Katastrophen und

ihr Einfluß auf die menschliche Kultur und Geschichte

Matthias Wenger – Vortrag im Berliner Salon für Forschung und

Geschichte am 4. Oktober 2010


Der Katastrophismus Velikovskys und der Welteislehre und die Folgen


Sowohl in der Theoriebildung der Hörbigerschen Welteislehre als auch in der chronologiekritischen Richtung Velikovkys spielen sie eine maßgebliche und prägende Rolle für die Menschheitsgeschichte: Kosmische Katastrophen, bei denen vorgeschichtliche Kulturen flächendeckend zerstört, zahllose Menschen vernichtet und die Zurückgelassenen dauerhaft verstört erscheinen.

Ausgelöst werden diese Katastrophen durch regelwidrig auftretende Himmelskörper: Abstürzende Monde (Erdtrabanten) Planetoiden oder die irdische Gravitation sonstwie beeinträchtigende Planeten als Vorläufer unseres heutigen Planetensystems.

Der Betrachtungsweise unserer heutigen Astronomie, die im kosmischen Geschehen ein gewisses harmonisches und kontinuierliches Kreislaufgeschehen sieht, wird eine Sichtweise entgegengestellt, in der das Chaos, die unkalkulierbare Bedrohung durch unbegreifliche kosmische Gefahren zur Normalität werden. Die Menschen der katastrophischen Theorien sind dem vom Himmel drohenden Geschehen wehrlos ausgeliefert.


Apokryphe Katastrophentheorien und naturwissenschaftlich nachweisbare Katastrophen im Überblick


Umso spannender ist die Beobachtung, daß ein einheitliches Bild einer leichthin nachweisbaren Katastrophe, wie es letzthin Heinsohn mit seinen bronzezeitlichen kosmischen Katastrophen beschreibt, in der historischen Realität offenbar nicht gibt.

In der esoterischen Historiographie, die sich mehr oder weniger in Distanz zur offiziellen Geschichtsschreibung sah und sieht, werden die verschiedensten Großkatastrophen diskutiert – so wie in der offziellen, durch naturwissenschaftliche Forschung legitimierten Naturgeschichte der Erde.

Um diese Uneinheitlichkeit des katastrophischen Geschehens einmal zu demonstrieren, hier eine keinesfalls von dem Anspruch auf Vollständigkeit gekennzeichnete Übersicht:

-Der letzte große Vulkanausbruch fand in der Eifel vor etwa 13.000 Jahren am Laacher See statt. Danach gab es nur noch eine kleinere Eruption, die vor 11.000 Jahren zur Entstehung des Ulmener Maars führte.1

-Otto Muck berichtet vom Einschlag des „Carolina-Planetoiden“ , „der vor rund 12.000 Jahren die beiden Tiefseelöcher in die atlantische Wanne gebohrt“ habe.2 Muck sieht einen Zusammenhang zwischen dem Einschlag dieses Planetoiden und dem Untergang von Atlantis. Darin erblickt er die „furchtbarste und größte Katastrophe … von der die Sagen der Menschen künden.3

-Thomas Knight und Robert Lomas sprechen von einer im Jahre -7640 stattgefundenen Katastrophe, bei der die Erde von einem Kometen getroffen wurde, der in sieben Teile zerbrach4. „Es entstand eine 5 km hohe Welle, die sich mit ein der Geschwindigkeit von 700km/h fortbewegte und erst nach 17 Minuten brach. … Die Welle stand ungefähr 200km in voller Höhe, bis sie sich überschlug und weit in das Land strömte.“5

-22. Jahrhundert v. Chr. - Weltweite, möglicherweise das gesamte Jahrhundert andauernde, katastrophale Dürre - Untergang des Alten Reiches in Ägypten und des Akkadischen Reiches in Mesopotamien. 6

-Von dem griechischen Archäologen Spiridon Marinatos hingegen wurde der Untergang von Atlantis in Verbindung gebracht mit dem Vulkanausbruch der Insel Santorin um das 16./17. Jhdt. vor Chr., der zum Untergang der minoischen Kultur geführt haben könnte und sich stratigraphisch in zahlreichen archäologischen Fundstellen im gesamten Mittelmeerraum wiederfinden läßt.7 Kritiker der Hypothese sagen aber, daß die Paläste Kretas erst rund zweihundert Jahre später zerstört wurden.

-464 v. Chr. : Schweres Erdbeben in Messenien – Sparta wird zerstört, mindestens 20.000 Tote8

-373 v. Chr.: Die Stadt Helike am Golf von Korinth geht in einem Tsunami unter – bestens historisch dokumentiert (s. Anm. 7, Sonnabend / Schenk).

-17. n. Chr.: Zerstörung von Ephesus durch ein Erdbeben

-24. August 79 n. Chr.: Ausbruch des Vesuv und Zerstörung Pompejis, das unter einer dicken Schicht aus Asche, Bimsstein und Lava begraben wurde. Berichtet haben soll der römische Naturforscher Plinius von diesem Geschehen.9

-1164, 1219 und 1362: Drei große Sturmfluten an der Nordseeküste mit insgesamt weit über 150.000 Toten.

