, um sie anschließend zu taufen. Diese waren ja dann sein Eigentum und konnten sich nicht wehren.
     Karl Martell (714-741) unterstützte die kirchliche Missionstätigkeit mit einem generellen Verbot heidnischer Bräuche, das von seinem Sohn Karlmann bestätigt wurde.
     Der Wanderbischof Pirminius (714 - 753), der neben dem Kloster Reichenau am Bodensee noch zahlreiche andere Klöster gründete, fällte bei dem Ort Ober-Alteich eine heilige Eiche.
    Childerich III. gab im Jahre 743 ein Edikt bekannt, in dem generell alle Formen heidnischer und magischer Praktiken verdammt wurden.
     Im gleichen Jahr fand in Liftinae unter dem Vorsitz von Bonifatius eine Synode statt, in der ein umfangreiches Verzeichnis von religiösen und magischen Gebräuchen aufgestellt wurde, der sogenannte "Indiculus superstitionum et paganiarum". Damit war ein Leitfaden geschaffen worden, mit dem man definitiv feststellte, was an volkstümlichen Bräuchen unerwünscht oder verboten sein sollte. Auf Befehl Karlmanns, des Herzogs der Ostfranken sollte jeder Zuwiderhandelnde eine Summe von 15 Solidi an Strafe zahlen.
     Leider sind uns von den insgesamt dreißig Kapiteln nur noch die Überschriften erhalten geblieben, so daß wir nur mutmaßen können, welche Praktiken und Riten wirklich gemeint sind. Aber vielseitig ist dieser Katalog, in dem vom Totenkult, unsauberen Festen im Februar, Götterhütten, Waldheiligtümern, Zaubersprüchen, Opferbrunnen, Notfeuern und Mondzauber die Rede ist.
     Es ist allerdings anzunehmen, daß viele der angesprochenen Bräuche wie auch z.B. die in den berühmten Bußbüchern erwähnten in Wahrheit nur Projektionen des bereits untergegangenen griechisch-römischen Heidentums auf die germanische Religion  gewesen sind. Dieter Harmening hat in einer Untersuchung (Superstitio, Berlin 1979) darauf hingewiesen, daß viele Redewendungen aus derlei Sündenkatalogen jahrhundertelang immer wieder mit der gleichen Formelhaftigkeit aufgeführt werden. Es sind demzufolge  in  vielen  (nicht  in  allen  Fällen) A n n a h m e n  darüber, womit sich die Bekehrten beschäftigten, nicht ein objektives, aus der unmittelbaren Anschauung geborenes Wissen.  Solche Angaben als Quellenmaterial für die Religion der Unterdrückten zu verwenden, ist deshalb nicht unbedingt zu empfehlen. Es wäre ungefähr genauso, als wenn man eine Bild-Zeitung aus dem Jahre 1955 als Quelle zur Entwicklungsgeschichte des russischen Marxismus heranziehen würde.
     Dennoch ermöglicht uns die Rigorosität, mit der man zumindest versuchte, das heidnische Denken zu katalogisieren, wie ernst es den christlichen Monarchen mit der Zerstörung des Alten war.
      Um das Jahr 700 herum, nach dem Sieg Pippins über die Friesen, führte der Missionar Willibrord systematische Zwangstaufen durch. Im Jahre 694 besuchte er auf einer Missionsreise den Ort Walcheren, und zerstörte ein dort befindliches Heiligtum. Die Hüter des Tempels setzten sich dagegen bewaffnet zur Wehr, allerdings ohne Erfolg (Golther, S.466). Sicher kann man daraus den Schluß ziehen, daß die Bekehrer über administrative Schergen verfügten, die ihnen bei der "Überzeugungsarbeit" behilflich waren.
     Die Annahme der Taufe  war oft die Vorraussetzung für das weitere Anrecht auf Leben und Besitz. Als großer Höhepunkt der erfolgreichen Missionsarbeit galt dann natürlich das Fällen der heiligen Donarseiche bei Geismar (gegen 722), die in einem Stammesheiligtum lag. Diese Schändung eines heidnischen Heiligtums nahm man als Beweis für die Hilf- und Leblosigkeit der alten Götter, doch hätte der Missionar Wynfried-Bonifatius sie nicht durchführen können, ohne eine entsprechende militärische Gefolgschaft.

Bonifaz läßt an der gefällten Wotanseiche eine Kapelle bauen (Gemälde von Alfred Rethel, Kunstmuseum Düsseldorf)

     Noch bis zum 30-jährigen Krieg wurde diese Untat von den Bewohnern Geismars alljährlich gefeiert. Sie mußten sich zu diesem Zweck nach Fritzlar begeben, wo auf dem sogenannten Fritzhof zum Andenken an die Tat des Bonifatius ein Baum gefällt wurde.
     Bonifatius wurde 671 in Wessex geboren und brachte fast sein ganzes Leben damit zu, den verschiedenen germanischen Stämmen seine fremde Religion aufzuzwingen.
     Im Jahre 718 begab er sich nach Rom, wo er von Gregor II. den Auftrag erhielt, Thüringen zu missionieren. Von 719-722 war er drei Jahre lang in Friesland. 722 führte ihn sein Missionseifer nach Hessen wo er mit der Gründung des Klosters Amanaburg (Amöneburg) die fränkische Mission unterstützte. Im gleichen Jahr weihte ihn der Papst in Rom auch zum Missionsbischof. Im Jahre 724 missioniert Bonifatius wieder in Thüringen, wo er in verstärktem Maße für die Durchsetzung der römischen Kirchenpraxis arbeitet. Gregor III. ernennt ihn dann 732 zum Missionserzbischof, wonach er sich  hauptsächlich der Mission Bayerns widmet. Ab 753 stand für Bonifatius  die friesische Mission im Vordergrund, was sein unrühmliches Schicksal besiegelte.  754 zerschlägt Bonifatius die Götterbilder in den Tempeln östlich der Zuidersee.  Im gleichen Jahr  wurde er  dann auch von erbitterten Heiden seiner Untaten wegen umgebracht.
     Eine solche Biographie wie die des Bonifatius widerlegt eindeutig die These, daß der Terror der Christianisierung eigentlich der kriegerischen Brutalität fränkischer Fürsten zuzuschreiben ist. Eher ist es so gewesen, daß sich die Kirche dieser Mentalität  gezielt bedient hat, um ihre Ziele besser zu erreichen. Papst Zacharias (741-752) beispielsweise ermahnte die Franken nicht zu Sanftmut und echter Überzeugungsarbeit. Vielmehr forderte er den fränkischen Adel auf, den Kirchengesetzen  und Weisungen des Bonifatius Folge zu leisten, damit sie sich dadurch "den Lohn des Sieges über alle Heidenvölker erwerben würden".
     Trotz all dieser Zwangsmaßnahmen war das Heidentum einfach unausrottbar. Nach der "Erstchristianisierung" waren deshalb alle möglichen Maßnahmen notwendig, um zu verhindern, daß die Bevölkerung in heidnische Praktiken zurückfiel. Pirminius war infolge dessen ausschließlich damit beschäftigt, heidnische Gebräuche bei den bereits "bekehrten" Alemannen zu bekämpfen. Zu diesem Zweck hatte er ein eigenes Missionshandbuch namens "Scarapsus" herausgegeben, in dem diese verwerflichen Dinge aufgelistet wurden.
     In Hessen und Thüringen soll es in der Wende vom 7. zum 8. Jhdt. noch starke heidnische Restpotentiale gegeben haben. Die Thüringer wurden im Jahre 724 von Gregor II. dazu ermahnt, eine Abkehr vom Götzendienst zu vollziehen und sich taufen zu lassen. Bonifatius stößt bei seinen dortigen Missionsbemühungen auf einen "massiven heidnisch- christlichen Synkretismus" (Heinz Löwe), auf häretische und irreguläre Geistliche, die noch im Jahre 732 dem Gott Donar opferten und Opferfleisch aßen.
     Doch  w i e  tief verwurzelt die "götzendienerischen Gebräuche bei Hessen und Thüringern noch waren, zeigt ein Schreiben von Papst Gregor III.(731-741), das er 737/38 an Adel und Volk jener Stämme richtete: "Ihr aber, Teuerste, die ihr im Namen Christi getauft seid und Christus angezogen habt, laßt ab und haltet euch fern von jeglichem Götzendienst, nicht nur euch selbst, Teuerste, zum Besseren leitend, sondern auch eure Untergebenen. Wahrsagen und Losdeuten, Totenopfer, das Ausspähen nach Vorzeichen in Hainen und bei Quellen, Amulette, Beschwören, Zauber und Hexen und alle gotteslästerlichen Gebräuche, die bei euch im Schwang sind, verachtet und verabscheut ganz und gar..."
     In einem gleichfalls um diese Zeit verfaßten Brief an die Bischöfe Baierns und Alamanniens wendet er sich ausdrücklich gegen Brauch und  Lehre  des Heidentums sowie mit besonderem Nachdruck gegen die Totenopfer.
     Wenn man bedenkt, daß nach A. Birlinger bei den Allemannen noch um 1200 einzelne Gemeinden zum Heidentum zurückgekehrt waren, kann man sich die Schärfe der geistigen Auseinandersetzung vorstellen (zit. b. Jung, S. 488).
     Bonifatius stand in allen Detailfragen in intensivem Schriftwechsel mit Papst Zacharias. So teilt ihm der Papst in einer Anweisung auf Anfrage ausdrücklich mit, daß sich die bekehrten Christen vom Genuß der Dohlen, Krähen, Störche, Biber, Hasen und wilden Pferde enthalten sollten. Offenbar deshalb, weil mit diesen Tieren rituelle Opferbräuche verbunden waren. Schon Gregor III (731-741) hatte ihm mitgeteilt, daß er auf keinen Fall mehr das Essen von Pferdefleisch zulassen solle, denn es sei "unrein und verabscheuenswert".
     Der von Bonifatius zum Bischof von Würzburg ernannte Burchard (gest. 754) hielt regelrechte Hetzpredigten gegen die überlieferte Religion, wie z.B. die folgende: "Wir mußten hören, daß einige von euch bei Bäumen ihre Gelübde einlösen, zu Quellen beten und teuflische Wahrzeichen beobachten... Dann gibt es - und das ist noch schlechter - Unselige und Elende, die sich nicht allein sträuben, der Heiden Heiligtümer zu vernichten, sondern sogar die schon zerstörten ohne jegliche Scham wieder aufzubauen wagen !... Verbrennet die verdammten Heidenbäume bis zur Wurzel, zerbrecht die Altäre des Teufels !" (Aus Homilie 23, W. Boudriot,zit. i. R. Oldenbourgs geschichtliches Quellenwerk, S.111).      Der Missionar Willehad (gest. 789) führte in der Provinz Drenthe einen Feldzug gegen alte Heiligtümer, von denen er auch mehrere vernichten konnte.
     Liudger (gest. 809), von katholischen Schreibtischtätern gern als "Apostel der Friesen" tituliert, machte das Heiligtum auf der Insel Fosite (Helgoland) dem Erdboden gleich.
    Auf dieser Insel befanden sich eine heilige Quelle sowie heilige, dem Gott Fosite geweihte Tiere (vermutlich Rinder). Ohne Bedenken taufte er in dieser Quelle drei Menschen und ließ von dem Vieh nach seinem persönlichen Nahrungsbedarf eins nach dem andern schlachten (Herrmann, S. 505).
      Im Jahre 776 sandte ihn Bischof Alberich in die friesischen Gebiete östlich der Laubach. Sein Auftrag: Zerstörung sämtlicher Tempel. Die bei dieser Gelegenheit erbeuteten Schätze gingen zu zwei Dritteln an König Karl, zu einem Drittel an das Bistum Utrecht (Golther, S.608).
      Mit Kaiser Karl schließlich wurden die Franken, nach der Lex Salica "das auserwählte Volk der katholischen Christenheit" die Speerspitze des Kampfes gegen das mitteleuropäische Heidentum.
     Manche Historiker heben besonders hervor, daß Karl die Macht der Kirche auf das Geistliche beschränkt hätte und auf diese Weise eine Art "Staatskirche" geschaffen hätte, bei der er selbst immer ein Wort mitzureden hatte. Doch ändert dieser Sachverhalt auch nicht das Geringste an der wirtschaftlichen Macht, die er dem Klerus verschaffte: Erst Karl erkannte die Abgabe des "Zehnten" gesetzlich an und setzte sie auch durch. Das war ein eminent wichtiger Schritt für die kirchliche Machtentfaltung, hatte sie doch bereits sehnsüchtig seit zwei Jahrhunderten auf dieses Privileg gewartet. Denn bereits im Jahre 585 auf der 2. Synode von Macon war eine derartige Forderung erhoben worden ! (Heussi, S.166).
     Karls Person dokumentiert eine Vorgehensweise, die die Kirche tausendfach bis zum heutigen Tage immer wieder angewandt hat: Indem man die Persönlichkeiten der Herrschenden und ihrer Familien umformte und durch Hofgeistliche unter Kontrolle hielt, brachte man diese dazu, die Interessen des eigenen Volkes zu verraten sowie befreundete Stämme und Völker zu vernichten.
     Nur in diesem Sinne kann der fränkische Imperialismus gegen Friesen, Sachsen und Osteuropäer verstanden werden, nicht aber als Keimzelle einer späteren deutschen Kultur. Karl wird für uns stets Sinnbild eines Gewaltherrschers bleiben, dessen Machtgier sich mit dem Glauben an das gute Werk der Zwangsbekehrung unlöslich verband. Das im Jahre 785 erlassene Reichsgesetz "Capitulatio de partibus Saxoniae" trägt für alle Zeiten deutlich den Stempel katholischen Hasses, der sich staatlicher Zwangsmaßnahmen bedient.
     Nach diesem Gesetz war es unter anderem vorgesehen, daß all jene, die noch heimlich die alten Riten verrichteten, von ihren Mitmenschen denunziert und ausgeliefert werden. Wer sich dieser Bestimmung nicht beugte, wurde von seinem Hof vertrieben (deportiert) und in  fremden Gegenden angesiedelt.
     Einige auszugsweise Zitate aus diesem "Gesetzbuch" sollen seinen Charakter verdeutlichen:

Kptl.1: "Zunächst wurde bei den schwereren Satzungen von allen dies beschlossen, daß die Kirchen Christi, wie sie in Sachsen errichtet und Gott geweiht wurden, nicht geringerer Ehre haben sollen, sondern größere und hervorragendere als die Heiligtümer der Götzen hatten."

Kptl.3: "Wenn jemand in eine Kirche eindringt und ihr gewaltsam oder dieblich etwas wegnimmt oder diese Kirche durch Feuer einäschert, sterbe der des Todes."

 Kptl.4: "Wenn jemand die heilige 40-tägige Fastenzeit zwecks Herabsetzung des Christentums verschmäht und Fleisch ißt, sterbe er des Todes; aber dennoch werde vom Pfarrer darauf geachtet, ob nicht vielleicht auf Grund von Not dies bei einem dahin gekommen ist, daß er Fleisch aß."

Kptl.5: "Wenn jemand einen Bischof oder Priester oder Diakon tötet, werde er in gleicher Weise mit dem Tode bestraft."
Diese Bestimmung ist außergewöhnlich, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint. Denn es gab  damals durchaus die Möglichkeit, die Tötung eines Menschen durch eine Geldbuße wiedergutzumachen. Hier wird also dem Leben eines Klerikers ein höherer Wert eingeräumt, als dem eines Normalmenschen.

Kptl.7: "Wenn jemand den Körper eines verstorbenen Mannes nach dem Brauch der Heiden durch Feuer verzehren läßt und seine Gebeine zu Asche macht, werde er mit dem Tode bestraft."

Kptl.8: "Wenn jemand im Volke der Sachsen fürderhin unter ihnen versteckt und ungetauft sich verbergen will und es verschmäht, zur Taufe zu kommen, und Heide bleiben will, sterbe er des Todes."

Kptl.10: "Wenn jemand mit den Heiden eine Verschwörung gegen die Christen eingeht oder mit ihnen in Gegnerschaft zu den Christen verharren will, sterbe er des Todes; und wer auch immer ebendies hinterlistig gegen den König oder das Volk der Christen verabredet, sterbe des Todes."

Kptl.16: "Und dies ist durch Christi Gnade beschlossen, daß Kirchen und Pfarrern der zehnte Teil gegeben werde, wann auch immer irgendeine Abgabe an den Fiskus gelangt, sei es als Friedensgeld, sei es als irgendeine Bannbuße oder als sonstige Leistung, die dem König gebührt."

Kptl.17: "In gleicher Weise schreiben wir nach Gottes Gebot vor, daß alle den zehnten Teil des Vermögens und ihres Erwerbes den Kirchen und Pfarrern schenken und so Adelige und Freie und in gleicher Weise auch Halbfreie ihren Teil Gott zurückgeben sollen, wie ihn Gott jedem Christen gegeben hat."

Kptl.21: "Wenn jemand bei den Quellen oder Bäumen oder Hainen seine Andacht verrichtet oder etwas nach der Sitte der Heiden darbringt und zur Ehre der Dämonen ißt, (büße er), wenn er Adeliger ist, 60 Schillinge, wenn Freier, 30, wenn Halbfreier 15; wenn sie aber nichts haben, womit sie auf der Stelle bezahlen können, sollen sie zum Dienst der Kirche geschenkt werden, bis diese Schillinge bezahlt sind."

Kptl.23: "Wir setzen fest, daß man Weissager und Zauberer den Kirchen und Pfarrern überliefern soll."

(Übersetzt v. Karl August Eckhardt, zitiert bei Prof.Dr. O. Reche, Kaiser Karls Gesetz, Leipzig 1935).

     Dieses Gesetz demonstriert also die frohe Botschaft des göttlichen Erlösers in Form von legalisiertem Mord, Enteignung und Sklaverei. Es ist ein einmaliger Schandfleck der "abendländischen" Rechtsgeschichte.
     Es ist im Übrigen bezeugt, daß Karls bevorzugter Lesestoff das Werk des Kirchenvater Augustin "Der Gottesstaat" war.
     Aufschlußreich ist auch das Zwiegespräch zwischen Priester und Täufling, das sogenannte altsächsische Taufgelöbnis, das Ferdinand von Fürstenberg in der vatikanischen Bibliothek entdeckt hatte und 1699 zum ersten mal veröffentlichte:

"Entsagst du dem Teufel ?
 Ich entsage dem Teufel.
 Und aller Teufelsgilde ?
 Und ich entsage aller Teufelsgilde.
 Und allen Teufelswerken ?
 Und ich entsage allen Teufelswerken und Worten dem  Thunaer und Woden und Saxnote und allen den Unholden,  die ihre Genossen sind."

     Gleich zu Beginn des Sachsenkrieges im Jahre 772 vernichtete  Karl eines der wichtigsten sächsischen Kultgegenstände: Die Irminsul, die eine symbolische Verkörperung des Weltbaumes bzw. der Weltsäule dartellte. Sie stand ursprünglich bei Altenbeken nordöstlich von Paderborn im obersten Heiligtum der Sachsen.

Sturz der Irmensäule durch Karl den Großen 772 (Gemälde von Alfred Rethel)

     In Magdeburg gab es eine Statue der Göttin Freya, das wahrscheinlich römischen Ursprungs war und möglicherweise ursprünglich die Venus verkörperte. Es wurde gleichfalls von Karl zerstört, wie eine alte Chronik zu berichten weiß (Vulpius, S.150)
     Ein Höhepunkt des fränkisch-katholischen Terrors war dann die Ermordung von 4500 Sachsen in Verden an der Aller im Jahre 782.
     Massenmorde gehörten in dieser Sippe offenbar zur Familientradition: Hatte doch schon Karls Onkel Karlmann im Jahre 746 bei Cannstadt einige tausend Alemannen umzingeln und ermorden lassen, die sich, seinem Versprechen auf freies Geleit vertrauend, unbewaffnet eingefunden hatten.
     Im Jahre 785 ließen sich Widukind und Abbio angeblich in Attigny taufen. Aber schon 792 erhoben sich die Bauern in den nördlichen Gauen aufs neue, da sie nicht mehr bereit waren, weiterhin den Zehnten zu zahlen. Karl reagierte daraufhin mit blutigem Terror und Massendeportationen von tausenden von Sachsen in fränkische Gebiete.     Es ist kein Wunder, daß sich die Kirche bei der Energie, die sie in das Missionsgeschehen investierte, irgendwann einmal auch Gedanken über die Religion der Gegner machen mußte.
     Bereits Augustinus hatte sich in seinem "Gottesstaat" in umfänglicher Weise mit der antiken Mythologie und Religionsphilosophie beschäftigt, wobei er allerdings am Ende zu dem Schluß kommt: "...alle Götter der Völker sind Dämonen, aber der Herr hat den Himmel gemacht".
     Die späteren Bekehrer verzichteten ganz auf philosophische Disputationen, ihnen reichten physische Gewalt, Gesetze und Verbote.
     Mit einer danach ausgerichteten "Rechtsprechung" wurde nun auch in immer stärkerem Maße juristisch festgeschrieben und bekräftigt, was  zuvor durch  physische Gewaltmaßnahmen erreicht worden war.
     Das einzige, was die Verzeichnisse heidnischen Aberglaubens aber wirklich verraten, ist die Intensität des Kampfes gegen die alte Religion, die Inbrunst des Hasses und der Bevormundung gegenüber dem Volk.
     Trotz der monotonen Diktion der Bußbücher und der zahlreichen Gesetze gegen heidnisch-magische Praktiken, in denen schon fast mechanisch immer wieder die alte Religion verdammt wird, sollte man niemals vergessen: Jedes einzelne Dokument dieser Art ist ein Anschlag auf die religiöse Menschenwürde, eine schlagende Widerlegung der betulichen Sprüche von einer sich damals entfaltenden "christlich-abendländischen" Kultur. Wie hätte sich die germanische Kultur der späten Epoche der Völkerwanderung erst entfalten können, wenn nicht christliche Dogmatiker ständig das Schöpferische in den Menschen blockiert und deformiert hätten !
     Sowohl im sechsten, siebenten als auch im achten Jahrhundert hatte es laufend Konzilsbeschlüsse gegeben, die strenge Verdammungsurteile gegen jegliche Art von Magie beinhalteten.      Die Kirchenversammlung von Nancy (789) bestätigte die Vorgehensweise Kaiser Karls, indem sie die Zerstörung von Kultstätten zum Gebot erhob: "Auch die Steine, die das durch Dämonenblendwerk getäuschte Volk an den Trümmerstätten in den Wäldern verehrt...sollen von Grund aus ausgegraben und an einen solchen Ort geworfen werden, wo sie von ihren Verehrern niemals wieder aufgefunden werden können." (zit. bei Erich Jung, S. 132).
     So sprach das Konzil von Tours im Jahre 813 eine heftige Warnung vor der Benutzung von Zaubersprüchen zur Heilung Kranker oder Sterbender aus: Sie würden keine Hilfe bieten, sondern  lediglich Illusionen oder Tricks des Teufels darstellen. Interessanterweise wird hier noch zugestanden, daß Magie prinzipiell auch zum Nutzen der Menschen angewandt wurde und nicht allein zu ihrem Schaden - ein Gesichtspunkt, der bei der späteren Welle der Hexenprozesse schon gar kein Gehör mehr fand.
     Das Konzil von Paris 829 bekräftigte den kirchlichen Vernichtungswillen: Es bezeichnet in einer Entschließung der versammelten Kleriker unter anderem Magie, Astrologie, Zaubersprüche und Traumdeutung als "Vermächtnis des Heidentums" und fordern die strengste Bestrafung jener, die sich mit diesen Praktiken befassen - gleich ob es sich um Männer oder Frauen handele.
     In die Praxis wurde das z.B. im Jahre 847 umgesetzt, als bei den Sachsen eine Seherin namens Thiota auftrat, die mit der Verkündung des bevorstehenden Weltuntergangs großen Widerhall im Volk fand. Sie wurde von einer Bischofsversammlung wegen ihrer unchristlichen Lehren zum Staupenschlagen verurteilt (Jung, S.463). So können wir immer wieder feststellen, daß nicht nur die Bekehrungswut sondern auch der heidnische Widerstand massiv waren - entgegen allen kirchlichen Behauptungen einer freiwilligen Annahme  des Christentums.
     Karl der Kahle sagte im Jahre 873 den in letzter Zeit in seinem Reich zahlreich aufgetretenen Zauberern und Hexen den Kampf an und bedrohte sie mit der Todesstrafe.
     Einzelne Beispiele aus jenen Machwerken bezeugen dennoch immer wieder, wie vergeblich und fern aller wirklichen Bedürfnisse des Volkes die Christianisierungsbemühungen wirklich waren. Burkhard von Worms (gest. 1024) fühlte sich noch bemüßigt, seine "Schäfchen" anzuweisen, "man soll ausreißen und verbrennen die den Unholden geweihten Bäume, die das Volk anbetet und in solcher Verehrung hält, daß es keinen Ast abzureißen wagt."
     Ein Bischof Unwan von Bremen war dafür bekannt, daß er bei den abgelegenen Bewohnern seines Bistums heilige Wälder, in denen noch den Göttern geopfert wurde, zerstören ließ, um von dem dabei erbeuteten Holz neue Kirchen zu bauen. (Golther, S.593)
     Es ruft schon eine etwas seltsame Stimmung hervor, wenn wir bedenken, daß die Männer, deren Untaten wir in diesem Kapitel geschildert haben, die Grundlagen des "Heiligen römischen Reiches" gelegt haben.
     Da stellt sich schon die Frage, ob so etwas unseres Stolzes wert ist oder ob es nicht besser gewesen wäre, wenn sich das Europa des Mittelalters als eine Konfiguration von freien Stämmen entwickelt hätte.
     Künstlerischen und literarischen Reichtum gab es auch in den vorchristlichen Kulturen. Es gibt sehr zu denken, wenn ein christlicher Autor, Erwin Rudert, hämisch bemerkte, "daß um des Reiches willen" der heidnische Widerstand gebrochen werden  m u ß t e. Und er weist auch darauf hin, daß erst unter den christlich gewordenen Germanen  der "Gedanke des Reiches" überhaupt erst entstand (E. Rudert in: Brennende Gegenwartsfragen, Hrsg. Helmut Kern, Neuendettelsau 1934, S.61 f). In der Tat sollte also die katholische Kirche, bevor sie sich über angeblichen deutschen Chauvinismus mokiert, darüber meditieren, inwiefern sie selbst historisch an seiner Entstehung mitgearbeitet hat.
 