-10 April 1815: Der Vulkan Tambora auf der Insel Sumbawa im Bereich des indonesischen Archipels bricht aus. Der britische Gouverneur Sir Thomas Raffles berichtete von den Eindrücken dieses Ausbruchs, dessen Donnern an Artilleriefeuer erinnerte. Innerhalb weniger Tage sollen etwa 50 Kubikkilometer Asche in die Atmossphäre geschleudert worden sein – bis in 43 Kilometer Höhe.

Ein Tsunami von 4 Metern Höhe verheerte die Küstenregionen, der Ascheregen ging im Umkreis von 500 Kilometern um den Eruptionsort nieder. Es blieb tagelang dunkel, Ernten wurden vernichtet. 10.000 Menschen starben sofort, 71.000 in den folgenden Tagen und Wochen.

Das Jahr 1816 geht dann als „das Jahr ohne Sommer“ in die Geschichte ein. In seinem Gefolge kommt es in Mitteleuropa zu einer massiven Wetter, Ernte und Hungerkatastrophe. Heu-, Getreide, Kartoffel- und Weinernte werden teilweise komplett vernichtet. Eine Querverbindung mit dem Vulkanausbruch in Indonesien zog niemand. Aber der württembergische König Wilhelm I. setzt eine Vielzahl an Initiativen in Bewegung, die die Landwirtschaft reformieren, technisieren und effizienter machen.

Was können wir über ältere historische Katastrophen wissen –

Quellen, deren Analyse man in Erwägung ziehen kann


Platon läßt Solon über zyklisch stattfindende Katastrophen berichten


„›O Solon, Solon, ihr Hellenen bleibt doch immer Kinder, und einen alten Hellenen gibt es nicht!‹ Als nun Solon dies vernommen, habe er gefragt: ›Wieso? Wie meinst du das?‹ ›Ihr seid alle jung an Geiste‹, erwiderte der Priester, ›denn ihr tragt in ihm keine Anschauung, welche aus alter Überlieferung stammt, und keine mit der Zeit ergraute Kunde. Der Grund hiervon aber ist folgender: Es haben schon viele und vielerlei Vertilgungen der Menschen stattgefunden und werden auch fernerhin noch stattfinden, die umfänglichsten durch Feuer und Wasser, andere, geringere aber durch unzählige andere Ursachen. Denn was auch bei euch erzählt wird, daß einst Phaïton, der Sohn des Helios, den Wagen seines Vaters bestieg und, weil er es nicht verstand, auf dem Wege seines Vaters zu fahren, alles auf der Erde verbrannte und selber vom Blitze erschlagen ward, das klingt zwar wie eine Fabel, doch ist das Wahre daran die veränderte Bewegung der die Erde umkreisenden Himmelskörper und die Vernichtung von allem, was auf der Erde befindlich ist, durch vieles Feuer, welche nach dem Verlauf gewisser großer Zeiträume eintritt. Von derselben werden dann die, welche auf Gebirgen und in hochgelegenen und wasserlosen Gegenden wohnen, stärker betroffen als die Anwohner der Flüsse und des Meeres, und so rettet auch uns der Nil, wie aus allen andern Nöten, so auch alsdann, indem er uns auch aus dieser befreit. Wenn aber wiederum die Götter die Erde, um sie zu reinigen, mit Wasser überschwemmen, dann bleiben die, so auf den Bergen wohnen, Rinder- und Schafhirten, erhalten; die aber, welche bei euch in den Städten leben, werden von den Flüssen ins Meer geschwemmt; dagegen in unserem Lande strömt weder dann noch sonst das Wasser vom Himmel herab auf die Fluren, sondern es ist so eingerichtet, daß alles von unten her über sie aufsteigt. Daher und aus diesen Gründen bleibt alles bei uns erhalten und gilt deshalb für das Alteste. In Wahrheit jedoch gibt es in allen Gegenden, wo nicht übermäßige Kälte oder Hitze es wehrt, stets ein bald mehr, bald minder zahlreiches Menschengeschlecht. Nur aber liegt bei uns alles, was bei euch oder in der Heimat oder in anderen Gegenden vorgeht, von denen wir durch Hörensagen wissen, sofern es irgendwie etwas Treffliches oder Großes ist oder irgend eine andere Bedeutsamkeit hat, insgesamt von alters her in den Tempeln aufgezeichnet und bleibt also erhalten. Ihr [⇐100][101⇒] dagegen und die übrigen Staaten seid hinsichtlich der Schrift und alles anderen, was zum staatlichen Leben gehört, immer eben erst eingerichtet, wenn schon wiederum nach dem Ablauf der gewöhnlichen Frist wie eine Krankheit die Regenflut des Himmels über euch hereinbricht und nur die der Schrift Unkundigen und Ungebildeten bei euch übrigläßt, so daß ihr immer von neuem gleichsam wieder jung werdet und der Vorgänge bei uns und bei euch unkundig bleibt, so viel ihrer in alten Zeiten sich ereigneten. Wenigstens eure jetzigen Geschlechtsverzeichnisse, lieber Solon, wie du sie eben durchgingst, unterscheiden sich nur wenig von Kindermärchen. Denn erstens erinnert ihr euch nur einer Überschwemmung der Erde, während doch so viele schon vorhergegangen sind; sodann aber wißt ihr nicht, daß das trefflichste und edelste Geschlecht unter den Menschen in eurem Lande gelebt hat, von denen du und alle Bürger eures jetzigen Staates herstammen, indem einst ein geringer Stamm von ihnen übrigblieb; sondern alles dies blieb euch verborgen, weil die Übriggebliebenen viele Geschlechter hindurch ohne die Sprache der Schrift ihr ganzes Leben hinbrachten. Denn es war einst, mein Solon, vor der größten Zerstörung durch Wasser der Staat, welcher jetzt der athenische heißt, der beste im Kriege und mit der in allen Stücken ausgezeichnetsten Verfassung ausgerüstet, wie denn die herrlichsten Taten und öffentlichen Einrichtungen von allen unter der Sonne, deren Ruf wir vernommen haben, ihm zugeschrieben werden.‹

Als nun Solon dies hörte, da habe er, wie er erzählte, sein Erstaunen bezeigt und angelegentlichst die Priester gebeten, ihm die ganze Geschichte der alten Bürger seines Staates in genauer Reihenfolge wiederzugeben.“10

Dieser Text Platons ist im Grunde ein literarischer Archetypus des Katastrophischen. Was können wir daraus entnehmen ?

Im Grunde dies: Stattfindende Katastrophen haben episodischen Charakter für die Menschheitgeschichte. Von der einen großen Katastrophe kann nicht die Rede sein. Die Menschen sind regional und lokal von den Katastrophen beeinträchtigt, was von ihrer jeweiligen Siedlungsart abhängt. Der Verlust des Wissens um die Vergangenheit beruht nicht auf einer Verdrängung durch Traumatisierung – vielmehr auf einem langsamen Verlöschen durch Verlust kultureller Techniken.

Um den prähistorischen Katastrophen auf den Grund zu gehen, bleibt auch den Katastrophisten neben archäologischen Recherchen nichts anderes übrig, als vorhandene literarische Quellen auszuwerten. In erster Linie werden hier aber mythologische Erzählungen begutachtet, die man astrophyikalisch deutet – eine unsichere und vieldeutige Quellenlage.

Stattdessen gibt es aber durchaus Berichte, in denen explizit von Katastrophen berichtet wird, beispielsweise von Flutkatastrophen. Lassen Sie uns einige dieser Quellen analysieren, um gegebenenfalls übereinstimmende Aussagen festzustellen:

Biblische Sintflutsage

Da sich aber die Menschen begannen zu mehren auf Erden und ihnen Töchter geboren wurden, 2da sahen die Kinder Gottes nach den Töchtern der Menschen, wie sie schön waren, und nahmen zu Weibern, welche sie wollten. 3Da sprach der HERR: Die Menschen wollen sich von meinem Geist nicht mehr strafen lassen; denn sie sind Fleisch. Ich will ihnen noch Frist geben hundertundzwanzig Jahre. 4Es waren auch zu den Zeiten Tyrannen auf Erden; denn da die Kinder Gottes zu den Töchtern der Menschen eingingen und sie ihnen Kinder gebaren, wurden daraus Gewaltige in der Welt und berühmte Männer. 5Da aber der HERR sah, daß der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar, 6da reute es ihn, daß er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen, 7und er sprach: Ich will die Menschen, die ich gemacht habe, vertilgen von der Erde, vom Menschen an bis auf das Vieh und bis auf das Gewürm und bis auf die Vögel unter dem Himmel; denn es reut mich, daß ich sie gemacht habe. 8Aber Noah fand Gnade vor dem HERRN.11


Platos Atlantisbericht im Kritias-Dialog

Viele Geschlechter hindurch, so lange noch irgend die Natur des Gottes in ihnen wirksam war, waren sie den Gesetzen gehorsam und zeigten ein befreundetes Verhalten gegen das ihnen verwandte Göttliche. Denn sie besaßen wahrhafte und durchgehends große Gesinnungen, indem sie eine mit Klugheit gepaarte Sanftmut allen etwaigen Wechselfällen des Schicksals gegenüber, so wie gegen einander an den Tag legten, und da sie eben deshalb alles Andere außer der Tugend für wertlos ansahen, so achteten sie alle vorhandenen Glücksgüter geringe (121a) und betrachteten mit Gleichmut und mehr wie eine Last die Masse ihres Goldes und ihrer übrigen Besitztümer und nicht kamen sie, berauscht von den Schwelgen in ihrem Reichtum, so daß sie durch ihn die Herrschaft über sich selbst verloren hätten, zu Falle, sondern erkannten mit nüchternem Scharfblick, daß dies Alles nur durch die gemeinsame Freundschaft im Verein mit der Tugend sein Gedeihen empfängt, durch den Eifer und das Streben nach ihm dagegen nicht bloß selber entschwindet, sondern auch jene mit sich zu Grunde richtet. In Folge dieser Grundsätze und der fortdauernden Wirksamkeit der göttlichen Natur in ihnen gedieh ihnen denn das Alles, was ich euch vorhin mitgeteilt habe.