 

 V. Osteuropa - eine Kultur wird eliminiert

     Es waren aber nicht nur der sächsische und friesische Stamm, der dem System der Zwangschristianisierung und Vernichtung der altheidnischen Religion ausgesetzt war.
     So wurden die Slowenen bereits im 8. Jhdt. von Salzburg aus missioniert , ebenso auch etwa zur gleichen Zeit die Main- und Regnitzwenden, die Karantanen(Kärnten) und Tschechen.
     Im Jahre 863 begeben sich Cyrillus und Methodius zu den Mähren, denen sie ein künstliches, selbst ersonnenes Alphabet sowie Bibel und Liturgie aufdrängten.
     Die im Gebiet Pannoniens (z.T.Territorium des heutigen Jugoslawien) lebenden Stämme, die vermutlich von Ostgoten abstammten, wurden erst gegen 798 durch Bischof Arn von Salzburg christianisiert. Da wird von einem Fürst namens Ingo berichtet, der sich weniger physischer Gewalt als vielmehr raffinierter sozialpsychologischer Mittel bediente, um das Christentum bei seinem Volk einzuführen. Beispielsweise lud er Herren mit ihren Sklaven zu sich ein, wobei er die bereits getauften Sklaven zur Tafel bat, an der sie vornehm mit goldenem Geschirr bewirtet wurden. Deren Herren jedoch wurde das Essen vor der Tür in tönernen Gefäßen auf die Erde gestellt. Als sich die Sklavenhalter über die herablassende Behandlung beschwerten, antwortete ihnen Ingo: "Nicht seid ihr würdig mit ungewaschenem Leibe mit den aus dem heiligen Quell Wiedergeborenen an der gleichen Tafel zu sitzen. Euch ziemt es gleich Hunden vor dem Hause euere Speisen zu verzehren..." Natürlich machte ein solches "Apartheidsystem" keine Schule, aber es war doch wohl kennzeichnend für die christliche Einstellung gegenüber Menschen eines anderen Glaubens.
      Auch den Stämmen im östlichen Einzugsgebiet Mitteleuropas (Wenden, Obotriten, Liutizen) erging es nicht anders:
     Wie wir noch aus der Missionierungsgeschichte erfahren, hingen die Wenden offenbar sehr an ihrer einheimischen Religion mit einer ähnlichen Zähigkeit wie die Sachsen oder die Isländer. Sie wurden erst wesentlich später als andere osteuropäische Stämme und auch die meisten Germanenstämme christianisiert, nachdem Heinrich I. und Otto d. Große ihr Siedlungsgebiet dem Deutschen Reich unterworfen hatten. Erst 948 wurden die Bistümer Havelberg und Brandenburg, sowie 968 das Erzbistum Magdeburg eingerichtet, ohne daß man damit hinsichtlich der Zwangschristianisierung schon sehr viel erreicht hätte. Im sogenannten Wendenaufstand der Liutizen 983 zeigt sich die unversöhnliche Abneigung der wendischen Heiden gegenüber dem fremden, aufgezwungenen Glauben. Die Obodriten zählten ebenso zu den erbitterten Gegnern des Christentums, sie wandten sich im Jahre 1018 gegen die Mission, 1066 sogar mit vernichtender Wirkung, wie katholische Geschichtsschreiber trübselig vermerken (Die mittelalterliche Kirche , S.271). Der gleiche Autor führt als maßgeblichen Grund für den langanhaltenden religiösen Widerstand der Liutizen an, daß sie keine eigentlichen Stammesfürsten und eine pluralistische Bundesverfassung besaßen !
     Im Jahre 1108 war von Adelgot von Beltheim, Erzbischof von Magdeburg, der Aufruf zu einem ersten Kreuzzug gegen die Wenden erlassen worden. Er endete zwar mit einem Mißerfolg, dennoch dürfte es interessant sein, sich einmal zu veranschaulichen, an welche "christlichen" Instinkte der geistliche Herr dabei apellierte:
     "Stehe auf, du Braut Christi, und komme ! Jene Heiden sind ganz schlecht, aber ihr Land ist überreich an Fleisch, Honig, Getreide, Geflügel und, wenn es erst bebaut wird, voll angefüllt mit aller Art von Früchten, so daß keines mit ihm verglichen werden kann. So sagen jene, denen es bekannt ist. Auf denn, ihr Sachsen, Franken, Lothringer, Flandrer, auf, ihr hochberühmten Weltbezwinger, hier könnt ihr beides: eurer Seele Heil erwirken und das fruchtbarste Land in Besitz nehmen zur dauernden Wohnstatt, so es euch beliebt".
     Über die Folgen derartiger Hetztiraden lesen wir beiläufig in örtlichen Volkssagen, daß es so heftige Schlachten zwischen Wenden und Deutschen gegeben soll, daß noch in der Gegenwart die Erde vom Blut der Opfer rot gefärbt sein soll. Um Mitternacht würden die Wenden vom Schlachtfeld auferstehen um um das Schicksal ihres Volkes weinen ( Drewitz, S. 278).
     Die Dörfer im Landkreis Lüchow-Dannenberg, im sog. Wendland,  haben noch heute Kirchen mit festungsartigem Charakter, die sich außerhalb der Orte befinden: Ausdruck der militanten Anwesenheit einer unerwünschten Missionierung.
     Die Sorben blieben ebenfalls noch bis ins 13. Jhdt. heidnisch (Kompendium d. Kirchengesch.,  55).
     Nach Helmut v. Glasenapp wurden die Saale-, Elbe- und Ostseeslaven erst im 11. und 12. Jahrhundert bekehrt, d.h. noch wesentlich später als Polen und Russen.
     Es wird sogar behauptet, daß noch im 14. Jahrhundert im Bereich der Saalequelle lebende Heiden getauft wurden ! (Nach H. Gradl, Gesch. d. Egerlandes, 1893, erwähnt bei Erich Jung, S. 194)
      Besonders verdient machten sich um diese Aufgabe die Orden der Zisterzienser und Prämonstratenser. Letztere wurden 1126 durch Norbert von Xanten, Erzbischof von Magdeburg zur Slawenmission aufgerufen.
     Dieses Bekehrungswerk wurde auf die gleiche fanatisch-intolerante Weise betrieben, wie auch in andern Teilen Europas:
     König Waldemar von Dänemark inszenierte zusammen mit Erzbischof Askel und Bischof Absalon von Roskilde im Jahre 1147 einen neuen Wendenkreuzzug, den die Verantwortlichen unter das unmißverständliche Motto "Ausrottung oder Bekehrung !" stellten.
     Auf diesem Raubzug wurden von den "geistlichen Herrn" u.a. Brandschatzungen größten Ausmaßes verübt und 60 Schiffe mit Gütern erbeutet. Nach Angaben der Knytlingasaga wurden allein in Rügen 300 000 Menschen getötet, bei Garz 1100 und in Jomsburg/Steinborg 6000 Menschen !
      Der Bischof Geroldus zerstörte z.B. den heiligen Hain des Gottes Prowe in Stargard durch Brandstiftung. Heinrich der Löwe zerstörte zahlreiche Tempel wie z.B. in Rhetra, einer Hauptstätte des obotritischen Heidentums (1150). Arkona, das zentrale Heiligtum der Ranen auf der Insel Rügen wurde von Waldemar I.(König v. Dänemark)1168, wie auch von Bischof Absalon dem Erdboden gleichgemacht und geplündert, wobei der Tempelschatz zum Kirchenbau verwendet wurde. Außerdem ließ er die Statue des dort verehrten Gottes Svantevit stürzen und verbrennen.
     Bei Leipzig gab es eine heilige Linde des wendischen Gottes Flins, die von Bonifatius zerstört wurd (Vulpius, S. 143). Und ferner berichtet Vulpius an gleicher Stelle: "In der Lausitz liessen sein Bild der Kaiser Lothar und der Erzbischof Adelgot zu Magdeburg vernichten, zerbrechen und zerstören."
     Niemand wird es deshalb dem mythischen wendischen Held Plusso übelnehmen, daß er aus Wut über jenen christlichen Hochmut den missionierenden Bischof Johannes von Mecklenburg eigenhändig enthauptete (zu Rhetra).
     Die Unterwerfung der Obodriten durch Heinrich d. Löwen erfolgte erst im Jahre 1160.
     Auf besonders raffinierte und schäbige Weise vollzog sich die Bekehrung der Pommern. Diese waren durch die Großmachtsbestrebungen des polnischen Fürsten Boleslaw schon um ihre Eigenständigkeit gekommen, doch sollte der bisherige Pommernherzog seine Stellung um den Preis der Übernahme des Christentums behalten. Da Boleslaw selbst nicht dazu in der Lage war, bat er den wegen seines guten Geschäftssinnes im Immobilienbereich bekannten Otto v. Bamberg, den Pommern das Christentum zu bringen. Während zweier Missionsreisen, 1124 und 1128 bemühte sich Otto um diese Aufgabe mit Erfolg. Zuerst taufte er den Herzog der Pommern, Wratislaw, der daraufhin erst einmal alle seine Nebenfrauen entließ und auch sonst die Einhaltung "christlicher Sitten" versprach. Als sich der Bischof jedoch nach Wollin begab, kam es zu erheblichem Widerstand der einheimischen Bevölkerung: Es kam zu einem wüsten Handgemenge, Otto v. Bamberg wurde geschlagen und von einem Bootssteg aus ins Wasser geworfen. Verhandlungen waren dann nur noch durch den Austausch von Kundschaftern möglich. Von diesen erfuhr Otto, daß sie eventuell das Christentum annehmen würden, wenn es die Bewohner von Stettin auch täten.
     Kaum dort eingetroffen merkte der Bischof, daß er auch hier auf Granit biß: Trotz wochenlanger Verhandlungen blieben die Stettiner hart und weigerten sich standhaft, ihre einheimische Religion aufzugeben. Also "überzeugte" Otto die Stettiner mit einem anderen "Argument". Er teilte ihnen kurzerhand mit, daß er eine Botschaft an den polnischen Herzog Boleslaw senden müsse, um sich nach möglichen weiteren Schritten zu erkundigen. Entweder also eine Unterwerfung unter den fremden Glauben oder ein kriegerischer Überfall durch die Polen: Das waren die Alternativen, die der missionierende Kirchenfürst dem kleinen unabhängigen Stamm an der Ostseeküste anzubieten hatte.
     Die Pommern versuchten nun ihrerseits, die Initiative in der Hand zu behalten und wandten sich mit einer eigenen Botschaft an den polnischen Herzog: Sie wären bereit, das Christentum anzunehmen, wenn ihnen ein großer Teil der jährlichen Tributzahlungen erspart bliebe. Diese Regelung konnte Boleslaw akzeptieren und so beugte man sich zähneknirschend.
     Vier heidnische Tempel gab es in Stettin, die Otto mit seinem Gefolge dem Erdboden gleichmachte. Bei dem bedeutendsten Heiligtum, dem Tempel Triglavs, griff er angeblich selber zur Axt, um das Vernichtungswerk auszuführen.
     Die Statue des dreiköpfigen Gottes Triglav, wurde   gestürzt.Die drei abgehackten versilberten Köpfe wurden Papst Calixt II. als Zeichen erfolgreicher Mission übersandt.
     Das Schwarze Roß Triglavs, daß von den Priestern für ihre Orakel benutzt worden war, ließ Otto außer Landes führen und verkaufen. In der Nähe des einstigen Triglavtempels wurde dann schließlich eine Kirche des heiligen Adalbert gebaut.
     Das Pamphlet von Ottos Biograph, eines Prüfeninger Mönches, strotzt nur so vor haßerfüllten Anspielungen: Vom "Schmutz des Götzendienstes" und "dem dummen Heidenvolke" ist die Rede, und daß das Holz der Götterbilder besser zum "Feuermachen und Kohlkochen" diente als zur vorherigen Verehrung (zit. Dr. Anton Mayer,R. Oldenbourgs geschichtl. Quellenwerk, Berlin u. München o.J.).
     Was Otto mit physischer Gewalt und diplomatischem Raffinement begonnen hatte, setzte er mit  Umerziehung zu neuen gesellschaftlichen Maßstäben fort. So wurde besonderer Wert darauf gelegt, daß die Pommern anstelle der bisherigen  Polygamie die konsequente Monogamie praktizierten und wandte sich auch mit Vehemenz gegen die Ehe zwischen Blutsverwandten.
     Auch in Wollin vollzog sich das gleiche Trauerspiel, wurden Kirchen gebaut und Massentaufen durchgeführt.
     Doch, wie der Katholik Dr. Georg Beck mit bitterer Miene mitzuteilen weiß, "die finstere Macht der heidnischen Götzen und Dämonen war noch nicht völlig gebrochen. Sie nistete in manchen trotzigen Seelen wie die heimlich geborgenen Götzenbilder in hohlen Baumstümpfen und anderen Verstecken." (Dr. Georg Beck, der heilige Otto v. Bamberg, Bamberg 1962). Schon zweieinhalb Jahre später hatten sich die Pommern wieder ihrer alten Religion zugewandt, stellten ihre im Geheimen bewahrten Götterbilder auf die christlichen Altäre und begannen sich auf eine kriegerische Auseinandersetzung um die Erhaltung ihres Glaubens vorzubereiten. Ihr eigener Herzog Wratislaw ließ sein Volk im Stich und schrieb angsterfüllte Bittbriefe an Otto, doch seine fehlgeschlagene Mission zu retten. Und so trat dieser zu einem neuen "Kreuzzug" an, diesmal mit ausdrücklicher Unterstützung des deutschen Kaisers, der gerade den Stamm der Liutizen bekriegte.
     Auf der Insel Usedom hielt Otto dann eine eindringliche Hetzpredigt vor dem versammelten pommerschen Adel, worauf dieser auch klein beigab. Doch das Volk hätte Otto und seine Sendboten am liebsten ermordet, was bei den beiden Missionaren Udalrich und Albuin um ein Haar geschehen wäre. In dem Ort Gützkow leisteten das Volk gemeinsam mit der Priesterschaft Widerstand gegen die Zerstörung ihres Heiligtums.
     Unter anderem gab es hier einen Nußbaum von wunderbarer Schönheit, den Otto abholzen ließ, was beinahe zu seiner Ermordung führte.
     Dr. Beck vermerkt genüßlich, daß auch dieser Kampf gegen die neue "Religion" so endete, wie überall in Europa: Die Tempel wurden mit Äxten und Hacken zerschmettert, den Götterbildern Hände und Füße abgehackt und diese in Scheiterhaufen verbrannt. All das änderte nichts an der Tatsache, daß Otto noch mehrmals auf seiner Missionsreise  von erbosten Heiden angegriffen wurde. Nun, über die Stärke der mit ihm ziehenden bewaffneten Streitmacht schweigen sich die Chronisten aus. Noch ein halbes Jahrhundert nach Ottos Tod brachte der pommersche Herzog Boguslaw I. die Demütigung seines eigenen Volkes damit sinnfällig zum Ausdruck, daß er für jeden Bauern eine Tributlieferung von Wachs an das Kloster Michelsberg in Bamberg festsetzte - für die  Kerzen am Grabe Ottos. Jedenfalls beteiligte er sich zur vollen Zufriedenheit des Papsttums an einer Aufgabe, die Kaiser Heinrich in der  Frankfurter Stiftungsurkunde des Bistums Bamberg bereits im Jahre 1007 festgelegt hatte:"das Heidentum unter den slawischen Völkern zu vernichten" (zit. b. Beck, S.33).
     Man kann sich nur an den Kopf fassen, wenn man aus dieser geschichtlichen Perspektive eine regelrechte Lobeshymne begutachtet, die Bischof Karl Lehmann, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, im Oktober 1989 auf Otto von Bamberg ausbrachte: Er sei ein Brückenbauer zwischen Deutschen und Polen gewesen, hätte sich für ein gedeihliches Miteinander von Kirche und Staat eingesetzt und die Caritas gefördert (s. Tagesspiegel/Berlin v. 8. 10. 89).
     Wir haben wohl das Allerschlimmste von dieser Kirche zu befürchten, wenn sie noch nicht einmal heute den Mut aufbringt, ihre zahhlosen geschichtlichen Verbrechen realistisch zu sehen, sondern diese sogar noch schönfärbt.
     Es wäre bei all diesen Untaten erstaunlich, wenn es nicht doch den einen oder anderen Missionar gegeben hätte, dem sein schlechtes Gewissen Magenschmerzen bereitete. In der Tat gibt es eine Volkssage aus Magdeburg, die belegt, daß sich manche Kirchenfürsten der Unanständigkeit ihres Handelns durchaus bewußt waren. In der Nähe Magdeburgs unweit des Dorfes Salpke lag ein großer und dichter Eichenwald, der sogenannte Kreuzhorst. Einst soll sich Erzbischof Norbert (um 1126) in diesem Wald verirrt haben, wobei er auf einer Lichtung plötzlich auf eine besonders kolossale Eiche stieß. Erschöpft von seiner Wanderung schlief er ein und erwachte durch einen mächtigen Sturmwind. Vor ihm erschien ein greisenhafter Mann, der sich als heidnischer Gott zu erkennen gab und ihm Vorwürfe wegen der Verfolgung der noch heidnisch gebliebenen Landesbewohner machte. Gleichzeitig erteilte er ihm verschiedene Ratschläge und Warnungen. Nachdem er verschwunden war, fand Norbert unter der Eiche einen langen weißen Stab, der wie eine Kerze leuchtete und es ihm ermöglichte, wieder den Weg aus dem Wald heraus zu finden. Bevor er sich aber auf den Weg machte, segnete er den Baum, worauf es angeblich noch lange Zeit danach niemand möglich gewesen sein soll, ihn mit einer Axt oder Säge anzutasten (Grässe, Sagenbuch d. preussischen Staates, Bd.1, S.274).
     Wyberti III., Bischof von Merseburg zerstörte im Jahre 1008 einen heiligen Hain des Gottes Zuttiber.
     Recht vordergründige materielle Interessen waren es auch, die zur Christianisierung des bulgarischen Volkes geführt hatten. Bei kriegerischen Auseinandersetzungen mit Byzanz waren wichtige Territorien Bulgariens in Nordthrakien annektiert worden. Damit hatten die Bulgaren ein Gebiet verloren, das gewissermaßen als Kornkammer des Landes galt, wodurch es zu grausamen Hungersnöten in der Bevölkerung kam.
     Der byzantinische Herrscher Michael III. versprach nun  dem bulgarischen König Boris (852- 889), die Gebiete wieder zurückzugeben: Unter der Bedingung, daß jener sich taufen ließe. Die alte Erpressungsstrategie funktionierte und am 25. 5. 866 beugte Boris der Priestermacht sein Haupt - und damit das seines ganzen Volkes.
     Auch die Alanen, die nördlich des Kaukasus lebten, glaubte man in Byzanz durch die Taufe ihres Herrschers bekehrt, welche zwischen 915 und 920 stattfand.
     Doch bereits 932  wurden die griechischen Geistlichen von der Bevölkerung vertrieben, da sie sich ihre polygame Lebensweise nicht von christlichen Moralvorstellungen zerstören lassen wollten. Diese Auseinandersetzung muß so gründlicher Natur gewesen sein, daß Alanien bis zum Jahre 959 überhaupt nicht mehr  in den Bistumsverzeichnissen der byzantinischen Kirche auftauchte.
     Immer wieder vollzog sich die Schändung heidnischer Sinnbilder auf drastische Art und Weise: Als sich z.B. der Herrscher Wladimir (978-1015) 988 in Cherson (Krim) hatte taufen lassen, ließ er nach seiner Rückkehr die Statue des Donnergottes Perun an den Schweif eines Pferdes binden, unter Verabreichung von Geißelhieben durch 12 Männer durch die Stadt schleifen und schließlich in den Dnjepr werfen ( v. Glasenapp, s. 286).
     Auch hier wurde die alte Religion aus ganz vordergründigen, egoistischen und dynastischen Ursachen preisgegeben: Die Taufe Wladimirs war der Preis gewesen für die Heirat der byzantinischen Prinzessin Anna. Ursprünglich hatte ihn Byzanz um militärische Hilfe gegen einen Aufstand kleinasiatischer Großgrundbesitzer gebeten und Wladimir hatte dafür die Hand der Prinzessin gefordert.
     Wladimir wartete ebenso wenig wie die anderen Herrschergestalten Europas auf die freiwillige Einsicht seiner Untertanen, sondern "zwang dem russischen Volke das Christentum auf" (Karl Heussi, Kompendium der Kirchengeschichte, Tübingen 1981). Mit Nachdruck befahl er, alle Götzenbilder zu zerschlagen und erließ ein Gebot, nach dem sich alle Untertanen der Taufe zu unterwerfen hätten. Im Falle einer Weigerung drohte ihnen Verfolgung, da man sie als Feinde Gottes und des Großfürsten betrachten würde.
     Mit ebensolcher Brutalität vollzog sich die Christianisierung der Pruzzen, um die sich Adalbert v.Prag (997) und Brun v. Querfurth (1001) bemühten. Beide bezahlten ihre Aktivitäten mit dem Leben, was nicht so sehr Rückschlüsse auf die Agressivität der zu Bekehrenden als vielmehr die Methoden der Bekehrer zuläßt.
     Schließlich hatte sich Brun v. Querfurth für die Führung indirekter Missionskriege eingesetzt, falls friedliche Versuche fehlschlagen sollten. Im Falle der Liutizen etwa plädierte er für eine bewaffnete Unterwerfung, da diese ihr ursprüngliches Taufgelübde gebrochen hätten . Kirchlicherseits bezeichnete man dieses "Verbrechen" als Apostasie.
     Auf offene Arme können die Bekehrer auch in Böhmen nicht gestoßen sein: Die Ermordung von Herzog Wenzel(929) und seiner Großmutter Ludmilla(921) soll selbst aus kirchenhistorischer Sicht auf dem Hintergrund heidnischer Opposition erfolgt sein. Dafür spricht u.a. schon die anschließende Glorifizierung der beiden als Märtyrer und Heilige (Die mittelalterliche Kirche, S.272). Schließlich wurde aber der Fürst Boleslav doch durch Otto den Großen dazu genötigt, sowohl die deutsche Lehnshoheit anzuerkennen, als auch das Christentum anzunehmen. Wie wenig derartige Christianisierungspraktiken wirklich die Mentalität des Volkes ändern konnten, zeigt die Mitteilung von Usener über einen Bericht des Presbyters Alsso. Dieser schildert noch aus der Zeit um 1400 die Verehrung des Gottes Beel durch die böhmischen Heiden. Diese hätten noch um diese Zeit seine Idole umhergetragen und mit Gesängen gefeiert (s. Jung, S. 465/Anm.).
     Desgleichen war es im Königreich Polen. Obwohl Mieszko I. im Jahre 990 sein Reich dem heiligen Petrus schenkte, wahrscheinlich auch unter anderem, um den Papst zur Begründung einer eigenen Kirchenprovinz zu gewinnen, wirkte das nicht besonders überzeugend auf das polnische Volk. Der Kirchenhistoriker berichtet noch von einem "zähen Weiterleben" des Heidentums um 1034-40 (Die mittelalterliche Kirche,S.275).
     Erst von 1231-1283 wurden die Pruzzen durch den deutschen Ritterorden zwangschristianisiert, was man unter dem Einfluß katholischer Geschichtsfälscher als Germanisierung eines slawischen Stammes verstanden hat. Im Grunde genommen war der deutsche Ritterorden kein Ausdruck deutscher Kultur sondern eher eine paramilitärische Hilfstruppe zur Sicherung römisch-katholischer Missionserfolge, ähnlich der Funktion des Templerordens.
     Volkssagen schildern in ungeschminkter Weise die brutale Vorgehensweise der Johanniter : Nachdem Friedrich von Alvensleben in der Schlacht am Mohriner See das "heidnische" Heer vernichtet hatte, blieben noch die Frauen und Kinder übrig. Sie baten um Schonung, versanken dann angeblich auf übernatürliche Weise im See. Eine sehr dezente Umschreibung für einen Massenmord an Wehrlosen !  (S. Drewitz, S.236 ff.)
     Daß es auch in diesem Falle um einen religiösen Ausrottungskrieg ging, zeigt die Vorgehensweise des finnischen Bischofs Anselm, der gegen 1249 eine heilige Eiche des pruzzischen Gottes Curche(Gorcho) kurzerhand umhauen ließ. Nachdem ein dazu beauftragter Christ sich dabei mit seinem eigenen Beil tödlich verwundet hatte, versuchte es Anselm selbst. Er führte nur einige Schläge und ließ den größten Teil des heiligen Baumes verbrennen. Das Instrument seiner Freveltat ließ er in einer vor Ort gebauten Kirche als Reliquie unterbringen. Auch die Altäre und Götterbilder jenes Heiligtums  im ehemaligen Schwentomir (nunmehr Heiligenbeil) wurden vernichtet (Vulpius, S. 107).
     In dem Ort Romove (Rikaito) befand sich eines der wichtigsten Heiligtümer der alten Pruzzen: Eine riesige alte Eiche, unter deren Zweigen die Götter Pikollos, Potrimpos und Perkunos verehrt wurden. An dieser Stelle verehrten die Preußen noch nach der Christianisierung ihre alten Götter und brachten ihnen Opfer. Aus diesem Grunde bat der Bischof von Ermland den Hochmeister des Deutschen Ordens, Winrich von Kniprode, die Eiche umzuhauen. Winrich beauftragte seinen Marschall Heinrich Schindekopf mit dieser Schandtat, worauf Petrus Nugol von Sohr an jener Stelle ein Kloster zur Heiligen Dreifaltigkeit erbauen konnte. Der Chronist Hennenberger berichtete im Jahre 1595, "darinnen sind recht versoffene Mönche gewesen", womit die Segnungen "abendländischer Kultur" als Resultat der Christianisierung trefflich dokumentiert sein dürfte.
     Der Missionar Adalbert, der sich offenbar die Bekehrung der Preußen zum Ziel gesetzt hatte, wurde nicht besonders freundlich aufgenommen. Schon bei der Überfahrt über den Fluß Ossa versetzte ihm der Fährmann einen Ruderschlag über den Schädel. Am Ostseeufer wurde er schließlich von heidnischen Preußen erschlagen und "in unzählige Stücke zerhackt". So desinteressiert war man bei den alten Pruzzen gegenüber der neuen Religion.
     Was den Bekehrern individuell nicht gelang, erreichte der Deutsche Orden durch gezielten militärischen Terror: Elftausend Pruzzen wurden 1247 von einem Ordensheer unter Leitung von Heinrich von Weida niedergemetzelt.
     Im Jahre 1233 erschlug der Orden am Fluß Sirgune fünftausend Preußen. Dabei erhielt er Schützenhilfe von zahlreichen polnischen und pomerellischen Fürsten.
     1262 tobte unweit von Königsberg eine Schlacht zwischen Kreuzfahrern und heidnischen Preußen, bei der über 3000 Preußen sterben mußten.
     Dennoch hielt sich das Heidentum überaus lange. Volkssagen berichten, daß noch im Jahre 1520 ein Freibauer namens Valtin Supplit der geheime oberste Waidelotte (Priester) gewesen sein soll. Da zu jener Zeit die Gefahr einer polnischen Invasion bestand, akzeptierte der (christliche) Albrecht von Brandenburg sogar altheidnische Opferriten als "Schutzzauber". So führte Supplit an der samländischen Küste ein Stieropfer durch, wodurch die Invasoren einem Blendwerk erlagen, d.h. die Küste teils als Abgrund, teils als Kette unüberwindbarer Berge wahrnahmen, so daß es ihnen unmöglich war, an Land zu gehen.
     Immerhin gab es für diese und ähnliche Aktivitäten des heidnischen Priesters eine Anzeige des örtlichen Pfarrers. Dennoch hatte zunächst einmal wieder das dynastische Zweckdenken gesiegt.
     Eine andere Sage kündet in dramatischer Weise von der Gewalttätigkeit der Auseinandersetzungen zwischen der alten und der neuen Religion: Die heidnische Prinzessin Jaunina nahe bei dem Dorf Jauninen wurde von einem christlichen Ritter verfolgt. Als sie vor ihm einen Berg hinauf flüchtete, verwandelte sie die Glücksgöttin Laima in eine Linde, so daß der Verfolger das Nachsehen hatte.
     Auch andere Überlieferungen machen keinerlei Hehl  aus der Grausamkeit der Bekehrer und müssen dafür als umso authentischer gelten: So berichtet eine Sage aus dem Kreis Stallupöhnen, daß zwei Heiden auf einer Ordensburg jegliche Nahrung verweigert wurde, es sei denn, sie würden sich taufen lassen. Die christlichen Priester ließen sogar eine schwerbeladene Tafel auffahren, so daß die hungernden Heiden den schlemmenden Pfaffen zuschauen mußten. Schließlich soll sich der Berg, auf dem die Ordensburg stand, aufgetan und alles verschlungen haben, Christen und Heiden.
     Von Markgraf Dietrich von Meißen heißt es, daß er  1272 zusammen mit den Ordensbrüdern alles verheerte und totschlug, was er bei den heidnischen Natangern(Ein Stamm der Pruzzen) fand. Durch dieses außergewöhnliche Maß an Brutalität wurden viele zur Annahme des christlichen Glaubens veranlaßt.
     Die tiefenpsychologischen Folgen der Bekehrung zeigen sich in den Halluzinationen des pomesanischen Fürsten Macko, dem nach seiner Taufe sogleich der Teufel erschien, um ihn zu erwürgen. Nur mit Hilfe eines unsichtbaren Kreuzes konnte er sich des Dämonen erwehren.
     Ein ähnlicher Fall, hier aber gleich in Form einer kollektiven Hysterie, ereignete sich 1247 bei den Pomesanen. Und zwar handelte es sich um lüsterne Dämonen (Incubi und Succubi), die den pomesanischen Frauen zu schaffen gemacht haben sollen. Als man den obersten Priester(Kriwe) fragte, woher das käme und wie sich das Problem lösen ließe, antwortete dieser: Die erkennbaren Formen von Besessenheit kämen von den eigenen Göttern, da die Preußen den Glauben ihrer Väter verleugnet und eine fremde Religion angenommen hätten. Erst wenn sie zu ihren alten Göttern zurückgekehrt wären, würde es damit besser werden. Da schworen sich die Menschen, "sich eher alle erwürgen zu lassen, als künftig einen anderen Gott annehmen und die neuen Herren samt ihrem Gott mit Hilfe der alten Götter ganz aus dem Land treiben, auch keinen Christen, dessen sie mächtig würden, leben lassen." Die Geschichte ist mit grausamer Konsequenz über dieses Bekenntnis hinweggegangen.
     Auch bei den Galindern, einem Stamm in der Nähe von Masuren mangelte es nicht an Entschiedenheit und Widerstand gegen den neuen Glauben. Ihre "Wahrsagerin" d.h. also Seherin teilte ihnen mit, daß es der Wille der Götter sei, in das Land der Christen einzufallen und sie zu berauben, jedoch ohne Zuhilfenahme von Waffen. Die Galinder richteten sich nach diesem Ratschlag, mußten ihn aber mit ihrer Vernichtung bezahlen.
     Weniger glimpflich liefen Gewissenskomplikationen bei den Bekehrern selbst ab. Als ein Graf von Nassau am Gründonnerstag 1374 an einem Abendmahl im Ordenshaus Brandenburg teilnahm, packte es ihn plötzlich: Er stieß den Priester vom Altar, warf die Hostie zu Boden und trampelte darauf herum. Man kerkerte ihn ein, worauf er schließlich wahnsinnig wurde. Die Sage interpretiert dies natürlich als Folge teuflischer Anfechtungen.
     Die "Bekehrungsgeschichte" der Ungarn zeigt ein ganz ähnliches Bild, wie jene der germanischen Stämme. Politische und dynastische Interessen brachten einheimische Fürsten dazu, sich der Religion des Volkes entgegenzustellen. Der Fürst Stephan erhielt als Belohnung für seine Taufe von Kaiser Otto III. und Papst Sylvester II. gleichzeitig die Königswürde. Seine Gesetze zum Bau von Kirchen, zur Heiligung der Sonn- und feiertage und bzgl. des Fastens waren eine Initiative, "die vorerst noch von weiten Kreisen des ungarischen Volkes abgelehnt wurde" (Die Mittelalterliche Kirche, Freiburg 1966,S.281). Das zeigte sich deutlich nach seinem Ableben(1038), als es zu blutigen Aufständen kam, in deren Gefolge auch Bischof Gerhard, Stephans wichtigster Christianisierungsgehilfe getötet wurde. Statt auf theologische Argumente setzte man dann wieder auf die Tötung Andersgläubiger: Stephans Nachfolger Andreas I. (1046-61) verbot die Ausübung heidnischer Religion bei Androhung der Todesstrafe(Die mittelalterliche Kirche, S.281). Bela I. (1061-63) setzte seine Ausrottungspolitik so konsequent fort, daß vom ungarischen Heidentum nichts mehr übrigblieb.
     Bei den Litauern bediente sich der römische Klerus des gleichen schäbigen Spiels mit"kleinen Gefälligkeiten", wie auch im Falle Ungarns. Der litauische Fürst Mindaugas (Mindowe)(ermordet 1263) erhielt von Papst Innozenz IV. die Königskrone, nachdem dieser versprochen hatte,sich tauen zu lassen. Doch sollte das Christentum in Litauen noch lange keine Wurzeln schlagen. Denn noch Fürst Gedimin (1315-1341) lehnte den Übertritt zum Christentum entschieden ab und blieb Heide.
     Erst im Jahre 1387 konnte das Christentum mit der Begründung des Bistums Wilna durch den 1386 katholisch gewordenen Fürsten Jogaila feste Wurzeln fassen. Damit kommt dem litauischen Volk das geschichtliche Verdienst zu, noch wesentlich länger als alle anderen europäischen Völker an seiner   altheidnischen   Kultur festgehalten zu haben !
     Wir mußten insbesondere auf die Bekehrungsgeschichte der osteuropäischen Stämme und Völker so detailliert eingehen, weil der religiöse und damit künstliche Gegensatz zwischen Deutschen und Osteuropäern zu einem rassisch-kulturellen hochstilisiert wurde. Und zwar von chauvinistischen Historikern unter massiver Inspiration durch katholische Interessen !
     Noch im Jahre 1981 sind sich anerkannte Kirchenhistoriker nicht zu blöde, um diesen künstlich geschürten Gegensatz zu einem "beispiellosen Rassengegensatz" zu machen, der die "Begründung der deutschen Herrschaft und des Christentums" ungemein erschwert hätte (Karl Heussi i. Kompendium der Kirchengeschichte,  55, Tübingen 1981).
 