Als aber ihr Anteil am Wesen des Gottes durch die vielfache und häufige Beimischung des Sterblichen in ihnen zu schwinden begann, und die menschliche Art überwog, (121b) da erst waren sie dem vorhandenen Reichtum nicht mehr gewachsen und entarteten und erschienen dem, welcher es zu erkennen vermochte, niedrig, indem sie von Allem, was in Ehren zu stehen verdient, gerade das Schönste zu Grunde richteten; denen aber, die ein wahrhaft zur Glückseligkeit führendes Leben nicht zu erkennen im Stande waren, schienen sie damals erst recht in aller Herrlichkeit und Seligkeit dazustehen, als sie ungerechten Gewinn und ungerecht erworbene Macht im Überflusse besaßen.

Der Gott der Götter aber, Zeus, welcher nach den Gesetzen herrscht und solches wohl zu erkennen vermag, beschloß, als er ein treffliches Geschlecht (so) schmählich herunterkommen sah, ihnen Strafe dafür aufzuerlegen, (121c) damit sie, durch dieselbe zur Besinnung gebracht, zu einer edleren Lebensweise zurückkehrten. Er berief daher alle Götter in ihren ehrwürdigsten Wohnsitz zusammen, welcher in der Mitte des Weltalls liegt und eine Überschau aller Dinge gewährt, welche je des Werdens teilhaftig wurden, und nachdem er sie zusammenberufen hatte, sprach er - - - - - - - - - - -12


Die indische Sintflutsage mit Manu als Noah 13


1. Dem Manu brachten sie (seine Diener) früh Waschwasser, so wie man das jetzt noch für die Hände zum abwaschen herbeibringt; als er sich wusch, kam ihm ein Fisch in die Hände. - 2. Der sprach zu ihm: „Pflege mich, ich will dich retten“ „Wovor willst Du mich retten?“ „Eine Flut wird alle diese Geschöpfe fortführen, davor will ich Dich retten“ - „Wie soll ich Dich pflegen ?“ - 3. Er sprach: „So lange wir klein sind, ist uns viele Gefahr, denn ein Fisch frißt den andern; du magst mich zuerst in einer Schüssel bewahren; wenn ich für diese zu groß werde, magst du eine Grube graben und mich darin nähren; wenn ich dafür zu groß werde, dann magst du mich hinab ins Meer schaffen; denn dann werde ich den Gefahren gewachsen sein.“ - 4. Bald war er ein Großfisch, denn er wuchs gewaltig, da sprach er: „Das und das Jahr wird die Flut kommen, dann magst du ein Schiff zimmern und zu mir dich wenden (im Geiste); wenn die Flut sich erhebt, magst du das Schiff besteigen, dann will ich dich retten … als die Flut sich erhob, bestieg er das Schiff; der Fisch schwamm zu ihm heran, an dessen Horn band er (Manu) das Tau des Schiffes, damit setzte er (der Fisch) über diesen nördlichen Berg. - 6. Er sprach: „Ich habe dich gerettet: binde das Schiff an einen Baum, damit dich nicht,, ob du auch auf dem Berge bist, das Wasser fortspült: wenn das Wasser allmählich fallen mag, dann magst du auch allmählich hinabsteigen.“


Die mesopotamische Sintflutsage von Utnapischtim und Atrahasis


Der Mythos beginnt damit, daß die Götter (und nicht etwa die Menschen) all die harte Arbeit verrichten müssen, Kanäle graben, Wasserrinnen säubern – und diese Arbeit gefällt ihnen gar nicht. Nach 3600 Jahren sind sie der Mühal überdrüssig, sie greifen zu den Waffen und erheben sich gegen Ellil. … Er ruft die großen Götter zu sich, um sich ihre Argumente anzuhören. Sie beschließen, daß Belet-ili, die Mutterschoß-Göttin, Sterbliche schaffen soll, die an Stelle der Götter alle mühseligen Arbeiten zu verrichten haben. Die Göttin erschafft sieben Männer und sieben Frauen. Aus dieser kleinen Gruppe etwickelt sich dann im Laufe der Zeit eine große Bevölkerung; für Ellil sind es zu viele Menschen:

Sechshundert Jahre, weniger denn sechshundert vergingen,

Das Land wurde zu weitläufig, zu zahlreich das Volk.

„Das Lärmen der Menschheit ist zu groß geworden,

Ich verliere Schlaf über ihrem Getöse“


Elil versucht es mit Seuchen, mit Dürren, mit Hungersnöten. … Nach sechs Jahren verschlingen die Menschen ihre eigenen Töchter, und sie können nicht mehr die harte Arbeit verrichten, für die sie erschaffen wurden. … Ellil beschließt, eine „schlechte Tat“ zu vollbringen, die Menschen durch eine Flut zu vernichten. Enki warnt Atrahasis und instruiert ihn genau, wie das Boot beschaffen sein soll, das er bauen muß, um der Flut, die sieben Tage dauern wird, zu entgehen. … Leider fehlen an dieser Stelle, wo die Handlung ihren Höhepunkt erreicht und es faszinierend gewesen wäre, Vergleiche zum Gilgamesch-Epos und zur Bibel anzustellen, ungefähr 58 Verse. … es scheint aber so, daß die Versammlung der Götter der Meinung ist, daß man der Fortpflanzung der Menschheit irgendwie Zügel anlegen müsse. Die Verantwortung dafür haben die Frauen zu tragen, deren Fruchtbarkeit eingeschränkt werden soll, … indem man sie unfruchtbar macht...“. 14


Menschliche Verantwortlichkeit als Thema


In allen aufgeführten Berichten gibt es eine Reihe von übereinstimmenden Punkten:

-Die Verantwortung für das Geschehen wird der moralischen Fehlentwicklung der Menschen angelastet.