 

VI. Nordeuropa im Schatten des Kreuzes


Wenden wir uns nun der Methodik der Missionare im Norden, in  England und Skandinavien zu, wo das klare Bewußtsein einer eigengearteten heidnischen Religiosität noch um die Jahrtausendwende ganz deutlich vorhanden war, was wir an den in dieser Zeit entstandenen Götter- und Heldenliedern der Edda klar erkennen können.
     In England hatte die Angelsachsenmission bereits im Jahre 596 auf Initiative Gregors des Großen begonnen.
     Aber hier war es für die Kirche gar nicht so einfach, zum Zuge zu kommen. Einmal deswegen, weil es eine ausgesprochene Konkurrenzsituation zwischen einer direkt von Rom ausgehenden Mission und der Mission der irischen Kirche gab. zum andern war England in eine ganze Reihe von Kleinkönigreichen zersplittert, was die Missionare ebenso zermürbt haben muß, da sie ja in jedem Fall ein "Spinnennetz" zur Umgarnung jedes Monarchen, seiner Familie und seines Hofes schaffen mußten.
     Der Abt Augustin bekam diese Aufgabe übertragen und wurde damit auch erster Erzbischof von Canterbury.
     Doch zuerst bereitet man sich kirchlicherseits etwas pragmatisch auf die gewaltige Aufgabe vor: Gregor erteilt im Jahre 595 dem Verwalter des römischen Kirchenvermögens in Gallien den Auftrag,  junge anglische Sklaven zu kaufen, "damit sie, Klöstern übergeben, Gott zu Nutze sein mögen".
     Der Monarch Aethelberht ist der erste, der die Taufe über sich ergehen ließ. Sogleich forderte ihn Gregor der Große auf, die Bekehrung seines ganzen Volkes zu beschleunigen, den "Götzendienst" zu verfolgen und die heidnischen Heiligtümer zu zerstören.
     Als wenn jener Papst geahnt hatte, daß er sich mit derartigen Haßtiraden doch etwas zu weit vorgewagt hatte, schob er gleich noch ein etwas abgemildertes Schriftstück hinterher.
     In diesem räumte er ein, daß man ja notfalls auch heidnische Tempel in Kirchen umwandeln und heidnische Opfermahlfeste in Kirchweih- und Märtyrerfeste transformieren könne.
Wie liebenswürdig !
     Das Schreiben des Papstes aus dem Jahre 601 schlägt unter anderem Folgendes vor: "Keineswegs sollen die Heiligtümer der Götzen bei diesem Volke niedergerissen werden; nur die Götzenbilder selbst, die darinnen sind, sollen vernichtet werden...das Volk braucht nicht zu sehen, daß man seine Heiligtümer zerstört, nein, es soll im Herzen den Irrtum ablegen und mit umso vertraulicherer Liebe zu den altgewohnten Stätten eilen, nunmehr den wahren Gott erkennend und anbetend. Und wenn sie gewohnt sind, beim Opfer für ihre Dämonen viele Rinder zu schlachten, so soll auch hierfür ihnen eine Festfeier zum Ersatz werden...sie sollen nicht mehr dem Teufel ihre Tiere opfern, sondern ihre Tiere zum Lobe Gottes bei ihrem Mahle schlachten und dem Spender aller Güter für ihre Sättigung danken, so daß sie, während man ihnen einige äußere Freuden läßt, leichteren Herzens zu den inneren Freuden ihre Zustimmung geben können. Denn zweifellos ist es unmöglich, bei harten Gemütern alles auf einmal abzuschneiden" (Historia ecclesiastica gentis Anglorum des Beda Venerabilis, I,30., zit. in: R. Oldenbourgs geschichtliches Quellenwerk, S. 112 f.).
     Wir müssen beim Lesen solcher Darlegungen feststellen, daß die Kirche zumindest in Gestalt dieses Oberhirten über ein bemerkenswertes psychologisches Feingefühl verfügte. Um so mehr muß den Geistlichen bewußt gewesen sein, was es für einen Heiden bedeutete, seinen Tempel in Flammen aufgehen zu sehen oder seinen heiligen Baum zersplittert am Boden zu erblicken. Und umso schwerer wiegen bei einer solchen zumindest in Teilbereichen der Kirchenhierarchie vorhandenen Einsicht die begangenen Verbrechen.
     Leider hielt sich Aethelberhts Nachfolger Eornceuberht (640-664) nicht an diese "liberale" Lesart, sondern ordnete die gänzliche Zerstörung aller Heiligtümer an.
     Aber Beda hat in seiner Geschichte der englischen Kirche noch weitere interessante Dinge zu berichten: So sollte sich der ostanglische König Raedwald (gest. 625) ebenfalls taufen lassen, verweigerte jedoch diesen Bekehrungsakt letztendlich, da er mit gewissen Elementen der christlichen Theologie nicht ganz klar kam. Er war nämlich der festen Überzeugung, daß Christus im Verhältnis zur heidnischen Götterwelt doch durchaus den gleichen Rang einnehmen könnte. Solche Art von Pluralismus widerstrebte den Bekehrern aufs Ärgste.
     In Goodmanham, einem Flecken bei Market Weighton in East Riding (Yorkshire), gab es ein großes, für die ganze Landschaft zentral gelegenes Heiligtum. Beda berichtet, daß es angezündet wurde, nachdem der heidnische Oberpriester Coifi es  angeblich selbst profaniert hatte. Anschließend gab es mit König Edwin von Northumbrien (617-634) und dessen Hofstaat eine Massentaufe in York.
     Doch auch bei dieser Gelegenheit kann es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein, da Edwins Söhne erst später getauft werden.
     In Sussex vollzog sich die Christianisierung auf Initiative König Aethelwealhs (gest. 685) mit Hilfe staatlicher Druckmittel, wie selbst der Geistliche Aeddi Stephanus in seiner Vita Wilfridi berichtet.
     Auch anderwärts war die Kirche den englischen Fürsten als Steigbügelhaltern der Zwangsbekehrung zu tiefstem Dank verpflichtet. Caedwalla, ein Angehöriger des westsächsischen Königshauses eroberte die Insel Wight und übertrug anschließend ein Viertel des gesamten Inselterritoriums dem Missionar Wilfrith. Beiläufig läßt uns Beda wissen, daß jener Caedwalla auch verantwortlich zeichnete für die Ausrottung eines Teils der heidnischen Bevölkerung Jütlands, die er durch Bewohner aus Wessex ersetzte.
     Doch alle Christianisierungsmaßnahmen blieben zunächst einmal kosmetische Makulatur. Theodor von Tarsus, der im Jahre 690 starb, führte die erste geschlossene und umfassende Organisation der englischen Kirche durch.
     Wie Knut Schäferdiek für eben diese Zeitspanne seines Ablebens und danach feststellt, "sind allenthalben heidnische Praktiken lebendig und werden es auch noch Jahrhunderte bleiben."
     Im 9. Jahrhundert wurde das Christentum in Schweden durch den Missionar Ansgar (801-865) eingeführt, der aus Frankreich stammte. Hier war es allerdings äußerst schwierig für die Kirche, Fuß zu fassen. Weder Ansgar, noch der spätere König Olaf Skautkonung (1. Hälfte des 11. Jahrhunderts) konnten sich an den zentralen Tempel des Landes in Upsala heranwagen, obwohl sie an anderen Orten Kirchen bauen durften. Der Tempel in Upsala soll noch in der 2. Hälfte des 11. Jhdts. bestanden haben.
      Der englische Mönch Wulfred versuchte es wieder einmal mit Gewalt, vergriff sich an einem Götterbild und wurde dafür auf der Stelle totgeschlagen. Im Norden Schwedens soll das Christentum endgültig erst gegen 1160 Fuß gefaßt haben (Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 1, S. 1555, Tübingen 1927). Jedenfalls war Schweden auch der Ausgangspunkt für die Christianisierung Finnlands (1154-1293) und Lapplands (14. Jhdt.).
     In Norwegen war es bereits König Hakon der Gute(um 950), der den Plan gefaßt hatte, nach genügender Festigung seiner politischen Macht "das Christentum durch Gesetz einzuführen" (s. Heimskringla, Hakonsaga, Th.15, c. 13.).
     Doch die allgemeine Stimmung und viele öffentliche Meinungsäußerungen auf dem Frostathing zeigten, daß das norwegische Volk überhaupt nicht mit diesen Plänen einverstanden war. Und so blieb Hakon nichts anderes übrig, als klein beizugeben.
     Des weiteren fällt unser Blick auf den berüchtigten norwegischen König Olaf Tryggvason(950- 1000), der 994 in England Christ wurde. Von diesem König ist es verbürgt, daß er einige widerspenstige Heiden persönlich zu Tode quälte, da sie sich nicht taufen lassen wollten, so z.B. Thorir Hirsch und Raud.
     Auf Thorir Hirsch hetzte er bei einer Verfolgungsjagd seinen Hund, um ihn schließlich eigenhändig mit einem Speer zu durchbohren.
     Raud ließ der König an einen Baum binden, um anschließend eine lebende Otter in seinen geöffneten Mund kriechen zu lassen, die ihn von innen heraus zerfraß.
     Die ältere Olafssaga helga berichtet, daß er beim Thorstempel von Hunthorp alle Heiden der Umgebung zusammenrufen ließ, um dann vor ihren Augen das Bildnis des Gottes zu zerschlagen. Anschließend wurden sie, durch die brutale Entschlossenheit des Königs eingeschüchtert, dazu gezwungen, das Christentum anzunehmen (Golther, S.620).
     Den Tempel in Lade im Drontheimer Fjord plünderte er, um ihn anschließend zu verbrennen.
     Als er hörte, daß man in Norwegen wieder zum Heidentum zurückgekehrt war, unternahm er eine Heerfahrt dorthin und "verwüstete alles Land", wie die Quellen berichten, so daß das Volk in die Berge und in die Wälder flüchten mußte.
     Olaf Tryggvason unternahm dutzende von Kriegsfahrten nur mit dem Ziel der Christianisierung.Dabei drohte er stets mit Feuer, Schwert und Verwüstung, ließ die heidnischen Gegner töten, verbannen und sogar verstümmeln.
     Bei einer Gelegenheit lud er den unbeugsamen Heiden Eywind Quelle und dessen Gefolgschaft zu einem großen Fest. Nachdem sich alle in der prächtig geschmückten Halle versammelt hatten, ließ er Feuer an die Halle legen und diese mit allen darin befindlichen Menschen verbrennen.
     Eywind Quelle, der mit einigen Männern entkommen war, ließ er später gefangen nehmen und auf eine Schäre bringen, wo sie bei herannahender Flut ertrinken mußten.
     Eyvind Backenspalter, einer der zauberkundigsten Männer und ein standhafter Gegner des Christentums wurde von Olaf zu Tode gefoltert, in dem dieser ihm ein glühendes Kohlenbecken auf den Bauch setzen ließ. Aber auch nachdem ihm der Bauch geplatzt war, weigerte er sich auf Olafs Befragen, den Glauben an Christus anzunehmen.
     Doch dieser König bediente sich nicht nur der Methoden physischen Terrors. Bei bestimmten Gelegenheiten wurde er "feinsinniger" : So lud er vor dem großen heidnischen Winteropfer zu Märi die bedeutendsten Häuptlinge der Gegend zu einem Gelage ein. Er erklärte den Anwesenden dann, daß er, falls man ihn zu einer Umkehr zum Heidentum bewegen wolle, zur Versöhnung der beleidigten Götter ein großes Menschenopfer veranstalten müßte. Dabei nannte er die Namen von sechs Anwesenden, die bei einer solchen Gelegenheit auf jeden Fall ihr Leben lassen müßten. Verständlicherweise zogen es nun die Betreffenden vor, sich zur Religion des Königs, dem Christentum zu bekehren, statt auf Konfrontationskurs zu gehen. So scheute Olaf noch nicht einmal davor zurück, alte heidnische Bräuche (in diesem Fall das Opfer des Fürsten für die Fruchtbarkeit und Wohlfahrt des Landes) für seinen Christianisierungsterror zu mißbrauchen.
     Mit gleichen Methoden, nur noch wesentlich grausamer und brutaler ging auch sein Nachfolger, Olaf der Dicke(1000-1033) vor.      Der Dänenkönig Harald Gormssohn ließ in seinem Reich die Taufe per Dekret vorschreiben und wandte Gewalt und harte Strafen an, wie die Heimskringla berichtet.
    Auch Island, auf das sich die letzten skandinavischen Heiden geflüchtet hatten, blieb vor dem Christianisierungsterror nicht verschont. Besagter König Olaf sandte Stefnir als Gesandten dorthin, und dieser versuchte die Isländer zum Christentum zu bekehren. Als er damit auf Unverständnis stieß, fing er an, Tempel und Opferstätten zu beschädigen und Götterbilder zu verbrennen. Darauf kam es prompt zu einer heidnischen Zusammenrottung, der Stefnir nur mit knapper Not  entkommen  konnte. Noch im gleichen Jahr wurde Stefnir von seinen eigenen Verwandten aufgrund seiner christlichen Einstellung verklagt, denn Christentum galt als eine Art von Sippenschändung.
     Der frühere Hofpriester des Königs Olaf Dankbrand machte sich mit seinen Plünderungen einen Namen. Später als Missionar auf Island eingesetzt, ermordete er mehrere wehrlose Männer, die als besonders überzeugte Heiden bekannt waren. Es handelte sich um drei Totschläge unter anderem an Männern, die Spottstrophen auf ihn gedichtet hatten. Diese Vorgänge führten schließlich zur Ächtung Dankbrands. Sein Begleiter war Gudleif, von dem die Njalssaga berichtet: "Gudleif war berühmt für seine Totschläge, handfest wie wenige...". Deshalb berührt es natürlich auch seltsam, wenn anläßlich der Begegnung Dankbrands mit einem Berserker berichtet wird, dieser hätte ihn zum Zweikampf herausgefordert und wäre dabei "gestorben", als der Missionar sich mit dem Kreuzzeichen verteidigte. Um das geistige Niveau dieser "Mission" zu illustrieren, vergegenwärtige man sich eine Spottstrophe, die der von Dankbrand getaufte Hjalti Skeggison dichtete: "Ich will die Götter nicht lästern: eine Hündin dünkt mich Freya". Daß er darauf von dem Goden Runolf wegen Gotteslästerung verklagt und verurteilt wurde, dürfte uns kaum verwundern.
     Schließlich gelang es durch Bestechung des Gesetzessprechers Thorgeir, auf dem Allthing des Jahres 1000 eine positive Abstimmung zur Einführung des Christentums herbeizumanipulieren.
     Aris "Isländerbuch" schildert, daß es beinahe zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Heiden und Christen gekommen wäre, da sich beide Gruppen gegenseitig die Rechtsgemeinschaft aufgekündigt hatten.
     Der von den Christen beauftragte Hall steckte nun  Thorgeir ganz einfach ein paar Silbermünzen zu, so daß er auf dem Thing auch das christliche Gesetz vortrug. Die Njalssaga spricht von drei Mark Silbers, die Kristnisaga von einem halben Hundert. Diese Strategie war besonders geschickt, weil Thorgeir im Gegensatz zu Hall noch nicht getauft war und deshalb beim Volk der Eindruck vorherrschen mochte, daß Thorgeir in der Lage wäre, ein objektives Urteil zu fällen.
     Es war in dem von ihm vorgetragenen Gesetz vorgesehen, daß sich alle noch ungetauften Isländer taufen lassen sollten, daß alle Tempel und Götterbilder unheilig, das heißt ohne Buße verletzbar sein sollten und daß jedem, der noch öffentlich beweisbar den Göttern opferte, die dreijährige Landesverweisung angedroht wurde. Heimliches Opfern sollte also durchaus noch zulässig sein, was allerdings die soziale Bedeutung der Opferfeste völlig zerstörte. Auch die Praxis der Kindesaussetzung und das Essen von Pferdefleisch durfte noch weiterhin geübt werden.
     Die isländischen Heiden wurden mit diesem Geschehnis Opfer ihrer eigenen Konsequenz im Verständnis des Rechtswesens. Hatten sie erst einmal einen bestimmten Schiedsrichter eingesetzt, und das war in diesem Falle eben Thorgeir, so mußten sie das verkündete Urteil auf Biegen oder Brechen erfüllen. Und im Übrigen stand für sie auch im Vordergrund, daß Friede und Harmonie der Gemeinschaft erhalten bleiben mußten. Thorgeir stellte fest, daß das Volk von Island nur ein Gesetz und eine Sitte haben sollte. Welchen Ungeist sich die Isländer da aufhalsten, war ihnen in diesem Augenblick nicht klar.
     Nur wenige Jahre dauerte es, bis auch noch die wenigen verbliebenen Privilegien der isländische Heiden gesetzlich abgeschafft wurden.
     Wenn wir nun einen Sprung ins 17. Jahrhundert machen, so zeigen sich die Folgen jener naiven Bereitwilligkeit mit ganzer Schärfe: Zur Zeit der Hexenprozesse wurde auf Island im Jahre 1626 ein Mann verbrannt, weil sich unter seinen Schriften ein einziges Runenzeichen angefunden hatte ! (Bernhard Reiß: Runenkunde, Leipzig o.J., S. 63).
     Von den Färöern berichtet uns Olrik über eine Ballade, deren heidnischer Charakter so eindeutig war, daß es selbst im 19. Jahrhundert noch unter Strafe verboten war, sie öffentlich vorzutragen (zit. b. Dumezil, Loki, S. 46, Darmstadt 1959).
     Gerade die Bekehrungsgeschichte Islands ist ein  besonders tragisches Kapitel, da die isländischen Siedler hauptsächlich norwegische Dissidenten waren, die vor dem Terror Harld des Schönen (Königsherrschafft 983) die Flucht ergriffen hatten.
     Welch massiver Eingriff in die Seele der Menschen die Zwangsbekehrung verursachte, zeigt eine Geschichte aus der Kristnisaga, die in etwas anderer Version auch in der Thorvaldssaga erzählt wird (zit. b. Golther, S.131): Ein Bischof kommt zu einem Bauern, um ihn zur Taufe zu bewegen. Doch dieser verehrt einen heiligen Stein, in dem sich ein dienstbarer, weissagender Geist befindet. Daraufhin begießt der Bischof den Stein mit Weihwasser, worauf der Geist dem Bauern im Traum erscheint: Er klagt ihm sein Leid, daß dieses Wasser für ihn und die seinen wie siedendes Wasser wäre, daß den ihm anvertrauten Wesen schmerzhafte Verbrennungen zufüge. Der Bischof setzt sein schwarzmagisches Tun fort und noch mehrmals erscheint der Geist dem Bauern in seinen Träumen: zuletzt in ganz abgerissener, zerlumpter Gestalt, zornig und verbittert, daß dieser seine Vertreibung zulasse, obwohl er ihm durch all die Jahre treu gedient habe.
     In einer anderen Version erreicht der Bischof durch einen Gesang, daß der Stein in Stücke zerspringt, was den Bauern ohne weiteres von der größeren Macht des Christentums überzeugt, so daß er sich und seine ganze Familie taufen läßt. Wir haben hier einen exemplarischen Fall vor uns, auf welche Weise Bekehrungslegenden sich über die kolossale seelische Zersplitterung und Zerrissenheit jener Menschen hinwegsetzen, die mit  der Christianisierung konfrontiert sind.
     Wesentlich für die Christianisierungsgeschichte Nordeuropas ist das eindeutige Zeugnis der Sagas, daß die Nordgermanen ihre alte Religion bewußt gepflegt und geliebt haben und daß es deshalb für sie eine außergewöhnliche Zumutung darstellte, sie einfach zu vergessen und zu ersetzen durch eine völlig neue, ungewisse Heilslehre. Der Historiker Herrman Schneider beispielsweise muß zugestehen, daß "glaubensferne Gründe", "Gründe der Staatsklugheit" bei der Bekehrung offensichtlich überwogen haben (Germanische Altertumskunde, Kptl. Bekehrung,1938, S.299ff.) . Und daß für viele germanische Fürsten eine Art erfolgsmagisches "Auf die Probe stellen" in vielen Fällen der entscheidende Grund für die Bekehrung gewesen sein muß. Das heißt, daß sie sich zu Christus bekannten, wenn er ihnen statt Odin oder Thor Glück in der Schlacht geschenkt hatte. Darin zeigt sich aber eben kein wirklich inneres Verhältnis zu dem theologischen Brimborium, bei dem es in der christlichen Heilslehre wirklich geht. Damit war das Christentum, neben seiner vordergründig kulturzerstörenden Wirkung zugleich auch ein trojanisches Pferd, eine  Art geistige Zeitbombe, die ihre verheerende Wirkung in anderen Bereichen (Naturverständnis, Demokratie, Frauenfrage, Sexualität) erst viel später erweisen sollte, als es niemand mehr ernsthaft in Frage stellen konnte.
     Einen ganzen Strauß an Absurditäten als plausible Erklärung für die Bekehrungsgeschichte präsentiert Prof. Hanns Rückert in seiner "Christianisierung der Germanen" (1934). So versucht er die Annahme der fremden Religion in erster Linie durch Defizite in der germanischen Religion zu erklären, so daß ihnen hier das Christentum angeblich etwas brachte, was sie geistig-religiös noch nicht  besaßen. Da ist  etwa  der christliche Glaube an     e i n e n  Schöpfer Himmels und der  Erde. Nun ist die germanische Religion in der Tat pluralistisch, aber sie entbehrt deshalb trotzdem nicht der Ganzheitlichkeit. Die Göttinnen und Götter des Nordens umfassen in ihrer natursymbolischen Bedeutung alle Aspekte des Lebendigen und des Kosmos. Warum hätten die Germanen diese allesumfassende Vielfalt durch den blinden Totalitarismus einer Einheitsgottheit ersetzen sollen ? Im Übrigen hatten die noch heidnischen Römer eben dies schon sehr früh getan - und waren trotzdem dem Christentum zum Opfer gefallen.
     Des weiteren spricht Rückert von der "Sinndeutung der Geschichte" und der "christlichen Zukunftshoffnung", die so bestechend für die Bekehrungsstrategie gewesen sei. Hier stellen wir uns ernsthaft die Frage, welche Zukunftshoffnung Menschen gehabt haben können, denen man gerade eingewurzelte Traditionen brutal zerstört und die man zugleich in das unbarmherzigste System der Sklaverei (Leibeigenschaft) gepreßt hatte. Die sogenannte Sinndeutung einer solchen Geschichte war etwas für philosophierende mönchische Parasiten. Im Leben und Erleben des germanischen Bauern konnte  das tatsächliche politische Geschehen eigentlich nur dumpfe Verzweiflung bewirken. Und vergessen wir nicht die Panik und Hysterie, die die Vorstellung eines definitiven Endpunktes der menschlichen Geschichte, nämlich des sogenannten jüngsten Gerichts,  noch bis zum heutigen Tag bei zahllosen Menschen hervorruft !
     Gänzlich zum Narren macht sich Rückert mit seinem dritten Argument, daß nämlich die heidnischen Germanen keine Vorstellung vom Leben nach dem Tode gehabt hätten, weshalb sie die Angst vor dem "Danach" vom Christentum überzeugt hätte. Offensichtlich kennt Rückert nicht die zahlreichen Darstellungen aus den Sagas, aus der Älteren Edda, aus den teilweise bis in die Zeit des Megalithikums zurückgehenden Volkssagen, die in farbigster Weise das Leben der toten Ahnen schildern! Und zwar ein Leben ohne Höllenfeuer, Peinigung durch Teufel und ähnlichen christlichen Schwachsinn.
     Eigentlich ist das, was wir den Quellen entnehmen können, eindeutig genug. Natürlich besaßen die unterworfenen Stämme zum größten Teil keine ausgeprägte Schriftkultur (Mit Ausnahme der Runenschrift natürlich !). Deshalb sind diese Quellen überwiegend christlichen Ursprungs. Aber gerade das verleiht ihnen eine besondere Beweiskraft hinsichtlich des Verbrecherischen der Missionierung. Denn die Bekehrer brüsten sich ja darin ihrer Untaten oder stellen sie als selbstverständlich und notwendig hin. Würden wir nicht die Identität der Autoren kennen, könnten wir angesichts vieler Schilderungen fast von typischer Greuelpropaganda sprechen. So aber ist die Schande der Missionare um so größer, die den Heiden eine Religion der "Nächstenliebe" bringen wollten. Im Grunde war der Marquis de Sade ein Stümper gegen jene Art von literarischem Sadismus.
 
 

VII. Christliche Umerziehung als Belastung im kollektiven Gedächtnis der Unterworfenen

Noch im Jahre 1603 führte die Bevölkerung in Hildesheim ein Ritual durch, das man geradezu als schwarzmagischen Haß-Kult katholischer Fanatiker bezeichnen muß:  Auf dem Hildesheimer Domhof wurde jedes Jahr, am Sonnabend nach Laetare ein Gestell aus zwei Hölzern aufgerichtet, auf das man zwei Kegel stellte. Auf diese Kegel veranstalteten die Jugendlichen ein Wettwerfen mit Steinen oder Stöcken. "Unter diesen Kegeln sind die heidnischen, teuflischen Götzen zu verstehen, welche die christlich gewordenen Sachsen niedergeworfen haben" (zit. b. Jacob Grimm, Dt. Mythologie, Bd.I, S.158). Nach der selben Quelle soll es auch in der Schweiz einen ähnlichen Brauch gegeben haben, bei dem man flache Kieselsteine auf dem Wasser tanzen läßt. Es hieß "Heiden werfen". Vom Anfang des 16. Jahrhunderts wird uns aus Halberstadt berichtet, daß die Domherren selbst am Montag Laetare "hölzern Kegel an stat des abgots aufsetzen und darnach allesamb werfen" . Ähnliches berichtet auch eine Paderborner Chronik aus Westfalen, wobei hier wieder Kinder dazu aufgefordert sind, ihren Spott mit dem fremden Gott zu treiben. Noch bis zum Jahre 1811 gab es neben der Klosterkirche St. Matthias zu Trier einen zeitweise angeketteten Marmortorso einer Venus-Statue, die von Jugendlichen und Wallfahrern regelmäßig mit Steinen beworfen wurde. In Antweiler (Kreis Euskirchen) stand eine alte heidnische Figur, die von jedem zur Erstkommunion ausersehenen Kind auf Weisung des Pfarrers "gesteinigt" werden mußte (Alle Angaben n. HdA, Bd.3, S.1653).
     Die volkskundliche Forschung weist übrigens auch darauf hin, daß es diverse Volkssagen gibt, die den Übergang vom Christentum zum Heidentum mit heftigen Schlachten in Verbindung bringen, bei denen es zwischen 3000 und 13 000 Tote gegeben haben soll. In Schwaben, im Kreis Bergheim, in Tirol und Kärnten gibt es mindestens ein halbes dutzend Orte, an denen solche Schlachten stattgefunden haben sollen (s. HdA, Bd.3, S.1645). Solche kollektiven Erinnerungen beweisen in jedem Fall, daß die Christianisierung als heftiger und einschneidender Bruch mit der religiösen Vergangenheit empfunden worden sein muß.
     Auch in zahlreichen Äußerungen des volkstümlichen Aberglaubens manifestiert sich nicht etwa die Dummheit des Volkes, sondern die Spannung, die mit den Ansprüchen der Bekehrer in die Seele der Menschen getragen wurde:
     Einige Volkssagen berichten davon, daß beispielsweise Ehen zwischen Christen und Heiden unfruchtbar bleiben müßten.
     In vielen deutschen Landschaften wird berichtet, daß die hilfreichen Mächte des ländlichen Lebens wie die Zwerge oder auch Wassergeister in Scharen davonzogen, als die Bewohner sich zum Christentum bekehrt hatten. Sie sollen die Geräusche der Kirchenglocken als störend, ja beleidigend empfunden haben. Diverse Sagen und Märchen berichten sogar von Bekehrungsversuchen christlicher Geistlicher an Zwergen und Hausgeistern.
      Am perversesten wird es dort, wo ein jedes neugeborene Kind als "Heidenkind" gilt, das durch die Taufe überhaupt erst einmal zum "Christenkind" gemacht werden muß. So pflegten die Hebammen in Westböhmen kurz vor dem Gang zur Taufe zu sagen: "Einen Heiden tragen wir fort, einen frommen Christen bringen wir wieder." Hatte eine Mutter ihr eigenes Kind noch vor der Taufe ein Stück getragen, galt sie nicht mehr als richtige Christin: Es bedurfte eines Extrasegens von seiten des Priesters, um sie wieder zu "reinigen".
     In all diesen volkstümlichen Bewußtseinsinhalten wird die tendenzielle Minderwertigkeit erkennbar, die man den "Ungläubigen" zuschrieb.
     Und es wird deutlich, wie selbst noch Jahrhunderte nach der Christianisierung eine Art ritualisierte Unterwerfung die Bereitschaft zur Unterordnung fördert und tief in den Seelen der Menschen verfestigt.
 
 

VIII. Der ewige Kampf gegen die Häresie

Es ist verständlich, daß es irgendwann einmal in bestimmten Regionen Europas überhaupt keine sichtbaren Monumente heidnischen Glaubens mehr gab - was nichts daran änderte, daß die Menschen ihre Religion nach wie vor im Herzen trugen.
Die heiligen Steine hatte man zerschlagen, Tempel verbrannt, heilige Haine gerodet, Götterbilder zerstückelt. Wesentlich langwieriger und schwieriger war die Zerstörung von Gedanken und Empfindungen. Die Beschlüsse der Kirchenkonzile und die staatlichen Gesetze in den Jahrhunderten nach der offiziellen Einführung des Christentums legen Zeugnis ab von einem komplexen System der Gehirnwäsche, die wie ein roter Faden die ganze frühmittelalterliche Kultur Europas durchzieht. Verdächtigungen, Verbote, Strafandrohungen bis hin zur physischen Vernichtung waren die Mittel, mit denen  das Christentum mühsam den passiven Widerstand der noch heidnisch gebliebenen bäuerlichen Bevölkerung zu ersticken versuchte.
Beispielsweise verbot der englische König Knut (1014- 1035) die Verehrung jeglicher Waldbäume, wie etwa die "eitlen Gebräuche mit Hollunder" (zit. b. Herrmann, S.502)
Der Historiker Hansen listet für die Zeit von 1258-1526 siebenundvierzig päpstliche Erlasse auf, die sich ausschließlich gegen Zauberei und Hexerei richten. In den Jahren 1270-1540 erschienen allein sechsundvierzig Bücher, in denen gegen das gleiche "Delikt" zu Felde gezogen wird (zit. i. Vorwort zum Hexenhammer, S.XIII).
Es ist also völlig abwegig, wenn manche Historiker der Hexenverfolgung so tun, als wenn die Verfolgung mit der Publikation des berüchtigten "Hexenhammer" im Jahre 1487 überhaupt erst begonnen hätte. Das Gegenteil ist der Fall: Das ganze Mittelalter über herrschte ein andauernder Grabenkampf der Kirche gegen altheidnische Anschauungen und Praktiken im Volke, erst mit Beginn der Neuzeit setzte allerdings wieder die Strategie des unmittelbaren physischen Terrors gegenüber der bisherigen psychoterroristischen Methodik ein.
So hatte sich z.b. das Konzil von Toledo aus dem Jahre 633 gegen direkte Zwangsbekehrung oder Zwangstaufe entschieden. Dennoch sollte nach den gleichen Beschlüssen Zwang gegen Menschen angewandt werden, die sich nach ihrer Bekehrung wieder vom Christentum abwenden wollten.
Die zivile mittelalterliche Rechtsordnung sah die brutalsten Strafen für "Abtrünnige" vor: Pfändung von Nutztieren, vollständige Vermögenseinziehung, Landesverweisung und in besonderen Fällen sogar das Skalpieren (Zit. bei Kahl, S. 56).
Ein ganz wesentlicher Grund für die Festigung der christlichen Herrschaft war aber der große Kompromiß mit Elementen des unterworfenen Heidentums. Im kirchlichen Heiligenkult lebte der differenzierte Polytheismus des heidnischen Europa wieder auf.
In priesterlich gesegneten Flurumgängen und Prozessionen erstanden alte heidnische Fruchtbarkeits- und Gestirnrituale neu. Und auch die alten Kultstätten wurden als Wallfahrtsstätten in den christlichen Kult integriert.  Wir brauchen dies hier nicht im Einzelnen darzulegen: Die Volkskundeforschung hat schlagende Beweise in Hülle und Fülle für solche Benutzung heidnischer Ritualistik in der volkstümlichen christlichen Frömmigkeit gefunden. Es handelte sich dabei um die tiefenpsychologisch geschickteste Strategie zur Köderung der Unterworfenen. Allerdings wirft gerade diese Tatsache ein geradezu "tödliches" Licht auf den Maßstab kirchlicher Wahrheitsliebe. War es doch den Missionsbischöfen darum gegangen, heidnisch-teuflische Irrtümer durch die christliche Wahrheit zu ersetzen. Nun aber gab man die Wahrheit sogar um der absoluten Macht willen preis ! Wie sinnlos die Blutopfer der getöteten Heiden, wie erbärmlich das absurde Theater der Bekehrer mit ihrer perversen Teufelsfurcht !
Und obwohl nun die christliche Religion mit heidnischen Elementen  wie ein Flickenteppich durchsetzt war, wurde trotzdem ein Feldzug nach dem andern gegen Häretiker, Ketzer und Zweifler in den eigenen Reihen geführt. So verteidigte die Kirche etwas, das sie selbst gar nicht mehr besaß: Konsequente Reinheit einer ursprünglichen Lehre. Ein zusammengeschustertes Chaos aus allen religiösen und philosophischen Zerfallsprodukten der mediterranen und mitteleuropäischen Welt - das war die "Ekklesia" in den Tagen ihres Glanzes.
Den ersten Hinweis darauf, daß jegliche Art von Häresie im Grunde nicht ein innerkirchliches Phänomen sondern ein Rückfall in offenkundiges Heidentum darstellt, verdanken wir Dietmar v. Merseburg (975-1018).
 
 

IX. Im Zeitalter der Hexenjäger

Wenngleich es durch all diese Aktivitäten der Zwangsmissionierung kaum noch einen Ort in Europa gab, wo man heidnisches Brauchtum offen und ungestört praktizieren konnte, so kam doch dadurch das geistige Leben des Heidentums nicht zum Verlöschen. In der Stille der Nacht, in geheimen Hainen dunkler Wälder versammelten sich die Heiden zur Anbetung der alten Göttinnen und Götter nach wie vor.
     Und besonders in den weiblichen Priesterbünden Germaniens konzentrierte sich der Widerstand des Volkes, war doch j e d e r  Frau von vornherein die geistig-religiöse Arbeit in der kirchlichen Priesterschaft verwehrt. Die einzige Ausnahme bildete eine sklavische Existenz als Nonne hinter den undurchdringlichen Mauern eines Klosters.
     Durch diese besonders betonte Frauenfeindschaft des Klerus bildete sich in den Bünden der Hag-Idisen, auch Hexen genannt, ein besonders aktiver Gegenpol zur Kirche heraus. Sowohl im Bereich der Weitergabe alter Mythen und Legenden an die Kinder als auch in ihrer heilkundlichen Tätigkeit als Kräuterfrauen und Hebammen machten sich die Frauen unentbehrlich. Das stellte eine massive Konkurrenz für den "Seelsorger" dar, der auf diese Weise seinen Einfluß auf die Menschen mit den alten Priesterinnen teilen mußte. Und wenn wir den Erzählungen der Märchen als verdeckten geschichtlichen Quellen Glauben schenken, waren sie in allen Lebensbereichen präsent: Bei der Geburt eines Kindes erschienen sie als "Feen", die das Kind segneten und ärztlich versorgten. Am abendlichen Herdfeuer machten sie die Kinder und Heranwachsenden mit den alten Legenden des Volkes vertraut. Damit waren sier auch im Geistig- Seelischen ebenbürtige Kontrahenten der Priester, die nun versuchen mußten, in der sonntäglichen Predigt den "heidnischen Unflat" wieder auszubügeln.
     Natürlich ist die Existenz derartiger kultischer Frauenbünde von interessierter Seite öfter bestritten worden. Doch es gibt durchaus Hinweise, die so deutlich sind, daß wir dabei über bloße Vermutungen hinausgehen können. So polemisiert z.B. Burkhard von Worms (gest. 1025) in seinen Bußbüchern gegen den Glauben, "es könnten Weiber bei geschlossenen Türen ausfahren und reitend auf Bestien hoch in den Wolken einander Kämpfe liefern, Wunden austeilen und empfangen" (zit. b. Erich Jung, S. 210). Die isländische Edda und die Sagas sind voll von Erzählungen über Frauenbünde, die in der Luft reitend oder mit Schwanen- bzw.Falkengewändern fliegend die Toten ins Jenseits geleiten. Zugleich wird immer wieder deutlich, daß diese Frauen auch recht irdischer Natur sind und sich mit lebenden Männern verbinden können. Weiterhin bekannt sind Überlieferungen von Bünden priesterlicher weiser Frauen, die auf den Gipfeln heiliger Berge sitzen, wobei die Neunzahl eine herausragende Rolle spielt. Überall treffen wir dieses Bild an: Bei den griechischen Musen, bei den römischen Vestalinnen, bei den neun Müttern Heimdalls oder etwa bei den neun heiligen Frauen auf dem "Lyfjaberge", der im eddischen Fjöllswinnsmal von einem einsamen Helden erstiegen wird. Es sind zwei Merkmale, die wir bei all diesen Überlieferungen antreffen: Einmal die Unabhängigkeit und Abgeschlossenheit dieser Bünde und zum anderen ihre Konzentration auf die Pflege bestimmter Wissenschaften und Künste, wie etwa der Dicht- oder Heilkunst.
     Johannes Agricola (1494-1566) bringt die germanische Göttin Holda mit den Hexen in Zusammenhang, von denen er schreibt: "die auff dem mantel / bocke / rocken / dachtrogen vnd ofengabbeln zu frawen Unhulden farren". Und Erasmus Alberus erwähnt in seinem "Buch der Tugend und der Weisheit" im Jahre 1550 von einer Ansammlung von Frauen, "fraw Hulda" habe sie ausgesandt. Stephanus Lanzkranna, Propst von St. Dorotheen in Wien, veröffentlichte 1484 erstmals das Werk "Hymelstraß". Darin brandmarkt er als üble Abgötterei den Glauben an "der tyer begegnung, an gefunden ding, an die frawen bercht oder an die frawen holt, an herodiasis, an dyana, die heidenisch goettin oder tewfelin, an die nachtuarenden, an die bilweyß...". Ein Prediger namens Johannes Herolt hetzt in seinen sermones dominicales gegen jene, "die glauben, daß Diana, welche man in deutscher Sprache Frau Percht nenne, mit ihrer Schar des Nachts herumzustreifen pflege". Im Thesaurus pauperum von 1468 ist davon die Rede, daß viele an eine Ankunft mehrerer Weiber in den heiligen zwölf Nächten glauben, deren Anführerin die "Herrin Perchta" sei.Auch in einem hessischen Hexenprozeß von 1630 wird "fraw Holt" erwähnt.
     Die Belege im letzten Absatz verdanken wir dem Volkskundeforscher Peuckert, der in seinem Werk noch eine Fülle von Belegen zum Zusammenhang zwischen dem Hexenkult der beginnenden Neuzeit und volkstümlichen Geistwesen wie Holda, Percht und der sogenannten Bilwisfrau bringt (S. Peuckert, S.100-118). Warum diese ausführlichen Auszüge ?
     Es geht einfach darum, der kirchenamtlichen Geschichtslüge die Spitze abzubrechen, daß das Hexentum auch als heutiger zeitgenössischer Kult illegitim sei, da es eine reine Angstprojektion der Verfolger darstellte, oder ganz einfach nur auf Denunziation beruhte. Die geschichtlichen Grundlinien laufen aus der germanischen, keltischen und slawischen Religion direkt bis ins 15. Jahrhundert und münden hier in das Phänomen des "Hexenkults" ein. Letzterer beweist überdeutlich, daß es noch in dieser Zeit  gleichsam eine unterirdische heidnische Religiosität gegeben haben muß, deren Träger geheime Frauenbünde waren. Wobei der Gesichtspunkt der Geheimhaltung nicht im Wesen der Sache, sondern in der Intoleranz jenes Zeitalters begründet liegt.
     Eine besondere Spur hinsichtlich eines authentischen Hexenkults ergibt sich aus der sogenannten "Rockenphilosophie". Hierbei handelt es sich um umfangreiche Sammlungen über Vorstellungen und Praktiken der einheimischen Volksmagie. Die diesbezüglichen Werke, deren erstes gegen 1475 zu Brügge gedruckt wurde, verstanden sich als Niederschrift von Gesprächen zwischen Frauen und Mädchen in den Spinnstuben oder Rockenstuben.  Ausgaben entsprechender Bücher erschienen u.a. 1520 in Antwerpen, 1537 in England, 1537 in Deutschland ("Der alten Weiber Philosophey") bis hin zu einem Werk von Prätorius aus dem Jahre 1662.
          (Angaben nach dem HdA, Bd. 7, S.761).
     Eine Fülle von Angaben über Sympathie-Magie, Traum- und Sterndeutungsregeln sowie Verhaltensmaßregeln für die Jahresfeste können z.B. der 1987 in Leipzig nachgedruckten Ausgabe von Schmidts "Rockenphilosophie" von 1718/22 entnommen werden. Es handelt sich um insgesamt 600 Regeln und Weisheiten magischer Art, die zu belegen scheinen, daß die Versammlungen der Frauen während des Spinnens wirklich ein "Konservatorium" uralten Volkswissens darstellten.
     So konnte es nicht lange ausbleiben, daß die Kirche irgendwann einmal in massiver Weise gegen diese Form aktiven Volkswiderstandes vorgehen mußte, um nicht ihre eigene Existenz zu untergraben.
     Besonders scharf setzte die Verfolgung gegen Beginn des 15. Jahrhunderts ein - um diese Zeit beginnt sich auch in Südeuropa, in Italien der Geist des Heidentums neu zu regen: In der Renaissance wendet man sich wieder den alten Gottheiten der antiken Welt zu: Eine geistig-religiöse Revolution !      Es war eine Zeit, in der die Kirche sich in der Gefahr wähnte, ihre bisherige gesellschaftliche und politische Macht völlig einzubüßen - nur so kann man sich die heftige Reaktion ihres systematischen Mordterrors erklären. Schließlich hatte man ein halbes Jahrtausend lang, von  punktuellen Aktionen wie den Kreuzzügen einmal abgesehen, in erster Linie mit theologischer Propaganda, Verordnungen, Konzilsbeschlüssen und Predigten sowie der Beichtpraxis gegen die alte Religion gekämpft. Doch das 15. Jahrhundert schien den Überlebenstrieb der Kleriker zu heftiger Gegenwehr anzuregen. Es entstehen neue gesellschaftliche Klassen in den Städten, die ein relativ eigenständiges und unabhängiges Individualbewußtsein entwickeln. Es entstehen mit dem Buchdruck neue intellektuelle Verständigungsmittel, die  völlig außerhalb der üblichen Vermittlungswege (Kanzel und theologisches Seminar, Klosterschulen) existieren konnten. Es bricht mit dem Interesse der Akademiker an der antiken Metaphysik eine Sturzwelle magisch-esoterischer Praktiken über das Abendland herein, die sich ohne weiteres zu einer Ersatzreligion für die geistig Selbständigen hätten entwickeln können (Agrippa v. Nettesheim, Paracelsus, Pico della Mirandola, der Faust-Mythos). Das Zeitalter  der Entdeckungen beweist den Menschen, daß die Welt viel größer, farbiger und unberechenbarer ist, als es die mittelalterlichen Scholastiker erkennen konnten oder wollten. In dem Augenblick, als sich die Horizonte sichtbar auf neue Kontinente richten, verliert die dumpfe Enge des mittelalterlichen Ständesystems und das absolute Patronat der Kirche an Bedeutung. Es schrumpft zu einem nahezu wesenlosen Nichts zusammen !
     Sicher hat die Kirche mit dem ihr eigenen Machtinstinkt erkannt, wie überflüssig sie nun im Laufe der kommenden Jahrhunderte werden würde.
     Mit den Mitteln der Denunziation und systematischer Folter wurden Millionen von Frauen auf den Scheiterhaufen gebracht. Nach vorsichtigen Schätzungen Voltaires waren es ca. 20 Millionen Menschen, die durch den Terror der Kirche ihr Leben lassen mußten, wobei Kriege nicht berücksichtigt worden sind. Ungefähr 8 Millionen getöteter Hexen sind darunter, wobei sicher viele davon nur aufgrund von Denunziation getötet wurden, ohne eine bewußte Beziehung zur alten Religion zu haben. Nach Angaben von Gerlinde Schilcher müssen es etwa 9-11 Millionen Opfer gewesen sein (Rez. Heinsohn/Steiger, in: Alternativ-Magazin 5/85, Steinbach/Linz 1985, S.9)
     Manche aber wurden getötet, weil sie auf ganz naive Art und Weise ihre religiösen Erlebnisse schilderten: So berichtet Vulpius von dem Fall einer Frau in Großbritannien namens Talico-Peason, die bekannt hatte, mit der Elfenkönigin in Verbindung zu stehen. Sie gab an, an ihrem Hofe gewesen zu sein und dort geraubte Verwandte besucht zu haben. 1586 wurde sie für diese "Untat" verbrannt.
     Es ist einer der üblichen Irrtümer, den Protestanten besondere Toleranz und Menschenfreundlichkeit zuzuschreiben. Das es sich hier um reine Propaganda handelt, beweisen drei Fälle aus dem protestantischen Skandinavien: Im Jahre 1691 bekannte ein zweiundzwanzigjähriger Mann aus Markhärad, daß er an die volkstümlichen Legenden zwischen Menschen und "Waldfrauen" (eine Art Vegetationsgeist) glaube. Darauf legte ihm das Häradsgericht sträflichen Umgang mit einem solchen Geistwesen zur Last und schickte ihn aufs Schafott (Spiesberger, Elementargeister-Naturgeister, Freiburg i. Br. 1961, S.139). Wegen des gleichen Vergehens wurde noch 1701 einem anderen "Delinquenten" der Prozeß gemacht.
In Island wurden im Jahre 1626 zweiundzwanzig Personen wegen Zauberei lebendig verbrannt. Das erste Opfer dieses christlichen Massenmordes war ein Mann, in dessen Besitz man ein einziges Runenzeichen gefunden hatte ! (zit. b. Arntz, Handbuch der Runenkunde).
     Noch 1781 wurde in Spanien eine Hexe getötet, 1782 in der Schweiz und 1783 in Polen. Mitten im Zeitalter der Aufklärung ! Dabei ist zur Unehre des Christentums zu bemerken, daß sich Protestanten ebenso eifrig an der Hexenverfolgung beteiligten, wie die römischen Priester.
     Das verwundert uns auch  deshalb kaum, weil die Protestanten als besonders bibeltreue Christen in gehorsamer Nachfolge des Apostels Paulus eine betont frauenfeindliche Anschauung verteten mußten.
     Über die Geschichte der Hexenverfolgungen sind mittlerweile zahlreiche dickleibige Werke erschienen, die das historische Detail genauer schildern, als ich es in diesem Kapitel vermag.
     Hier ging es aber in besonderer Weise um den Zusammenhang mit der Geschichte der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends: Die Behauptung einer freiwilligen Aufnahme des Christentums bei den Stämmen und Völkern Europas wird umso unglaubwürdiger, wenn wir die Intensität der heidnischen Renaissance 200 bis 300 Jahre später bedenken !
     In der Tat waren ja Pruzzen und Litauer gerade erst bekehrt worden, als im Westen Europas bereits die ersten Hexenfeuer flackerten.
     Gerade diese historische Kontinuität beweist eindeutig, daß das Christentum immer nur von einer relativ dünnen Schicht von Adligen, Klerikern und später (im Protestantismus) Bildungsbürgern vertreten wurde. Das Volk, insbesondere in entlegeneren Gegenden, war eher bereit gewesen, den alten Göttern treu zu bleiben.
 
 