-Die Katastrophen kommen nicht plötzlich und überraschend, sondern sie sind vorhersehbar, kalkulierbar.

-Einige wenige Menschen erkennen das Kommen der Katastrophe, ein besonderes Erkenntnisvermögen bzw. eine besondere moralische Qualifikation ermöglicht ihnen dies.

-Eine kosmische Herkunft des katastrophalen Geschehens ist keineswegs evident: In der sumerischen Überlieferung kommt Ea als dem Gott des Süßwassers die entscheidende Rolle zu, im indischen Mythos einem Fisch, nur bei Platon scheint es Zeus zu sein.

-In allen vier Quellen spielt eine Veränderung des Menschlichen, bzw. die Entwicklung von Zwischenstufen zwischen als Göttern verstandenen Wesen und als niedere Art zu verstehenden Menschen eine Rolle. Der Versuch, dieses Geschehen mythologisch oder metaphysisch zu deuten, erscheint mir viel gezwungener, als es soziologisch-politisch oder evolutionsgeschichtlich-biologisch zu deuten. Auch eine astralmythologische Interpretation ergibt keinen Anhaltspunkt.

Eine soche Deutung nicht nach der nächstliegenden Möglichkeit vorzunehmen, würde nur das Irrationale und Wirklichkeitsfremde einer derartigen Mythographie offenlegen.

-Somit verdeutlichen diese Quellen eine Vorgehensweise des Menschen, die seine Tendenz anspricht, die Natur zu manipulieren. Keineswegs ist es das Bild eines Menschen, der sich höheren Mächten ausgeliefert glaubt: Die Mythen beschreiben eine Klasse menschengestaltiger Wesen, die andere Wesen, die sie als niedrigstehend verachten, der Vernichtung preisgeben und eine andere Klasse von Menschen, die die Cleverness besitzen, sich durch ruhige Überlegung und methodisches Handeln der Katastrophe zu entziehen.

In diesem Szenarium befinden wir uns nicht in einer Situation, in der alle Menschen zu Opfern in einem unkontrollierbaren Geschehen werden.

Mythologische Kodierung und philosophische Dekodierung von Katastrophenerlebnissen


Der Katastrophismus wertet mythologische Quellen aus, indem er sie astralmythologisch deutet. Da dem prähistorischen Menschen keine astrophysikalischen Kenntnisse zugeschrieben werden können, müssen mythische Symbole als Darstellungsversuche des unverstandenen kosmischen Geschehens gedeutet werden. Beispiel: Die Bahn eines Kometen wird als am Himmel befindliche Schlange beschrieben.

Demgegenüber stehen Berichte aus Zeiten extremen religiösen Aberglaubens, die sehr nüchtern und real katastrophales Geschehen schildern:

Einblattdrucke und Chroniken von 1555 und 1612, die Flut, Brand und Klimakatastrophen beschreiben.15

Auch Erderschütterungen mit katastrophalen Auswirkungen und seltsame Himmelsphänomene versucht man hier nüchtern zu dokumentieren. Wolfgang Fischer hat auf seiner Seite eine beeindruckende Fülle an Material zusammengetragen, das die bewußte Auseinandersetzung mit astrophysikalischen Phänomenen aller Art dokumentiert.16


Der Begriff der Naturkatastrophe

Eine Naturkatastrophe ist eine natürlich entstandene Veränderung der Erdoberfläche oder der Atmosphäre, die auf Lebewesen und deren Lebensweise verheerende Auswirkungen hat.“17

In erster Linie spiegelt sie sich wider in ihrer Folgewirkung für den Menschen:

-Zerstörung von Gebäuden und menschlichem Kulturgut

-Bedürfnis der Menschen, zu flüchten

-Sterben zahlreicher Menschen

-Zerstörung von Nahrungsressourcen

-Ausbreitung von Krankheiten


Kann man “Terrestrische“ Katastrophen von „kosmischen“ Katastrophen abgrenzen ?


Bei nüchterner Betrachtung stellt sich heraus, daß der größte Teil aller nachgewiesenen Katastrophen „innerirdischer“ Natur waren und sind. Es bedarf keiner mentaler Verrenkungen oder absurder Theorien, um die derartige Katastrophen zu belegen, weil die historischen Berichte, archäologische Nachweise oder geologische Gegebenheiten in Vergangenheit und Gegenwart zu offensichtlich sind.

Die Rede ist hier von

-Flutkatastrophen

-Erdbeben

-Vulkanausbrüche

-Brandkatastrophen

-Epidemien biologisch-medizinischer Genese

All dies sind klassische Katastrophen mit menschheitsgeschichtlichen Legendenbildungen.