  IX. Globale Mission - Weltweite Kulturzerstörung

     Die Christianisierung Europas mag manchem zeitgenössischen Kosmopoliten von heute nur mehr ein müdes Lächeln abgewinnen.
     Wen interessieren schon diese geschichtlich abseitigen "Problemchen" angesichts der Ausbeutung und Verelendung in der dritten Welt ?
     Doch sollte man sich einmal mit aller Deutlichkeit klar machen, daß die Verknüpfung der wirtschaftlichen Gegebenheiten in Afrika, Südamerika und Asien mit den Vampiren des internationalen Kapitals nur der Endpunkt einer Versklavungsstrategie war, die im geistig-religiösen Bereich begann.
     Und auch die geistige Knebelung durch die Mission war überhaupt nur möglich, weil ganz Europa das Opfer einer menschenverachtenden, absolutistischen und feudalistischen Ideologie geworden war. So gesehen wurde Europa der Infektionsherd, von dem aus die ganze Erde in einen Strudel sadistischen Machtmißbrauchs gezogen wurde.
     Wir wollen natürlich nicht behaupten, daß alle nichtchristlichen Kulturen und Gesellschaftsordnungen Ausdrucksformen reiner Menschlichkeit gewesen seien. Das wäre zweifellos naiv. Und dennoch bleibt es festzustellen, daß durch das Christentum um Verstand und Instinkt gebrachte Europäer die prachtvollen Kulturen der Inkas, Mayas und Azteken zerstört haben.
     Daß sie zahllose, in paradiesischer Harmonie lebende, wahrhaft noch naturverbundene Stämme knechteten und der Vernichtung preisgaben.
     So bleibt letztlich die Überzeugung zurück, daß eine gerechte Weltordnung nur verwirklicht werden kann, wenn auch die Europäer aus dem Zustand ihrer religiösen Unmündigkeit in einen Zustand der naturreligiösen Befreiung treten. Solange auch wir noch an den "Großen Bruder" im Jenseits glauben, der jede unserer Regungen beobachtet, werden wir nicht den Menschen in anderen Erdteilen die ihnen gebührende Freiheit zurückgeben können. Denn die global-autoritäre Aufsicht über die Völker, wie sie z.B. der internationale Währungsfond und die Weltbank ausüben, entspricht genau diesem "Gottvater-Modell", ist also eine permanente angebliche Hilfestellung auf der Grundlage vorgetäuschter Nächstenliebe.
     Als Christoph Kolumbus 1492 in Amerika landete, tat er es nicht nur als goldgieriger Abenteurer, sondern auch als Abgesandter der spanischen Königin Isabella, die in ihrem Lande Schutzherrin der Heiligen Inquisition geworden war. Die Tatsache, daß die einheimischen Bewohner des neuen Kontinents  keine Christen waren, führte zu der Betrachtungsweise, daß man sie eben eigentlich auch nicht als Menschen betrachten konnte. Bereits drei Jahre nach seiner famosen "Entdeckung" führte Columbus persönlich einen Feldzug mit einigen Rittern, zweihundert Fußsoldaten und dressierten Bluthunden gegen die Eingeborenen von Santo Domingo.
     Über fünfhundert von ihnen wurden nach Spanien verschifft und in Sevilla als Sklaven verkauft. Da es gegen diese Art von Behandlung auch theologische Proteste gab, rückversicherten sich die Eroberer auf theologischer Basis: Es bestand, zumindest juristisch gesehen die Möglichkeit für die Indianer, der Versklavung um den Preis des Bekenntnisses zum Katholizismus zu entgehen. Also auch hier, wie bei den alten europäischen Stämmen, eine Aufforderung zum Glaubenswechsel mit gezogenem Schwert.
     Dabei wurde ihnen (in spanischer Sprache, ohne Dolmetscher !) folgender Aufruf vorgelesen, der an Deutlichkeit und Entschlossenheit kaum zu überbieten ist: "Wenn ihr es nicht tun solltet oder es bösartig verzögert, bestätige ich euch, daß ich mit Gottes Hilfe machtvoll bei euch einziehen und Krieg gegen euch führen werde, wo immer und wie immer ich könnte, und daß ich euch dem Joch und der Gehorsamkeit zur Kirche und zu seiner Majestät unterwerfen, eure Frauen und Kinder nehmen und sie zu Sklaven machen und als solche verkaufen und über sie verfügen werde, wie seine Majestät es befehlen, und daß ich eure Güter nehmen und euch alle Übel und Schäden zufügen werde, die ich könnte..." (Galeano, S.34).
     Und Galeano meint auch: "Das Epos der Spanier und der Portugiesen in Amerika verknüpfte die Verbreitung des christlichen Glaubens mit der unrechtmäßigen Inbesitznahme und der Plünderung des Reichtums der Eingeborenen" (S. 36). Die Eingeborenen, die von den goldgierigen katholischen Konquistadoren zu unmenschlicher Zwangsarbeit gezwungen wurden, töteten ihre eigenen Kinder und begingen reihenweise Selbstmord.
     Sicher wäre es ungerecht, wenn wir das Christentum verantwortlich für die Goldgier von Cortez und Pizarro machen würden. Wenn es in den Tempeln der Inkas und Mayas massenhafte Zerstörung von Götterbildern und Kultgegenständen gab, so hatte dies vordergründig ökonomische Gründe, da man dem Gold eine handliche Barrenform geben wollte. Und dennoch muß man sich die Frage stellen, ob es nicht die mitreisenden Geistlichen auch von sich aus getan hätten, nur um der fremden Religion Abbruch zu tun. In jedem Fall erhebt sich widerum das Problem der "christlichen Nächstenliebe", von der wir in der ideologisierenden Rechtfertigung des millionenfachen Völkermordes nicht das Geringste verspüren. Man schätzt, daß es vor dem Einfall der Europäer  bei Azteken, Inkas und Mayas eine Gesamtbevölkerung von mindestens siebzig bis neunzig Millionen gab. Innerhalb von anderthalb Jahrhunderten war diese Bevölkerung auf nur  dreieinhalb Millionen zurückgegangen ! Die Ursachen: Kriege, Seuchen europäischer Herkunft, Zwangsarbeit und Hunger durch Vertreibung.
     Schließlich mußten die ausgerotteten Eingeborenen Süd- und Mittelamerikas ersetzt werden durch Sklaven des afrikanischen Kontinents. In dem kolumbianischen Hafen Cartagena wurden die schwarzen Neuankömmlinge zuallererst getauft, um anschließend an die Meistbietenden verschachert zu werden. So gingen Christentum und Menschenhandel Hand in Hand über Leichen.
     Gab es für dieses Verbrechen wirklich eine offene Rechtfertigung ?
     Nun, der Graf von Buffon bezeichnete die Indianer als kalte und schwache Tiere, bei denen "keinerlei Anzeichen von Seele festzustellen seien". Sogar Voltaire vertrat noch die Überzeugung, daß die Indianer faul und dumm seien. Im 17. Jahrhunert vertrat Pater Gregorio Garcia die Auffassung, daß die Indianer aufgrund eines angeblich jüdischen Ursprungs "faul seien, nicht an die Wunder Jesu Christi glaubten und den Spaniern nicht für all das Wohl, das diese ihnen erwiesen hätten, dankbar seien". Zwar hatte Papst Paul III. im Jahre 1537 eine Bulle erlassen, in der die Indianern großzügigerweise zu "echten" Menschen erklärt wurden. Doch erstens gab es zahlreiche Theologen, die dieser Aussage nicht zustimmten. Und außerdem zeigt ja schon die bloße Erörterung eines solchen Themas, daß es einen theologisch motivierten Rassismus g a b, der die Indianer nur aufgrund ihrer andersartigen religiösen Tradition zu Untermenschen machte. So bemerkte im Jahre 1557 ein Mitglied des (spanischen) Königlichen Rates, daß sich die Indianer auf einer so tiefen Stufe der menschlichen Entwicklung befänden, daß sie unfähig seien, der Gnade des Glaubens teilhaftig zu werden.
     Noch im Jahre 1957 waren in Paraguay Restbestände dieser Einstellung vorhanden: Eine Umfrage der Universität Asuncion ermittelte, daß von zehn Paraguayanern acht der Meinung wären, daß "die Indios wie Tiere" seien.
     Das, was die portugiesischen und spanischen Kanonen nicht im ersten Anlauf erreichten, nämlich die intensive Erschließung und Durchdringung verborgenster Winkel in Bergregionen und Regenwäldern - dies leisteten die Jesuiten mit ihrem schlauen diplomatischen Vorgehen. Sie lernten die Sprachen der Stämme, lebten mit ihnen zusammen, gründeten landwirtschaftliche Gemeinschaften und Schulen. Es wäre ein tödlicher Fehler, darin eine Manifestation christlicher Nächstenliebe zu sehen, "...denn erst wenn die mißtrauischen und scheuen Eingeborenen für die Kirche gewonnen waren, wurden sie damit auch zu brauchbaren und verläßlichen Sklaven der Europäer" (Fülöp-Miller, S. 343).
     Ein besonders zweischneidiges Schwert war der "Jesuitenstaat" in Paraguay, wo die Jesuiten zu Beginn des 17. Jahrhunderts ein "kommunistisch" anmutendes Gemeinwesen aufbauten. Zwar schützten sie damit die Eingeborenen vor dem Terror der iberischen Sklavenhändler, zerstörten aber zugleich deren unbeschwertes Leben als frei schweifende Jäger und Waldbewohner. Man führte die Indios in die Zivilisation ein, das heißt, sie wurden in landwirtschaftliche und handwerkliche Produktionsprozesse eingespannt, die ihren bisher ungebundenen Lebenswandel einem genau organisierten Reglement unterwarf. Und das alles hatte begonnen unter Ausnutzung naturmenschlicher Naivität mit musikalischen Darbietungen, mit denen die ersten Missionare die Einheimischen angelockt hatten ! Wen sollte es nicht aufhorchen lassen, wenn selbst ein um Objektivität bemühter Autor wie Fülöp-Miller schreibt, die "angeborene Arbeitsscheu" der Indianer sei durch das unaufdringliche jesuitische Wirken zielgerichtet überwunden worden, wodurch "eine regelrechte Industrie" entstanden sei. Nun, in den Zwanziger Jahren konnte man solchen Schwachsinn noch schreiben. Heute ist uns viel stärker bewußt, welche kollektiven seelischen Zerstörungen und vernichtende Einflüsse auf die Natur die Industrialisierung hervorgebracht hat.
     Auch in Nordamerika sah es nicht sehr viel menschenfreundlicher aus. Die englischen Puritaner, die 1620 in Massachusetts eingewandert und der Liquidation in der alten Heimat um ein Haar entronnen waren, begannen alsbald, ihre besonders stark am alten Testament orientierte Einstellung in die Tat umzusetzen: Der theologisch motivierte Historiker spricht von "greuelvollen Kämpfen", "Glaubenskriegen", mit denen die Christianisierungsarbeit der Pilgerväter unter den nordamerikanischen Indianerstämmen einherging (Rel. i. Gesch. u. Gegenwart, S.1556, Tübingen 1927).
     Es wäre etwas großzügig, würde man die nahezu vollständige Zerstörung einer eigenständigen indianischen Kultur als Ergebnis einer "üblichen" kulturellen Auseinandersetzung betrachten, wie sie sich bei Völkerwanderungen größten Ausmaßes oft einstellen.
     Gerade dies ist eben aufgrund der spezifischen Ideologie der Mayflower-Emigranten nicht der Fall. Es war gerade ihre vom Alten Testament her geschulte Ausrottungsstrategie, die das Fremde nicht verstehen oder ergründen wollte sondern es als bedrohliche, heidnische Verführung um jeden Preis vernichten mußte.
     Der eindeutige Beweis für die biblisch- christlich begründete Ursache der Ausrottungspolitik zeigt sich in der Einstellung der katholischen Franzosen im Mississippi-Gebiet, deren Einstellung den Indianern gegenüber weitaus weniger verbohrt, wesentlich liberaler und eher auf Zusammenarbeit als auf Ausrottung ausgerichtet war. Schließlich wissen wir eben auch, welchen wesentlich größeren Stellenwert das Alte Testament für die protestantischen Puritaner im Gegensatz zu den Katholiken der Neuzeit hatte. Aus all dem können wir, im Zusammenhang mit den Erkenntnissen aus Kptl. II (Ideologische Grundlagen) die Schlußfolgerungen ziehen.
     Allerdings war der späteren Ausrottungspolitik der Puritaner noch eine andere Phase vorangegangen, bei der  in erster Linie mit der Methode arglistiger Täuschung gearbeitet wurde. Die Neuengland-Kolonie Virginia mit der Hauptstadt Maryland war zunächst eine katholische Gründung gewesen. Mit Angelgeräten und Zuckerwerk hatten sich die Jesuiten hier an die örtlichen Häuptlinge herangemacht, und sie mit derart lächerlichen Lockmitteln zur Annahme der fremden Religion und zur Aufgabe ihrer einheimischen Lebensformen, wie z.B. der Polygamie veranlaßt. Auch bei der späteren Bekehrung der kanadischen Huronen brach man polygame Lebensformen, indem man die christliche Eheschließung mit einem verlockend prachtvollen Ritus versah: So human diese jesuitischen Praktiken auch erscheinen mögen, so verbrecherisch ist doch an ihnen der Mißbrauch des sensiblen Gemüts der Eingeborenen, ihrer natürlichen Naivität. Bald gerieten die katholischen Neuengland-Siedler dann aber in eine Minderheit gegenüber den protestantischen Farmern. Und diese setzten zur "Lösung der Heidenfrage" eher auf offenen Terror als auf indirekte Täuschungsmanöver.
     In der praktischen Realität spielte sich die Behandlung der Ureinwohner durch die Kolonisatoren als eine Art Menschenjagd ab, getreu dem Grundsatz: "Jeder Indianer ist ein schlechter Indianer, nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer." Was sollte man auch von Menschen erwarten, die in ihrem Staat Massachusetts Hexen verbrannten und öffentliche Küsse zwischen Verheirateten unter Strafe stellten ! So wurden auch behördliche Kopfpreise für erlegte Indianer festgesetzt, bei hundertstückweiser Ablieferung von Köpfen Getöteter begnügte man sich schließlich auch mit dem "Skalp". Im Jahre 1689 erhielt ein Kolonist 8 Pfund für den Skalp eines indianischen Kriegers, ein Gesetz vom 7.März 1707 legte sogar einen Preis von 100 Pfund pro Skalp fest. Alles zur höheren Ehre Gottes.
     Bis zum Jahre 1849 war das Kriegsministerium in Washington die eigentlich zuständige behördliche Instanz für Indianerfragen. 1890 führte man einen Ausrottungskrieg gegen die Sioux, in dem es zu dem mörderischen Gefecht von Wounded Knee in South Dakota kam. Zweihundert fliehende Frauen, Kinder und Säuglinge wurden bei dieser Gelegenheit von amerikanischen Soldaten brutal abgeschlachtet.
     Auch in Indien, Ostasien und Afrika strebte man eine umfassende Zwangschristianisierung an, die im britischen Kolonialismus von puritanischer Frömmigkeit und im französischen Imperialismus vom Katholizismus getragen wurde.
     Selbst Kirchenhistoriker müssen zugeben, daß man es "an Gewalt und Bestechung der Häuptlinge nicht fehlen ließ, um Taufen herbeizuführen" (Die Religion in Geschichte u. Gegenwart, S.1556, Tübingen 1927), hier als Anmerkung zur Tätigkeit der "Ostindischen-Kompanie"-Handelsgesellschaft.
     Louis Jacolliot weist in seinem Werk "Bibel in Indien" darauf hin, daß jesuitische und franziskanische Missionare in Indien jedes Manuskript und Sanskritwerk, das ihnen in die Hände fiel, sofort den Flammen übergaben. Dabei fiel ihre Wahl insbesondere auf solche Werke, die berechtigten Anspruch auf höchstes Altertum und unanfechtbare Echtheit erheben können. Angeblich hätte auch jeder neue Missionar den Befehl von seinen Ordensoberen erhalten, alle Schriften auf diese Weise so zu behandeln, die ihnen auch nur in die Hände fallen würden (zit. b. N. Chidambaram Iyer, Das große Buch der Nativitätslehre, übersetzt v. Wilhelm Wulff, Hamburg 1925, S.6).
     In der nie auch nur in Ansätzen gelungenen Missionierung Indiens ging man ganz ähnlich vor, wie im alten Europa. Es wurden politische und militärische Streitigkeiten ausgenutzt, die man geschickt zur Überredung verwendete.
     Die Portugiesen hatten bereits Anfang des 16. Jahrhunderts in Indien Fuß gefaßt und auch prompt mit der Christianisierung begonnen, wobei zunächst noch ein gewisses Nebeneinander zwischen einheimischen Religionen wie dem Hinduismus und dem Christentum herrschte. Das Land war einfach zu groß und unergründlich, um es in einem Atemzug zu "schlucken". Also mußte man behutsam, Schritt um Schritt vorgehen.
     Da gab es zum Beispiel den winzigen Volksstamm der Paraver, der an der indischen Südküste lebte und nur rund 20 000 Menschen zählte. Sie wurden von mohammedanischen Kriegern bedrängt und baten deshalb die Portugiesen um militärische Hilfe. Sie wurde auch gewährt - um den Preis des Übertritts zum Christentum. Es wurde eine Massentaufe mit für die Eingeborenen unverständlichen lateinischen Formeln durchgeführt, und die fremden Eroberer konnten das Volk der Paraver als "christlich" verbuchen.
     Dem Jesuiten Franz Xavier (1506-1552) war diese Art des Vorgehens natürlich viel zu oberflächlich. Er "vertiefte" die Arbeit seiner Vorläufer, indem er sich zunächst einmal an die paravischen Kinder heranmachte. Diesen wurde in spielerischer Weise Katechismus und Ave Maria beigebracht, wobei sich als erster Erfolg registrieren ließ, daß sie unter seiner Anleitung die Statuen der Götter zerschlugen und zertraten. Überall, wo der Missionar von neuen "Götzendienereien" hörte, versammelte er die Kinder des Ortes um sich, um sie anschließend aufzuhetzen. "Die Verunglimpfungen, die der Teufel von den Kindern erfährt, sind größer als die Ehren, welche die erwachsenen Heiden ihm erweisen". So Xavier in einem seiner "Erfolgsberichte".