Kosmische Ursachen sind nicht zwingend notwendig zu ihrer Erklärung, sie sind im Kontext mythisierender Berichte auch nicht als solche auszumachen.


Lassen sich Katastrophen aus historischen Quellen als terrestrisch oder als kosmisch identifizieren ?


In bestimmten antiken Quellen wie z.B. der „Naturgeschichte“ des Caius Plinius Secundus (23/24-79 n. Chr.)18 wird klar zwischen quasi kosmischen und terrestrischen Katastrophen unterschieden. Kosmischen Phänomenen und Himmelskörpern wird zwar eine gewisse Bedeutung zugebilligt, aber eher als Kuriosität, nicht als Geschehnisse, die von weltgeschichtlich entscheidender Bedeutung waren. Caius Plinius Secundus schreibt u.a. : „Auch erscheint zuweilen ein blutrothes Feuer (Eine der schrecklichsten Erscheinungen für den furchtsamen Menschen), das dann vom Himmel zur Erde fällt ... Ich glaube, daß diese, sowie die übrigen Naturerscheinungen, zu bestimmten Zeiten eintreten, und nicht, wie die meisten annehmen, aus verschiedenen, von ihnen erst ergrübelten Ursachen entstehen. Zwar sind sie immer Vorboten großer Unglücksfälle gewesen, allein mich dünkt, dass letztere nicht eintrafen, weil jene geschehen waren; sondern daß diese vorausgingen, weil jene eintreffen sollten. Bei ihrer Seltenheit ist uns ihre nähere Beschaffenheit noch verborgen“ 19 In den folgenden Abschnitten dieses Textes beschreibt der Autor noch zahlreiche andere Himmelsphänomene wie vervielfachte Sonnen und Monde, atmossphärische Phänomene, herabregnende Steine, aus Sternen herabfallendes Feuer, vom Himmel herabfallende Ziegelsteine und Eisenbrocken. In seinen Beschreibungen erweist sich der Autor bemüht um Präzision und Quellenechtheit: „Die Griechen rühmen von Anaxagoras, aus Klazomenä, das derselbe im zweiten Jahre der 78. Olympiade (d.i. in 407 v. Chr.)vermöge seiner Kenntnis in der Astronomie vorhergesagt habe, an welchem Tage ein Stein aus der Sonne fallen würde, und dass dies wirklich in einer Gegend von Thracien...geschehen sei. Dieser Stein von der Größe eines beladenen Wagens und von brandiger Farbe, wird noch jetzt gezeigt.“(S.169).

Die Babylonier glauben, daß Erdbeben, Erdfälle und alle übrigen derartigen Erscheinungen, vom Einflusse der Gestirne, und namentlich jenen drei, denen man die Erzeugung der Blitze zuschreibt herrühren (Saturn, Jupiter und Mars)“(S.179)

Einige Gegenden gerathen, wenn man sie betritt, in eine zitternde Bewegung, wie z.B. auf dem gabinischen Gebiete, nahe bei Rom, fast 200 Morgen Landes erbeben, wenn man darüber reitet; desgleichen im reatinischen Gebiete“(S.185)



Könnte man das Ausmaß terrestrischer Katastrophen in den letzten 100 Jahren als Maßstab für das vorgeschichtiche Katastrophenszenario bewerten ?


Allein im 20 Jahrhundert ergibt die Bilanz ca. 145 schwere Erd- und Seebeben in allen Teilen der Welt mit teilweise zehntausenden von Toten.20

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunders sind weltweit mindestens 160 Vulkanausbrüche in allen Teilen der Welt feststellbar, wobei oftmals hunderte oder tausende von Toten zu bekagen waren.21

Sind Katastrophen folglich eher ein welthistorischer Normalzustand oder wirklich ein „Ausnahmegeschehen“ ?


Lokalität vs. Globalität von Katastrophen als kulturtheoretisches Problem


Die entscheidende Frage ist: Wie hätten Menschen einer bestimmten Region vor 3000 oder 4000 Jahren erkennen können, daß die von ihnen erlebte Katastrophe Teil einer globalen Katastrophe war ?


Wie verhalten sich Menschen angesichts von erlebten Katastrophen ?


Es liegt nahe, eine kollektive Mentalität als Reaktionsform im Verhältnis zu Katastrophen anzunehmen. Wie aber stellt sich dann die Mentalitätsgeschichte solcher Völker wie der Italiener, der Griechen, Türken oder Portugiesen dar, die nachweislich oftmals in historischer Zeit bis in die Gegenwart hinein z.B. von schwersten Erdbeben betroffen waren ?

Im Falle von Bangla Desh, das periodisch von zerstörenden Flutkatastrophen heimgesucht wird, zeigt die kollektive Psychologie weder tiefgehende Spuren von Furcht noch von Depressivität:

Fast einhundert Prozent der Einwohner Bangladeschs haben den Urhebern einer 54 Länder vergleichenden Glücksstudie der London School of Economics bestätigt, sie seien "sehr" oder "ziemlich" glücklich. Bangladesch führt den Glücksindex der Welt an. Deutschland platzierte sich im letzten Viertel, an 42. Stelle, noch weiter hinten rangieren die Schweiz und Kanada“22

Interessant erscheint mir allerdings die Wechselbeziehung bestimmter Siedlungszonen, die Hochkulturen zugeordnet werden, mit Erdbebengebieten 23. Schaut man sich die in letztgenannter Quelle dargestellte weltweite Kartierung häufiger Beben an, so fällt Folgendes auf: onen, die für „Hochkulturen“ maßgebliche Bedeutung haben, sind schwerpunktmäßige Bebengebiete.

Gebiete mit weitaus geringerer Häufigkeit von Beben (Amazonas-Becken, Nordwestafrika, das Innere des indischen Subkontinents, Nordasien) sind ganz überwiegend Rückzugsgebiete archaischer Stammeskulturen.

Man könnte daraus den Schluß ziehen, daß der neurotische Perfektionismus und die zivilisatorische Naturfeindlichkeit von Hochkulturen durch periodische Erderschütterungen begünstigt wurden.


Ist die Traumatisierungs/Verdrängungstheorie nach Velikovsky / Heinsohn haltbar ?


Dazu ein Zitat aus einem psychoanalytischen Fachbuch: „...es ist die Verdrängung als klinisches Faktum, das sich bereits bei den ersten Behandlungen Hysterischer aufdrängt, bei denen Freud feststellt, daß die Patienten nicht über Erinnerungen verfügen, die dennoch ihre ganze Lebhaftigkeit behalten, wenn sie wiedergefunden werden: „ … es (handelte) sich um Dinge, die der Kranke vergessen wollte, die er darum absichtlich aus seinem bewußten Denken verdrängte, hemmte und unterdrückte“ ...“24

Kann angesichts der feststellbaren Berichte über katastrophales Geschehen von einer solchen Verdrängungsleistung die Rede sein ?

In der Tat wird das Erleben unerklärlichen Leids und Zerstörung zu Angst und Aggression führen. Aber Heinsohns These, daß Angst und Aggression durch rituelle Ersetzung therapeutisch wirken konnte, beantwortet eine entscheidende Frage nicht: Warum kam durch dieses rituell-therapeutische Handeln das verdrängte Wissen nicht zurück, bzw. warum wurde es dadurch nicht erhalten?

Die Begründungsmuster für das Menschenopfer, soweit ich sie erforscht habe, verweisen nur auf eines: Auf die ruhige und sachliche Überlegung, die dem Opferhandeln zugrundeliegt !


Inwiefern können terrestrische Katastrophen durch menschliches Handeln verursacht werden ?

Möglichkeiten dafür gibt es nachgewiesenermaßen viele:

-Flutkatastrophen

-Bautechnische Veränderungen von Flußläufen

-Siedlungsplanung in Flußgebieten und an Meeresküsten (Tsunami und Tourismus)

-Bautechnische und zyklische Probeme von Stauanlagen

-Erdbeben 25:

Erbeben der vierten Art

Lokales seismisches Gefährdungspotential durch Eingriffe in die Natur



Zur Gruppe der "natürlichen" Erdbeben werden drei Arten gezählt:

  1. tektonische Erdbeben

  2. vulkanische Erdebeben

  3. Einsturzbeben (Dolinen)

Zur vierten Art kann man jene Erdbeben aufgrund ihrer Ursache zählen, die durch industrielle Einflüsse herbeigeführt oder ausgelöst werden. Somit sind solche Beben auf Eingriffe des Menschen in die Natur zurückzuführen. In der Literatur werden diese Erdbeben oft als "induced earthquakes" oder "man- made earthquakes" bezeichnet. Doch der Ausdruck "induced" (bewirken, verursachen) ist nicht passend, da es sich meist nur um sehr kleine Eingriffe von Menschen in die tektonischen Verhältnisse und Prozesse handelt. Die unbeabsichtigten Erdbeben stehen im Zusammenhang mit folgenden industriellen Eingriffen in die Natur:

  1. Bergbau

  2. Bau und Betrieb von Wasserreservoirs

  3. Injektion und Extraktion von Flüssigkeiten in bzw. aus der obersten Erdkruste

1) Bergbau:

Schon im Altertum war man sich bewusst, dass Gebirge nur eine begrenzte Festigkeit besitzen. Dennoch waren die eigentlichen Ursachen der Gebirgsschläge lange Zeit unbekannt.
Die Erforschung wurde erst möglich, als Geräte zur Erfassung der Bodenerschütterungen zur Verfügung standen (z.B. Seismograph). Geomechanisch gesehen werden durch den Bergbau alle drei Hauptspannungen verändert, und zwar in einem solchen Ausmaß, dass sich die Differenz zwischen der größten und der kleinsten Hauptspannung oft um ein Vielfaches vergrößert.
D.h. das Material bricht bei einer bereits existierenden Schwachstelle durch plötzliche Verschiebungsvorgänge infolge von Änderungen der Gebirgsspannungen.