     Den Bewohnern der Insel Homoro erzählte er, die dort zahlreich vorhandenen Vulkankrater seien die Schornsteine der Hölle und "weiter unten" würden die Götzenanbeter bis in alle Ewigkeit gesotten.
     In Candy auf Ceylon stiftetete Franz Xavier wiederum die Kinder dazu an, buddhistische Reliquien zu verstecken und eine alte Kultstätte mit der Fußspur Buddhas zu zerstören. Man sollte meinen, daß  vielleicht doch irgendwann Unmut über das dreiste Treiben des Jesuiten entstehen würde. Doch die einheimischen Fürsten fühlten sich viel zu sehr angewiesen auf die teilweise auch für örtliche Aufstände angeforderte militärische Hilfe, die Portugal ihnen angedeihen ließ.
     Nach nur sechs Jahren hatte die Kirche Roms dank Xavier und seinen Jesuiten mehr als zwanzig gut organisierte Stützpunkte in ganz Indien, von denen aus er die Verdummung des Subkontinents zu organisieren gedachte.
    Bald aber eröffnete sich ihm ein noch interessanteres Missionsfeld: Er lernte einen Mann namens Anjiro kennen, der aus Japan kam und dort wegen eines von ihm begangenen Mordes die Flucht ergreifen mußte. Reumütig und zerknirscht sog er die christlichen Mären von Schuldvergebung und Sündenerlaß in sich auf und wurde damit ein williges Objekt jesuitischer Beichtpsychologie. Xavier erfuhr von ihm eine Menge über die Mentalität der Japaner und erlernte von ihm auch die japanische Sprache.
     Kaum in Japan gelandet, erweckte Xavier sofort die Aufmerksamkeit eines regionalen Fürsten, des Daimyo Schimatsu Takahisa. Dieser erblickte in dem Jesuiten und seiner portugiesischen Gefolgschaft einen willkommenen Lieferanten der damals in Japan noch unbekannten Gewehre. Und gegen diese exzellente Gabe zwecks Befestigung seiner Herrschaft ließ er sich ganz im Sinne des üblichen Kuhhandels auf die Übernahme der fremden Religion ein. Seine Beamten und viele seiner Untertanen folgten ihm darin nach.
Als problematisch empfand es Xavier allerdings, daß die Japaner recht skeptische Zuhörer waren, die zahlreiche, überaus kritische Fragen stellten. So wollte es ihnen beispielsweise einfach nicht einleuchten, daß es eine ewige Verdammnis gebe und warum Gott nach christlicher Auffassung das Böse zulasse.
     Als nun die versprochenen portugiesischen Handelsschiffe mit der erhandelten "Ware" ausblieben, wurde der Daimyo mißtrauisch: Nachdem Xavier durch gewandte Dialektik in endlosen Predigten und Diskussionen neue Anhänger gewonnen hatte, wurde ihm  bei Todesstrafe jede weitere Bekehrung Einheimischer zum Christentum verboten.
     Doch bemühte er sich auch andernorts, Anhänger für seine Lehre zu finden, wobei er sich mit Hilfe portugiesischer Händler mit einer ungeheuren Prachtentfaltung und gespieltem Luxus an die mächtigsten Fürsten heranmachte. Bei diesen Gelegenheiten beschenkte er sie mit Uhren, Augengläsern, Musikinstrumenten, also den damals neuesten und gängigen Konsumobjekten der europäischen Zivilisation, was meist Neugier und Erstaunen hervorrief. Dafür erhielt er dann die Möglichkeit, Edelleuten und Hofbeamten das Christentum zu predigen. Dabei bediente er sich mitunter einiger kleiner Tricks.
     So hatte er auf Anraten seines Bekannten Anjiro seinen eigenen Gott mit dem japanischen Begriff für Gott "Dainitschi" bezeichnet. Erst später fiel ihm auf, daß sich für die Japaner dahinter eine völlig andere Vorstellung verbarg, so daß er von nun ab nur noch von "Deus" sprach und "Dainitschi" öffentlich als Ausgeburt Satans diffamierte. Solcherlei Ausführungen führten zu spürbaren Rückzügen der zunächst so freundlich Gesonnenen und trugen ihm erbitterte Gegnerschaft ein.
     Als Xavier spürte, daß er hier nicht weiterkam, wandte er seinen Blick nach China. Ihm wurde klar, daß Japan in vielerlei Hinsicht von den Chinesen abhängig war. So berichtete er in einem seiner Briefe nach Portugal: "Wenn die Chinesen einmal das Christentum angenommen haben werden, wird dies auch für die Zerstörung der japanischen Sekten von großem Vorteil sein...China muß gewonnen werden wie einst das römische Reich: Mit der Bekehrung des Königs wird auch das Volk nachfolgen."
     Es blieb bei den großen Plänen. Als ihn ein chinesischer Schmuggler gegen die Bestechungssumme von zwanzig Zentnern Pfeffer heimlich nach Kanton geschleust hatte, wartete Xavier dort vergeblich darauf, daß ihn dieser wieder abholte, um ihn weiter ins Landesinnere zu leiten. Schließlich wurde er krank, fiel in Delirien und wurde daraufhin vermutlich wahnsinnig. Wie soll man sich sonst erklären, daß er in seinen letzten Tagen plötzlich wahllos in verschiedenen Sprachen vor sich hin predigte, bis er letztendlich, sprachlos geworden, verstarb ? Vermutlich konnte er es nicht verwinden, daß ihm die Krönung seiner Missionarskarriere verwehrt blieb. Ein Größenwahnsinniger, dem die listenreiche und fanatische Propaganda für seinen Glauben zur unstillbaren Sucht wurde.
     Was Xavier anfangs bei seiner Indienmission völlig übersehen hatte, war die herausragende Bedeutung der brahmanischen Priesterkaste für die hinduistische Gesellschaft und Religion. Deshalb war  einem seiner Nachfolger, dem italienischen Jesuiten Robert de Nobili klar geworden, daß hier der Schlüssel zur Bekehrung Indiens liegen mochte.
     Also hüllte er sich in brahmanische Gewänder und kreuzte eines Tages in der südindischen Stadt Madure auf, um den dort lebenden Brahmanen weiszumachen, er sei ein Brahmane aus dem fernen Rom und hätte das Bedürfnis gehabt, seine Brüder im fernen Indien kennen zu lernen.
     Da de Nobili sich in den heiligen Schriften der Brahmanen, den Veden, in ihrer Sprache und auch Musik hervorragend auskannte und mit ihnen ausgiebig und mit großer Sicherheit disputieren konnte, erwarb er bald das größte Vertrauen. Er soll es soweit gebracht haben, daß  die Brahmanen ihn als ihresgleichen betrachteten.
     Unmerklich aber beharrlich ließ er schließlich in seine gelehrten Unterredungen Bemerkungen dergestalt einfließen, daß es doch manche Übereinstimmungen zwischen den heiligen Schriften Indiens und den christlichen Lehren gäbe. Doch gäbe es eben einige christliche Ideen, die die Wahrheit noch weitaus klarer und überzeugender darstellten, als die brahmanische Lehre. Und auf diese Art und Weise brachte er eine ganze Reihe von führenden Brahmanen dazu, sich taufen zu lassen. Offensichtlich ohne daß sie merkten, wie de Nobili sie verkohlt hatte.  Vielleicht fehlte ihnen auch nur jede Vorstellung von derartiger Verstellungskunst und Raffinement.
     Eine andere Gruppe von Jesuiten wies er an, sich als Yogis zurechtzumachen, um in diesem Aufzug auch die niederen Kasten bis hin zu den Parias missionieren zu können. So hatten es schließlich sieben als Yogis und zwei als Brahmanen kostümierte Jesuiten erreicht, in jenem Landstrich über vierzigtausend Menschen zu "bekehren".
     Als sich in Japan die politischen Verhältnisse zugunsten einer stärkeren Zentralmacht zu wandeln begannen, witterten die Jesuiten auch hier Morgenluft. Der Daimyo Oda Nobunaga hatte seine Macht so stabilisiert, daß er die verfallene Stadt Miako zu einer prunkvollen Residenz machen konnte. Bei seinen Machtkämpfen hatte er sich die Feindschaft verschiedener buddhistischer Würdenträger zugezogen. Das bot den Jesuiten natürlich einen exzellenten Anknüpfungspunkt für ihre schäbigen Intrigen.
     Besagter Daimyo muß von den jesuitischen Bemühungen derartig fanatisiert gewesen sein, daß er umfangreiche Konzessionen für neue Kirchen und Missionshäuser mit dem Niederbrennen buddhistischer Klöster verband. Dieser christliche "Kultivierungsprozeß" wurde noch dadurch ergänzt, daß er persönlich seine eigenen Götterbilder zertrat und buddhistische Priester einkerkern ließ.
     Als dieser Herrscher schließlich durch einen anderen abgelöst wurde, wendete sich das Blatt drastisch: Einige spanische Händler hatten ausgeplaudert, daß die Entsendung von Priestern der erste Schritt für die Unterwerfung eines Landes unter die spanische Krone sei. Dieses Bekenntnis wirkte auf den Daimyo Toyotomi Hideyoshi so schockierend, daß er die Ausrottung des Christentums beschloß. Sein Nachfolger erließ noch strengere Maßnahmen gegen die nunmehr als gefährlich empfundene Religion, ließ die katholischen Kirchen verbrennen und sogar einige Jesuiten kreuzigen. Damit war Japan um das Jahr 1600 für die christliche Mission erledigt.
     Mit der alten Masche, dem kostümierten Etikettenschwindel, eröffnete der Jesuit Matteo Ricci eine neue Missionsoffensive in China. Verkleidet als ein vornehmer Mandarin namens Li gaukelte er den Chinesen vor, ein Gelehrter der Naturwissenschaften zu sein, was die diesbezüglich sehr interessierten Chinesen sofort anzog. Seinen missionarischen Stützpunkt in Kanton stattete Ricci im Stil eines naturwissenschaftlichen Kabinetts aus. Die zahlreich bei ihm verkehrenden chinesischen Gelehrten wurden mit den Erkenntnissen der europäischen Mathematik, Geographie und Astronomie konfrontiert. Nur hin und wieder einmal, so ganz beiläufig, ließ Ricci eine Bemerkung über die "europäische Religion" fallen, ließ irgendwo in seinem Kabinett ein Muttergottesbildchen herumliegen, was die Neugier der chinesischen Gäste anregte und beflügelte.
     Und so gelang es ihm in zäher Kleinarbeit, einige wenige Chinesen zum Christentum zu bringen - in erster Linie angeregt durch scheinbare Übereinstimmungen und Parallelen zwischen alten chinesischen Weisheitslehren und christlichen Dogmen.
     Natürlich war es klar, daß ein dauerhafter Missionserfolg nur eintreten könnte, wenn man den Herrscher des Reiches der Mitte bekehren würde.
     Ricci ging auch dieses Problem mit einer unfaßbar dünkenden Dreistigkeit an: Er ließ dem  Kaiser von China eine kunstvolle Uhr zukommen, deren Funktionsweise von einer umfassenden technischen Beratung abhängig war: Auf diese Weise verschaffte er sich Zutritt zum kaiserlichen Palast. Und bald war der Sohn des Himmels so erbaut von Riccis naturwissenschaftlichen Plaudereien, daß dieser sich regelrecht unentbehrlich machen konnte. Mit europäischen Kinkerlitzchen aus der Welt der Technik folgten dann Reliquienschreine und Heiligenbilder - und so funktionierte auch hier, im Zentrum der Macht, der jesuitische Bekehrungsrummel.
     Kleinlaut geäußerte Kritik hoher Würdenträger an der enormen Machtstellung der neuen fremden Priester wurde mit Hinweis auf die Unfehlbarkeit kaiserlicher Erkenntnis im Keim erstickt. So wurden die Jesuiten mit einer Kalenderreform beauftragt, lehrten das Gießen von Kanonenkugeln zur Abwehr tatarischer Invasionen und bauten ganz nebenbei hunderte von Kirchen.
     Der nächste Kaiser Kang-hi, der die Mandschu-Dynastie begründete, brachte den Patres ein ähnlich großes Vertrauen entgegen. Wieder erwiesen  sie sich als unentbehrlich, indem sie diplomatische Verhandlungen mit dem Zarenhof für den Kaiser führten und ihn mit Heilmitteln aller Art versorgten. In der kaiserlichen Familie gab es Taufen am laufenden Bande und zuguterletzt wurde dem wegen einer Lungenentzündung sterbenden Kaiser noch ein Glas des besten Meßweins als "Blut Christi" eingeflößt.
     Die nächsten beiden Mandschu-Kaiser waren der christlichen Botschaft weitaus weniger aufgeschlossen. Im Gegenteil ! Nun wurden wieder die Kirchen niedergerissen und über dreihunderttausend chinesische Christen zur Abschwörung gezwungen. Den einheimischen Zeremonienmeistern war aufgefallen, daß die christliche Lebensweise ihre eigenen Gesetze hatte und meist mit einem totalen Bindungsverlust an die alten Bräuche einherging.
     Doch gelang es den tückischen Brüdern der Societas Jesu erneut, sich in die Gunst der Herrschenden einzuschmeicheln. Einmal waren sie als diplomatische Unterhändler mit Rußland tatsächlich vollkommen unabkömmlich. Und schließlich hatten sie entdeckt, daß der augenblickliche Kaiser Kien-long einen besonderen Spleen hatte: Er liebte über alles Dekorationsmalerei, Gartenbau und Kunsthandwerk. Und so schulten sich die Jesuiten intensiv zu Landschaftsgärtnern, Malern und Kupferstechern um, damit sie die luxusorientierten Bedürfnisse des Kaisers unverzüglich befriedigen konnten. Auf diese Weise gewannen sie auch wieder Zutritt zum Palast, konnten dann auch schon hin und wieder einmal ein Bittgestell zugunsten verfolgter Christen loswerden, wenn ihnen ein Porträt oder Historiengemälde gut gelungen war.
     Mit welchem Raffinement die Jesuiten bei ihrer Christianisierungsarbeit vorgingen, zeigt allein die Tatsache, daß sie ihren Konvertiten sowohl die Kreuzigung Christi verheimlichten, als auch den chinesischen Ahnenkult weiterhin bei Neubekehrten zuließen. Der Kreuzigungstod eines Gottes wäre nach chinesischer Auffassung etwas Schändliches gewesen und konnte deshalb unter keinen Umständen Anknüpfungspunkt für eine Bekehrung sein. Und der Ahnenkult schließlich war so verwurzelt im chinesischen Volk, daß ein Kampf dagegen gleichbedeutend mit Identitätszerstörung gewesen wäre.
     Als diese Art taktischer Maskierung der fernöstlichen Mission in Europa bekannt wurde, gingen ultradogmatische Kräfte, wie die Dominikaner, auf die Barrikaden. Man glaubte allen Ernstes, daß es auch in China möglich sein würde, das Christentum wie bei den europäischen Stämmen zur Macht zu bringen. Als schließlich ein päpstlicher Legat an den Hof des Kaisers Kang-hi kam, um dort ein Verbot des Ahnenkultes zu erwirken, erhielt er logischerweise eine ärgerliche Abfuhr.
     Das 19. Jahrhundert, das den Europäern durch die unbegrenzte Technisierung und Industrialisierung den umfassendsten Seelenmord bescherte, riß gleichzeitig auch alle anderen Kontinente in einen gigantischen Vernichtungsstrudel. In der Tat: Wenn es so etwas wie Karma wirklich gibt, müßten wir uns vor seinen Folgen für unser Tun noch wesentlich mehr fürchten, als vor einem Weltuntergang. Dieses Jahrhundert, das als Zeitalter des Imperialismus in die Annalen der Geschichte einging, wurde noch in den Zwanziger Jahren als "Jahrhundert der Weltmission" gefeiert (Rel. i. Gesch. u. Gegenw.,S.1557,Tbg.1927). Der selbe Autor ist aber ehrlich genug, um schließlich zuzugeben: "Leider hat man auch im 19.Jhdt. noch hier und da staatliche Gewalt in Anspruch genommen, um das Werk der Christianisierung zu stützen und zu fördern."
     Dieser Versuch ist im Großen und Ganzen mißlungen, dennoch hat sich an der Haltung der Kirche nicht das Geringste geändert.
     Und der Drang nach weltweiter Verbreitung der Technik und der europäischen Vorstellung von Wirtschaft und Gesellschaft hat mächtige Impulse aus der Überzeugung erhalten, die wahre Religion zu besitzen, was die Vernichtung der stammesbezogenen Autonomie noch beschleunigte.
     Zur Zeit ist unter anderem das Papsttum die geistige und gesellschaftliche Weltmacht, die eine vernünftige Lösung der Probleme in Afrika, Asien und Lateinamerika ständig unterminiert, indem beispielsweise die Empfängnisverhütung zur natürlichen Familienplanung verhindert wird.
     Während der Katholizismus dergestalt die Menschen an der Wahrnehmung von Naturgesetzen hindert, tut es der protestantische Fundamentalismus der im IWF und der Weltbank vertretenen Funktionäre auf seine Weise: In biblisch- protestantischer Zwanghaftigkeit zwingt man die außereuropäischen Länder dazu, ihren eigenen Bedürfnissen westliche Wirtschaftsstrukturen überzustülpen. Der Ausgangspunkt dieser ganzen Denkweise ist das Nützlichkeitsstreben und die geforderte Selbstdisziplinierung im Rahmen des protestantischen Arbeitsethos.
     Eine Bewältigung der hier nur grob skizzierten Probleme ist nicht in Sicht - vielmehr scheint es, als wenn nur eine apokalyptische Katastrophe den Ausblick auf eine neue Welt eröffnen würde. Ist das Christentum damit Verursacher einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung ?
 
 

X. Gegner freier Stammeskulturen

 Es ist sicher wesentlich, darauf hinzuweisen, daß die Zwangschristianisierung nicht nur ein Problem der Konfrontation eines fremden exotischen Klerus mit einem heimat- und stammeskulturgebundenen Volk gewesen ist.
 Bei all dem dürfen wir nicht vergessen, welche radikalen Fehlentwicklungen z.B. die germanischen Stämme in ihrer gesellschaftlichen Entwicklung seit Beginn der "Völkerwanderung" durchgemacht hatten.
 Schließlich war es ursprünglich so gewesen, daß über alle wichtigen politischen Entscheidungen, das heißt in Bezug auf alle Dinge, die die Gemeinschaft betrafen, gemeinsam in der Thing-Versammlung beraten wurde.
 Es wurden Mehrheitsentscheidungen getroffen und es gab zuvor über das Für und Wider einer Entscheidung freie Aussprachen zur Klärung der Lösungsmöglichkeiten. Sicher war dieses Verfahren für eine friedlich lebende, seßhafte Bauernbevölkerung ohne Nöte praktizierbar.
 Schwieriger wurde es in Zeiten, in denen einzelne Stammesangehörige wegen Überbevölkerung und dementsprechender Verknappung der Nahrungsgrundlage das Land verlassen mußten. Ebenso schwierig war eine zeitaufwendige Diskussion über anstehendes Probleme auch in Zeiten äußerer Bedrohung, in denen man zur Waffe greifen mußte.
 Die Lösung war einfach: Wenn schnelle Entscheidungen vonnöten waren, wurde die Entscheidungsbefugnis einem Einzelnen oder einer kleinen Gruppe von Männern oder Frauen übertragen. So lange die Bedrohung oder eine Situation militärischen Drucks anhielt, lag bei Ihnen die Befehlsgewalt, damit eine unverminderte Reaktionsbereitschaft bestand. Zu diesem Zwecke wurden sie  von der Thing-Versammlung gewählt. So entstand für die Zeit der Züge nach Süden die Einrichtung des Herzogtums.
 Aber es gab auch andere, kultische Aufgaben, die man Königen wahlweise übertrug, da sie in dieser Eigenschaft eine wichtige symbolische Bedeutung besaßen. So gab es in Skandinavien ein Königtum, das eine mystisch- symbolische Beziehung zum Land, d.h. zur Erde und ihrer Fruchtbarkeit besaß. Stellte sich eine schlechte Ernte ein, so war erkennbar, daß der König bei seiner Aufgabe versagt hatte und mußte der Erde zum Opfer gebracht werden. Frazer stellt in seinem "Goldenen Zweig" eine ganze Reihe von Beispielen eines solchen spirituellen Königtums vor. Auch hier ist die Wahl des Herrschers nur eine zeitlich befristete, in diesem Fall sogar gebunden an den Rhythmus des Jahres.
 In dem Augenblick, wo eine belastende Situation von der Ausnahme zur Regel wurde, konnte das urdemokratische Prinzip der Stämme schnell aufgeweicht werden. Und so war es denn auch: Die Züge der "Überflüssigen" nach Südeuropa begegneten dem Widerstand der südeuropäischen Völker. Der Raum um das Mittelmeer war dicht besiedelt und die ausgewanderten Stammesteile wurden in nicht vorhersehbare jahrhundertelange Fehden verstrickt.
 Was dabei auf der Strecke blieb: Die selbstbestimmte, individuell erfahrbare Gesprächsgemeinschaft der Thing- Versammlung. Was sich immer mehr verfestigte und schließlich zu einer stabilen Einrichtung wurde: Ein befehlsgewohntes Königtum, das nicht mehr nur Entscheidungen zum Überleben des Stammes traf, sondern sich zunehmend hofieren und von Ehrfurcht begeifern ließ. Schließlich wurde das anfänglich nur wahlweise übertragene Amt festgehalten und wie ein Hof oder eine gute Waffe an die Erben der Sippe weitergegeben. Die dynastische  Monarchie war geboren und entwickelte sich, erst recht nach dem Verrat der Stammesreligion an die orientalischen Kleriker zu einer selbstverständlichen Einrichtung. Und genau das ist sie tausend Jahre lang geblieben, wobei die Forderung zu einer wirklich demokratischen, d.h. von Volksentscheid und Volksherrschaft bestimmten Ordnung auf die Dauer nicht zu unterdrücken war. Nur daß man in den "demokratischen" Staaten des neuzeitlichen Europa und Amerika bemüht ist, den Volkswillen so lange durch repräsentative Elemente zu filtern, bis von ihm eigentlich kaum noch etwas übrig geblieben ist. Es handelt sich gewissermaßen um eine "Homöopathie" des Demokratischen, was nur einen hoffnungslosen Mangel an Vertrauen seitens der Herrschenden in die betroffenen Völker offenbart.
 Noch ein anderer Grund war bestimmend für die Verfestigung des mittelalterlichen Großkönigtums: Da, wo anfangs die Stammesverbände landschaftsgebunden, d.h. gebunden an bestimmte begrenzte Regionen waren, strebten die Könige nun nach einer Zusammenfassung dieser kleinen Regionen nach größeren räumlichen Einheiten. Die Gier nach Wachstum um jeden Preis erweist sich somit als "Kinderkrankheit" des sogenannten Abendlandes, die im Imperialismus des 19. Jahrhunderts wie auch im Wirtschaftswachstum unseres Jahrhunderts unglückselige Neuauflagen erlebte.
 Es liegt auf der Hand, daß wirkliche Volksherrschaft im Sinne einer Thing-Demokratie nur dort möglich ist, wo die Zahl an Menschen begrenzt und vor allem überschaubar bleibt. Eine Abstimmung mit einigen hundert Männern und Frauen per Handaufheben durchzuführen, ist an sich schon schwierig genug. Bei einigen tausend oder gar zehntausend Menschen wird sie unmöglich.
 An diesem Zusammenhang können wir die innere Beziehung zwischen Demokratie und Regionalismus erkennen.
 Worin bestand nun aber wirklich der Grund für die Errichtung von imperialen Großräumen und deren ständig zunehmender Aufblähung ? Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß die Missionsbischöfe und Päpste der katholischen Kirche das größte Interesse daran haben mußten. Lag ihnen doch zutiefst der "Missionsbefehl" ihres Religionsstifters am Herzen, der gesagt haben soll: "Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur" (Markus 16, Vers 15). Dieser Drang zur Mission war die geeignete Begründung für alle Formen von Angliederung, Aneignung und Kolonisation angenzender nichtchristlicher Kulturen. Mit dem "Geschenk" der christlichen Botschaft konnte man alle Greueltaten, alle Ausbeutung, alle Erniedrigung der Heiden entschuldigen - betraf doch dieses "Ungemach" nur die zeitlich-irdische Natur, während die Alternative Erlösung-Verdammnis von grundsätzlicher spiritueller Bedeutung war. Aus diesem Grunde beruhen alle Verbrechen der Franken, der "Großen Kaiser", der Kreuzzügler in Osteuropa wie in Palästina auf einer Interessenkoalition zwischen den Selbstzweck gewordenen Fürsten und den christlichen Geistlichen. Und so wurde aus einem begrenzten mittel-westeuropäischen Königreich der Franken das Deutsche Reich, das die stumpfsinnigen Priesterfürsten des Mittelalters zum festen Fundament eines gesellschaftlichen Versklavungssystems und zum Ausgangspunkt imperialistischer "Ausflüge" in die Randgebiete des nördlichen und östlichen Mitteleuropa machen konnten. Die deutschen Könige und Kaiser, aber auch polnische und russische Monarchen hatten stets gute Argumente bei der Hand, um die Vergrößerung ihrer Territorien zu betreiben: Sie taten damit etwas für ihr eigenes Seelenheil und kamen dem "Missionsbefehl" nach. Ganz "nebenbei" vergrößerten sie ihre politische Macht, ihre Steuereinnahmen, die Zahl ihrer Untertanen, aber eben alles zur höheren Ehre Gottes.
 Die Geistlichen hingegen, Fürst- und Missionsbischöfe konnten alle Brutalitäten und Greuel ihrer Missionszüge damit entschuldigen, daß dies eben eigentlich auf das Konto der Dynastien ginge. Häufig taten sie, wie z.B. Otto v. Bamberg, so, als ob sie selbst in christlicher Nächstenliebe die administrative und militärische Rücksichtslosigkeit der Herrscher abschwächen würden. In Wirklichkeit rieben sie sich angesichts brennender Heiligtümer und zerschlagener Götterbilder hohnlächelnd die blutbefleckten Hände.

Eine andere Frage ist die geschichtliche Reaktion der heidnischen Priester auf den Christianisierungsterror.
 Hier gab es, entsprechend der sehr unterschiedlichen Organisationsformen der verschiedenen heidnischen Traditionen auch sehr unterschiedliche Verhaltensweisen. In der Welt des römischen  Heidentums    gab  es  ein hoch spezialisiertes Priestertum mit besonderen Aufgaben,
wie die Pontifices (Führendes Priesterkollegium), die Flamines (Opferpriester), Augures und Haruspices (Orakelpriester) sowie z.B. die Fratres Arvales (Kulttänzer erdhafter Fruchtbarkeit). Je mehr jedoch der römische Staat zu einem straffen, imperialen Gebilde erstarrte, wurde auch das Priestertum in die politischen Intrigen hineinverstrickt und war an die augenblickliche politische Machtsituation gebunden. So war schließlich der Maßstab seines Handelns am Ende die Staatsräson und nicht das religiöse Erleben. Von einer derartigen Kaste, die zudem noch mit allerlei Vergünstigungen materiell an ihre Ämter gebunden war, konnte man keinen ernsthaften Widerstand gegen politische Entscheidungen der Herrschenden zugunsten der neuen Religion erwarten. Ursprünglich hatte das römische Priestertum  wichtige rituelle Aufgaben für eine bäuerlich orientierte Gemeinschaft  übernommen. Je mehr sich jedoch die Herrschaftsverhältnisse brutalisierten und sich einem sinnlosen Menschenkult zuwandten, desto stärker war das staatlich gebundene Priesterwesen damit korrumpiert. Noch heute ist in der Organisationsstruktur und einzelnen päpstlichen Amtsbezeichnungen ("Pontifex Maximus") erkennbar, daß das alte Priestertum in der Priesterkaste des aufsteigenden Christentums aufgesogen wurde und in umgewandelter Weise weiterlebte. Ein solch eigenartiger Kompromiß war bei den Kelten oder Germanen nicht in der gleichen Weise denkbar.
 Was die "Ariosophen" an scheinbaren Belegen für ein solches Hinüberwachsen der alten Priestertümer in das christliche Mittelalter hinein vorbringen, ist einfach ungenügend. Sicher ist es auffällig, daß die Bauhütten, die die romanischen und gotischen Dome hervorbrachten, autonome Körperschaften ohne Bindung an Kaiser oder Papsttum waren. Aber es ließ sich auch durch eine Fülle archaischer Symbolik in den Kirchenbauten nicht verhindern, daß die Kirchen Brutstätten geistig- seelischer Verneblung des Volkes wurden, in denen gehetzt und gequält wurde. Was halfen da schon die wundervollsten Binderunen am Kircheneingang, die Triskelen und kosmischen Mandalas  in den Glasfenstern, die geheimnisvollen Spiralen und Maßverhältnisse der Bodenornamente ? Was half die symbolische Beziehung des gotischen Hallenschiffes zum lichtdurchfluteten heiligen Hain, wenn in eben den gleichen Kirchen  die Flucht vor Trieben und Instinkten gepredigt wurde ? So vergingen auch diese Bauhütten, selbst wenn sie jemals eine besondere Aufgabe gehabt haben sollten, bis sie kurz vor der Totalauflösung im 18. Jahrhundert von politischen Ideologen und Finanzaristokraten übernommen wurden ("Freimaurerei").
 Als die germanischen Könige und Fürsten das Christentum übernahmen, gab es für die alten Priester keinen Platz mehr. Da, wo es besonders kriegerisch zuging, wie bei der Bekehrung der Sachsen, standen die Priester zum Volk und gingen mit seiner Freiheit unter. Dabei kommt noch hinzu, daß es ein festes priesterliches Amt bei den in Einzelhöfen verstreut lebenden germanischen Stämmen nicht in dieser Form gab. Hausväter und Mütter versahen die priesterlichen Aufgaben für ihre Sippe. Die Menschen waren selbst vertraut mit den Gottheiten und ihrem Kultus, obwohl es für besondere Fähigkeiten etwa magischer Art besondere Menschen gab. Z. B. für das Schauen in die Zukunft die Wala, für den Schutz eines Heiligtums den Harugari oder Parawari. Aber die meisten Goden waren zugleich Bauern, Jäger, Krieger oder Handwerker und mußten sich deshalb nicht aus Gründen finanzieller Abhängigkeit zu einer Kaste von Schmarotzern entwickeln.
 Nur dort, wo sich während der Völkerwanderungszeit auch bereits starke Dynastien herausgebildet hatten, entstanden daran angebunden Priesterämter, die z.B. bestimmte Orakelmethoden zur Erkundung von Kriegserfolgen und Stammesschicksalen anzuwenden hatten.
 Natürlich ist gerade die relativ lockere Organisation der priesterlichen Funktionen bei den meisten autochthonen germanischen Stämmen ein wichtiger Grund für mangelnden Widerstand gegenüber den Missionaren. Wenn ein Mensch ausschließlich Priester oder Seher gewesen wäre, hätte er mit der Einführung der neuen Religion seine gesamte Existenz verloren. War er jedoch in der Hauptsache Bauer, so gab er zwar mit der "Bekehrung" einen wesentlichen Teil seines bisherigen Lebens auf, war aber zumindest nicht zum Hungertod verurteilt. Das Nichtvorhandensein einer Priesterschicht, die sich ausgiebig mit Sinn und Zweck der eigenen Religion beschäftigen konnte, brachte aber auch massive Nachteile in der geistigen Auseinandersetzung mit der neuen Religion und in der Verteidigung des Eigenen. Dort, wo der fremde Missionar ein dutzend Gründe aufführen konnte, die scheinbar für das Christentum sprachen, fiel dem philosophisch ungeschulten, lebensnahen Gemüt des germanischen Bauern nichts mehr ein. Es war eben keine abstrakt argumentierendes, spekulatives "Weltbild", das er zu vertreten hatte, sondern eine lebendige Anschauung und intensive Beobachtung der Natur und ihrer Gesetze. Daraus nährte sich der Mythos und dadurch entstanden in der Seele der Menschen plastisch eindringliche Bilder. Doch gerade diese relative Naivität machte die Menschen hilflos gegenüber dem ätzenden Intellektualismus der römischen Kuttenträger.
 Etwas anders war die Situation auf Island, wo sich bereits durch die Ausgangsposition der Siedler, die ja aus Norwegen kamen, ein klares Bewußtsein des Verfolgtseins und der Kluft zwischen Heidentum und Christentum entwickelt hatte. Vielleicht war dies mit ein Hauptgrund für die Entwicklung eines klar strukturierten, hierarchischen Systems des Godentums, das trotzdem nicht demokratischer Elemente ermangelte und auch nicht dogmatisierend auf die Religion einwirkte. Es ging dabei offensichtlich nur darum, ein System der "Zuständigkeit" aufzubauen, in dem eben festgelegt war, wer für welches Gebiet der Nordmeerinsel rituelle Funktionen wahrzunehmen hatte. Und  auch hier war das leitende Prinzip die Territorialbezogenheit, denn meist war in einem Tal oder an einem Berge derjenige "zuständiger" Gode, der sich dort zuerst angesiedelt hatte oder über den größten Hof verfügte. Im Grunde ist es also doch eine ziemlich starke Verknüpfung von Priesteramt und Volk, das wir hier vor uns haben und nicht eine klassenmäßige Gegenüberstellung, wie sie nach der Missionierung erfolgte.
 Trotzdem war auch Island nicht vor dem Vorherrschaftsstreben der Christen zu bewahren: Mit der "Judas-Methode" , der finanziellen Bestechung, klappte es auch hier.
 Eine völlig andere Lage treffen wir bei östlichen Stämmen wie den Wenden oder den Pruzzen an. Gerade die Pruzzen verfügten über eine straff organisierte und zum teil sehr stark spezialisierte Priesterkaste, mit einem Oberpriester und ungefähr zehn verschiedenen Klassen von Unterpriestern.
 Christliche Chronisten berichten davon, daß die Pruzzen ihren Priestern umfangreiche Abgaben zu leisten hatten und beispielsweise beim Ritual der Bockheiligung auch vom Oberpriester wegen ihrer Sünden gezüchtigt, geschlagen oder an den Haaren gezogen wurden. Ein derart autoritäres Priestertum wird sich natürlich seiner Herrschaft wohl bewußt gewesen sein. So werden wir sicher auch den Berichten vertrauen dürfen, die den heidnischen Priestern eine intensive moralische Unterstützung des um seine Freiheit gegen den deutschen Orden kämpfenden pruzzischen Volkes zuschreibt.
 In jedem Fall war die zentralistisch organisierte Kirche mit ihren internationalen Verbindungen und geradezu unermeßlichen Hilfsquellen den vorhandenen heidnischen Priesterbünden bei weitem überlegen. Es war eben der Kampf einer "multinationalen", vernichtungsgierigen Streitmacht gegen kleine, stammesgebundene  Gruppen weiser Männer, die ihrer Tätigkeit mehr oder weniger gewohnheitsmäßig nachgingen, ohne hochgesteckte Ziele wie etwa "Menschheitserlösung" oder Inszenierung von "Heilsgeschichte". Es fehlte ihnen das Feuer des missionarischen Fanatismus, das die christlichen Gegner beseelte. Die Einheitlichkeit und Geschlossenheit des römischen Religionskonzerns trug dabei den Sieg davon.
 Wir können anhand der aufgeführten Beispiele erkennen, daß es keine besondere Organisationsform gibt, die ein künftiges Heidentum besser vor seinen Gegnern schützen könnte als eine andere. Haben wir eine komplexe Hierarchie vor uns wie bei den Römern, den keltischen Druiden oder den Pruzzen, so sind diese auch nicht gegen kulturelle Aufweichung, militärische Überlegenheit oder politische Korruption geschützt. Im Gegenteil. Besonders muß uns das römische Beispiel warnen, da ja die Römer auch einmal eine heidnisch-naturreligiöse Kultur besaßen. Und gerade hier treffen wir auf die schlimmsten Entartungszustände im Verhältnis von Religion und Politik. Wenn wir wirklich die Lehren aus der Geschichte ziehen wollen, ist es klar, für welche organisatorische Form sich eine heidnische Bewegung der Gegenwart entscheiden sollte: Gründliche Trennung von allen staatlichen Machtansprüchen aber auch Verzicht auf hierarchische Über- und Unterordnung innerhalb des Heidentums selbst. Denn nur ein heidnischer Mensch, der sich aller wichtigen priesterlichen Aufgaben selbst voll bewußt ist, könnte seine Religion auch durch neue Verfolgungszeiten hindurch retten.  Ein neuer Prozeß der Hierarchisierung, wie er derzeit von einigen orthodox- germanischen Gruppen lanciert wird, fördert Größenwahn bei den nun "Führenden" und verantwortungslose Dumpfheit bei den "Geführten", die dabei am Ende nur die Angeführten sein können. Die gleiche Konsequenz ergibt sich auch für den politischen Bereich selbst. Wir haben den Verlust der alten Religion nicht zuletzt den egozentrischen, kurzsichtigen "Aristokraten" zu verdanken. Deshalb sollte sich jeder Anhänger eines neuzeitlichen "Führerkultes" oder gar spiritueller Gottkönige sorgfältig überlegen, für was er sich da eigentlich einsetzt: Etwa gar für einen dekadenten Personenkult, dessen Herkunft aus der Verfallszeit mediterraner und orientalischer Stadtkultur ein ungutes Licht auf die gesichtslosen Massen der gehorsam Angeführten werfen ? Ein Hirt und eine Herde ! Das ist nach wie vor die Zauberformel vatikanischer Stabilität.
 Ihren Einfluß auf die Herrscherfamilien nutzten die römischen Kleriker massiv zu intensiver geistig-seelischer Umerziehung aus. So berichtet Gregor v. Tours von einer Vision des Merowingers Guntram von Burgund, dieser habe darin einen Blick in die Hölle getan. Er habe in dieser Vision gesehen, wie sein eigener Bruder von drei Bischöfen mit Ketten gefesselt zu ihm gebracht, anschließend zerstückelt und in einen Kessel mit siedendem Wasser geworfen wurde (zit. i. HdA, Bd.4, S.239). Es ist doch offensichtlich , wie hier wohl durch Predigten und Beichtgespräche Menschen künstlich geistesgestört gemacht wurden, bis diese am Ende bereit sein würden, alle Wünsche der Kleriker zu erfüllen.
 Sicher wäre es demnach ungerecht, wenn die Kirche sich von dem Vorwurf der Brutalität ihrer Christianisierungspraktiken reinzuwaschen versuchte, indem sie diese nur auf die Machtgier zeitgenössischer Fürsten zurückführte. Es ist vielmehr offensichtlich, daß diese in dem Augenblick, als sie ständig von "geistlichen Beratern" umgeben waren, nicht mehr wirklich sie selbst bleiben konnten. So war die exklusive Gehirnwäsche der fürstlichen Familie die Vorraussetzung bzw. der erste Schritt für die Bezwingung eines ganzen Volkes oder Stammes.
 Dazu kommt die bevorzugte Stellung der klerikalen Berater nicht nur allein als Geistliche sondern auch als Botschafter einer fremden, hochdifferenzierten Kultur, die von den Fürsten als überlegen betrachtet wurde.
 Überlegen in ihrer Fähigkeit, auch in größeren staatlichen Gebilden die Kontrolle über Menschen durch eine ausgefeilte Pädagogik und Bürokratie zu gewährleisten, und z.B. auch in der Überladenheit und vielfältigen Undurchsichtigkeit des Künstlerischen in Schauspiel und Literatur. Alles Erzeugnisse einer Kultur, die nicht mehr schlichte, nüchterne Zweckgebundenheit als Grundlage ihres Wirkens betrachtete, sondern diesen Dingen einen Selbstzweck zubilligte. Diese fremde Welt faszinierte die germanischen und übrigen europäischen Monarchen und veranlaßte sie zu neugierigem und aufmerksamem Lauschen auf die Einflüsterungen der Beichtväter.
 Es bleibt also schließlich dabei, daß die Undurchsichtigkeit höfischen Treibens unseren Blick für die Notwendigkeit radikaldemokratischer Formen auch in der heutigen Politik geschärft haben sollte.
 Zumindest eine Forderung aber wäre unsere geringste Erwartung gegenüber einem zeitgenössischen Staat: Radikale Trennung von Kirche und Staat. Das bedeutet, keine Zulassung kirchlicher Repräsentanten als politische Lobbyisten, keine bevorzugten Gelder des Staates für bestimmte Großkirchen oder Eintreibung des Zehnten für diese (Kirchensteuer),  keine staatliche Unterstützung kirchlicher Bildungsarbeit und Privatschulen, da diese ja der theologischen Verblödung Heranwachsender dienen, keine diplomatische Anerkennung einer spätfeudalen, absolutistischen Monarchie (Der Vatikan ist der letzte politische Überrest des Mittelalters in Europa !), keine finanzielle Förderung kirchlicher Wohlfahrtsarbeit durch den Staat, da dieser selbst die Pflicht zur Erbringung solcher Arbeit hätte und die Hilfsbedürftigen einer indirekten, erzwungenen Dankbarkeit gegenüber kirchlichem Glaubensgeschwätz aussetzt.
 Die Tatsache, daß selbst diese bescheidenen Forderungen im  Deutschland der Gegenwart noch geradezu exotisch anmuten, beweist auf das Schlagendste die Dauerhaftigkeit klerikaler Gehirnwäsche. Ist das Mittelalter wirklich bereits überwunden ?
 
 

(Der nachfolgende Text ist eine Ergänzung vm 20.09.02)
X1. Nachspiel zu Beginn des 3. Jahrtausends: Der Vatikan entschuldigt sich

Wer geglaubt hatte, daß die katholische Krche völlig unempfindlich gegen Kritik von außen ist, durfte am 12.03. im Jahr des Jubels  2000 Zeichen und Wunder erleben. Das erste Mal in ihrer Geschichte gab der "Heilige Vater" öffentlich zu, daß die Kirche in ihrer 2000tausendjährigen Geschichte Verfehlungen und Schuld auf sich geladen hat.
In einer heiligen Messe legte der greise Karol Woytila ein Schuldbekenntnis ab und sprach eine Vergebungsbitte aus, nachdem eine "Internationale Theologische Kommission" ein entsprechendes Papier unter der Überschrift "Erinnern und Versöhnen" erarbeitet hatte. Dieses Papier, von dem es am 09.07.2002 noch eine deutschsprachige Version auf der Homepage des Vatikan gab, war am 18.07.2002 bereits "verschwunden", das entsprechende Link führt nunmehr  ins Nichts. Die englischeVersion konnte von einem befreundeten Heiden gesichert werden.
Die Auswertung des Textes der heiligen Messe und eines Drucks jener deutschsprachigen Arbeit ergab nicht gerade ein besonders großes Maß an innerer Bereitschaft, die in diesem Buch dargestellten Verbrechen einzugestehen. Zunächst einmal beinhaltete das Schuldbekenntnis drei Teile: Es geht um die Methoden beim "notwendigen Einsatz zum Schutz der Wahrheit", Vergehen gegen die Einheit der Kirche und um Verbrechen gegen das Judentum.
Abgesehen davon, daß nicht an einem einzigen Punkt konkret gesagt wird, welche Art und Praxis von Vergehen gemeint sind, betreffen eigentlich die letzten beiden Punkte interne Auseinandersetzunmgen innerhalb des monotheistischen Paradigmas.
Und selbst beim ersten Punkt, unter dem man bei äußerst gespreizter Interpretation davon ausgehen kann, daß die Missionierung gemeint ist, tut der Vatikan so, als wenn die Kirche hier in der Defensive handelte: "Schutz der Wahrheit" impliziert, daß man selbst der Angegriffene war, "notwendiger Einsatz" suggeriert, daß die agressive Grundtendenz des Christentums gegen andere Religionen im Kern unausweichlich ist.
In Bezug auf die Verbrechen gegen das Judentum vollzieht sich die ganze Diskussion vor dem Hintergrund der Aussage, daß der jüdische Auswerwähltheitsglaube zutrifft: Eine "geistliche" Frechheit gegenüber den zahllosen säkularistischen Juden, die noch heute von der christlichen Mission wie auch von den Fanatikern innerhalb ihrer eigenen Religion belästigt werden.
Immerhin wird im Teil V. die "Feindschaft gegenüber den Anhängern anderer Religionen" kritisiert, und beklagt: "Die Rechte von Stämmen und Völkern haben sie verletzt, deren Kulturen und religiöse Traditionen verachtet".
Ich frage mich, ob das nicht eine etwas vornehme Ausdrucksweise für die Massenvernichtung von Menschen und die Vernichtung von Kultstätten, Kultgegenständen und literarischen Gütern darstellt ?
An jedem Punkt dieses Schuldbekenntnisses wird die Berührungsangst der Kirche mit der Konkretheit der Geschichte deutlich.
Die Lektüre der entsprechenden "theologischren Facharbeit" (s. oben) zeigt das noch deutlicher: In diesem über 50 DINA4 Seiten starken Text benötigt man 40 Seiten, um bezüglich der erwähnten drei Vergehenskomplexe überhaupt zur Sache zu kommen. Da geht es zunächst darum, auf umständliche Weise zu begründen, ob schuldig werden aus biblischer und christlicher Sicht überhaupt denkbar und theologisch begründbar ist. Dann geht es um die Frage, wie eine Kirche, die von Gott inspiriert und geschaffen überhaupt schuldig werden konnte, was schließlich ihren unvollkommenen allzumenschlichen Gliedern angelastet wird. Und dann wird zuguterletzt in historischer Hyperkritik sogar noch die Frage nach der historischen Wahrheit berichteter Verbrechen gestellt. Diese ganze theologische Spitzfindigkeit offenbart eigentlich nur zweierlei:
Einmal die völlige Losgelöstheit der Autoren gegenüber jeder echten Emotionalität von Reue und zum andern die schwierige Position einer wahrscheinlich liberalen Minderheit, die sich gegen  überzeugte Konservative in den eigenen Reihen durchzusetzen gezwungen fühlt.
Um die ganze Gequirtltheit und Gespreiztheit theologischer Strategen einmal zu verdeutlichen, hier der Textauzug, der sich mit unserem Thema befasst:

Zu diesem Gegenzeugnis der Spaltungen unter den Christen sind verschiedene Vorkommnisse im vergangenen Jahrtausend hinzuzufügen, bei denen zweifelhafte Mittel angewandt worden sind, um gerechte Ziele zu erreichen. Mit diesen rechten Zielen sind gemeint die Verkündigung des Evangeliums und die Verteidigung der Einheit des Glaubens. In Tertio Millennio Adveniente umschreibt der Papst das Problem: Ein anderes schmerzliches Kapitel, auf das die Kinder der Kirche mit reuebereitem Herzen zurückkommen müssen, stellt die besonders in manchen Jahrhunderten an den Tag gelegte Nachgiebigkeit angesichts von Methoden der Intoleranz oder sogar der Gewalt im Dienst an der Wahrheit dar."(78)

Es geht also um Formen der Evangelisierung, die ungeeignet sind zur Verkündigung der geoffenbarten Wahrheit. Dazu sind auch Methoden zu rechnen, die das Evangelium ohne Gespür für die kulturellen Werte der Völker propagiert und dabei die innere Hinordnung dieser Werte auf das Evangelium übersehen haben. Zu bedauern ist auch mangelnder Respekt vor dem Gewissen der Personen, denen man den Glauben vorgelegt hat. Verwerflich war jede Form der Gewaltausübung im Kampf gegen Irrtümer.

Eine ebenso große Aufmerksamkeit erfordern die möglichen Unterlassungen der Anklage von Ungerechtigkeit und Gewalt, derer sich die Glieder der Kirche in verschiedenen historischen Situationen schuldig gemacht haben können. "Da ist der Mangel an Wahrnehmungsfähigkeit vieler Christen angesichts fundamentaler Verletzungen der Menschenrechte. Die Bitte um Vergebung gilt auch für das Schweigen aus Feigheit oder falscher Lagebeurteilung und für das, was unentschlossen und in wenig geeigneter Weise getan und gesagt wurde."(79)

Wie in allen Fällen geht es auch hier darum, die historische Wahrheit durch eine historisch-kritische Untersuchung herauszufinden.

Wenn die Fakten gesichert sind, ist die geistliche und moralische Auswertung möglich. Dann kann man ihre objektive Bedeutung erhellen. Nur mit Hilfe historischer Forschung kann Mythenbildung verhindert werden. Nur ein von historisch-kritischem Bewusstsein geprägtes geschichtliches Gedächtnis ist fähig, im Lichte des Glaubens die Früchte der Umkehr und der Erneuerung zu tragen: "Aus jenen schmerzlichen Zügen der Vergangenheit ergibt sich eine Lektion für die Zukunft, die jeden Christen veranlassen muss, sich ganz fest an das vom Konzil geltend gemachte goldene Prinzip zu halten: <Die Wahrheit erhebt nicht anders Anspruch als kraft der Wahrheit selbst, die sanft und zugleich stark den Geist durchdringt>."(80)
Quelle:
http://www.vatican.va/roman-Curia/congregations/cfaith/cti-documents/rc-con-cfaith-d(... 09.07.02

Ich tendiere zu der Interpretation, daß die Kirche hier rein opportunistisch handelt, um letztlich ihre Reputation in den teilweise sehr auf ihr kulturelles Erbe bedachten Nationen Asiens und der südlichen Hemisphäre zu verbessern. Und selbst das geschieht eigentlich eher halbherzig.
 
 

XI. Benutzte Literatur

1.)  Augustinus, De Civitate Dei - Die Gottesbürgerschaft/Herausgeber: Hans Urs von Balthasar, Frankfurt a.M. 1961

2.)  Baetke, Dr. Walter, Die Religion der Germanen in Quellenzeugnissen, Frankfurt a.M., 1937

3.)  Beck, Dr. Georg, Der heilige Otto von Bamberg, Bamberg 1962

4.)  Benoist-Mechin, Jacques, Kaiser Julian oder der verglühte Traum, Gütersloh, o.J.

5.)  Celsus, Gegen die Christen, übersetzt aus dem griech. von Th. Keim, München, 1984

6.)  Charroux, Robert, Die Meister der Welt, München/Zürich, 1974

7.)  Deschner, Karlheinz, Kirche des Unheils, München, 1980

7a.) Drewitz, Ingeborg, Märkische Sagen, Frankfurt a.M./Berlin/Wien 1985

8.)  Fülöp-Miller, Rene, Macht und Geheimnis der Jesuiten, Berlin, 1929

9.)  Galeano, Eduardo, Die offenen Adern Lateinamerikas, Ost- Berlin, 1974

10.) Glasenapp, Helmuth von, Die nichtchristlichen Religionen, Frnankfurt am Main, 1957

11.) Golther, Wolfgang, Handbuch der germanischen Mythologie, Nachdruck der Ausgabe von 1908, Stuttgart o.J.

12.) Grässe, J.G. Th., Sagenbuch des Preußischen Staates, 2 Bände, Nachdr. , Hildesheim/New York, 1977

13.) Grimm, Jacob, Deutsche Mythologie, Bd. I-III, Nachdruck, Frankfurt a.M.-Berlin, 1981

14.) Hartmann, Karl, Atlas-Tafel-Werk zu Bibel und Kirchengeschichte, Bd. II u. III, Stuttgart 1980/81

15.) Herrmann, Paul, Deutsche Mythologie, Nachdruck, Stuttgart, o.J.

16.) Heussi, Karl, Kompendium der Kirchengeschichte, 16. Aufl., Tübingen, 1981

17.) Hinze, Christa,(Hrsg.), Ostpreussische Sagen, Frankfurt a.M.-Berlin, 1987

18.) Jung, Erich, Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit, München/Berlin, 1939

19.) Keller, Werner, Ost minus West=Null, München/Zürich 1973

19a.)Keller, Werner, Denn sie entzündeten das Licht, München/Zürich 1970

20.) Kern, Helmut, (Herausgeber), Brennende Gegenwartsfragen, Neuendettelsau, 1934

21.) Klee, Ernst, "Die SA Jesu Christi", Die Kirche im Banne Hitlers, Frankfurt a.M., 1989

22.) Marwick, Max, (Herausgeber), Witchcraft and Sorcery, Harmondsworth, Middlesex, England, 1987

23.) Mayer, Dr. Anton, Mittelalter Teil II, R.Oldenbourgs geschichtliches Quellenwerk, Berlin u. München o.J.

24.) Neckel, Dr. Gustav, Das Schwert der Kirche und der germanische Widerstand, Leipzig, 1934

25.) Othegraven, Friedhelm von, Litanei des Weißen Mannes, Struckum, 1986

26.) Papadopoulos, S.A., Das Kloster Johannes des Theologos, Patmos, 1977

26a.)Peuckert, Will-Erich, Deutscher Volksglaube des Spätmittelalters, Stuttgart, 1942

27.) Preradovich, Nikolaus v., u. Stingl, Josef, "Gott segne den Führer"-Die Kirchen im dritten Reich, Leoni, 1986

28.) Reche, Prof. Dr. O., Kaiser Karls Gesetz zur politischen und religiösen Unterwerfung der Sachsen, Leipzig, 1935

28a.) Reik, Theodor, Der eigene und der fremde Gott, Frankfurt am Main, 1972

28b.)Schmidt, Johann Georg, Die gestriegelte Rockenphilosophie, Bd. I u. II, Neudruck der Ausgabe Chemnitz 1718/1722, Leipzig 1987

29.) Schmidt, Kurt Dietrich, Grundriß der Kirchengeschichte, Ergänzungsband Chronolgische Tabellen zur Kirchengeschichte, Göttingen, o.J.

30.) Scholz, Wilhelm, Die Umwertung des germanischen Brauchtums durch die Missionierung, Bensberg 1974

31.) Sprenger, Jakob u. Institoris, Heinrich, Der Hexenhammer, übers. von J.W.R. Schmidt, Nachdruck, 7. Aufl., München, 1987

32.) Steiner, Rudolf, Die Mission einzelner Volksseelen, Dornach, 1983

33.) Strobel, Hans, Bauernbrauch im Jahreslauf, Leipzig 1937

34.) Sündermann, Helmut, Die Pioniere und die Ahnungslosen, Skizzen amerikanischer Vergangenheit und Gegenwart, Leoni, 1960

 35.) Vulpius, Christian August, Handwörterbuch der Mythologie der deutschen, verwandten, benachbarten und nordischen Völker, Nachdruck der Ausgabe von 1826, Wiesbaden 1987

36.) Widlak, Franz, Gebräuche der alten Deutschen nach dem Zeugnisse der Synode von Liftinae im Jahre 743, Znaim o.J.

37.) Yallop, David A., Im Namen Gottes ?, München, 1984

38.) Zydowitz, Kurt von, Glaubensumbruch - ein Verhängnis, Westerstede, 1974

39.) Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 1, Herausgegeben von Hermann Gunkel und Leopold Zscharnack, Tübingen 1927

40.) dtv-Wörterbuch der Kirchengeschichte, von Carl Andresen und Georg Denzler, München 1984

41.) Die mittelalterliche Kirche, Erster Halbband: Vom kirchlichen Frühmittelalter zur gregorianischen Reform, Herder-Verlag, Freiburg-Basel-Wien, 1966

42.) Kirchengeschichte als Missionsgeschichte, Bd. II: Die Kirche des früheren Mittelalters, Erster Halbband, Herausgegeben von Knut Schäferdiek, München, 1978

43.) Weltgeschichte im Aufriß, Arbeits- und Quellenbuch, Bd.II, Mittelalter und Neuzeit bis 1789, von Dr. Gerhart Bürck und Prof. Dr. Richard Dietrich, Verlag Moritz Diesterweg, 14. Aufl., Berlin 1969

44.) Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, 10 Bände einschl. Registerband, Verlag Walter de Gruyter, Berlin/New York 1987, Hrsg. Hanns Bächtold-Stäubli - Originalreprint der von 1927-1942 erschienenen Ausgabe.