Tagebau:

Zu einer Destabilisierung durch den Tagebau kann es nur kommen, wenn die kleinste Hauptspannung vertikal ausgerichtet ist, damit sich Laständerungen, die verhältnismäßig kleine Gebirgsspannungsänderungen hervorrufen, entsprechend auswirken können. Eine neue Scherbruchbildung wäre nur dann möglich, wenn wenigstens eine der horizontalen Gebirgsspannungen an der Oberfläche ungewöhnlich groß ist.
Dieser Umstand würde auf neu aufgetretenes tektonisch aktives Gebiet hindeuten, was unwahrscheinlich ist.
Eine andere und viel realistischere Erklärung bieten bereits vorhandene Störungszonen geringer Kohäsion mit Aufschiebungscharakter, bei denen schon bei einer kleinen Verringerung des Teufendrucks der Reibungswiderstand überschritten wird.
Erdbeben, die durch bergbauliche Aktivitäten an der Oberfläche hervorgerufen werden, sind relativ selten, da die drei Voraussetzungen:

  1. Vorhandensein einer geologischen Störung (geringer Scherwiderstand)

  2. große Verringerung des Auflastdrucks durch massiven Tagebau

  3. hohe lokale horizontale Gebirgsdrücke

gleichzeitig nur selten gegeben sind. Aber auch in der Nähe von Abraumhalden wurden Erdbeben beobachtet. Infolge der zusätzlichen Last durch die Abraumhalde wird der Auflastdruck offensichtlich so stark erhöht, dass Erdbeben bis zu einer Magnitude 3,8 ausgelöst wurden. Als Mechanismus wurde in diesem Fall eine Horizontalverschiebung festgestellt.



Tiefbau:

Der Großteil der weltweiten Bergbauaktivität findet in Teufen bis etwa 1500 m statt, wobei meistens Kohle abgebaut wird. Da das Kohleflöz generell eine geringere Festigkeit als das Nebengestein aufweist, neigt es zum Ausbrechen. Eine Überschreitung der Zugfestigkeit des darüber liegenden Gebirges kann zu Gebirgsschlägen führen. Aber auch bei einer ungünstigen Abbaugeometrie und bei einer hohen Festigkeit der Kohle kann es zu Konzentrationen der Gebirgsspannungen kommen, die letztlich zu einem Gebirgsschlag führen.
Im Kohlebergbau sind hauptsächlich sechs verschiedene Mechanismen zu beobachten:



Extremer Tiefbau:

Dieser sehr tiefe Bergbau (>3000m) ist nur in Regionen mit niedrigen geothermischen Tiefengradienten möglich, etwa in Indien und Südafrika.
Der Versuch einer Klassifizierung der bergbauinduzierten Beben verdeutlicht die Wichtigkeit der Erfassung geologischer Störungszonen, da sich der Großteil der stärkeren Beben entlang dieser Schwächezonen konzentriert.
Weiter wird beobachtet, dass seismische Ereignisse entlang von geologischen Störungen oft einen der Geologie entgegengesetzten Mechanismus aufweisen. Die durch den Bergbau induzierten Spannungen übertreffen daher in diesen Fällen offenbar den tektonischen Trend von Auf- bzw. Abschiebungen.



2.) Wasserreservoirs:



Weltweit sind etwa nur 0,6% der 11.000 größten Reservoirs mit einer Mindeststauhöhe von 10m seismisch aktiv. Dieser Prozentsatz erhöht sich allerdings mit zunehmender Stauhöhe sehr schnell, so dass bereits bei etwa 10 % aller Reservoirs, deren Stauhöhe 90m übersteigt, induzierte Seismizität nachgewiesen werden konnte. Verallgemeinern sollte man dies jedoch nicht.
Es wurden zwei Modelle zur Erklärung der Seismizität vorgeschlagen:

Typ 1
Direkte Reaktion auf Pegeländerung des Reservoirs.
Hier reagiert der Untergrund seismisch auf eine Veränderung des Pegelstandes des Dammes innerhalb eines kurzen Zeitraumes. Die Bebentätigkeit beschränkt sich auf den obersten Krustenbereich mit Herdtiefen von wenigen Kilometern. Der Mechanismus dürfte hauptsächlich einer Abschiebung entsprechen.

Typ 2
Sehr langsame bzw. keine Reaktion auf Pegeländerungen des Reservoirs.
Hier kommt es erst nach geraumer Zeit zum Auftreten von Beben. Bei diesem Fall handelt es sich um einen Vorgang, wobei die aufgestaute Wassermasse teilweise in den Untergrund eindringt. Abhängig von der geologischen Beschaffenheit des Untergrundes kommt es zu zeitverzögerten Reaktionen, die sich meist in stärkeren Erdbeben als bei Typ 1 äußern. Häufig finden die Beben in großer Tiefe statt. Dieser Umstand erklärt auch die Verzögerung zwischen den Auflaständerungen und der oft viel später eintretenden Seismizität, da der Ausbreitungsprozeß der Porenwasserdruckerhöhung innerhalb einer Bruchzone Zeit benötigt.

Insgesamt ist zu sagen, dass sie meisten Reservoirs - wenn überhaupt- durch sehr langsame Porenwasserdruckänderungen entlang einer Störungszone im obersten Krustenbereich Erdbeben auslösen. Eher selten geschieht dies durch tiefgreifende seismisch-hydraulische Diffusionsprozesse.



4.) Injektion und Extraktion:



Bei der Injektion (z.B. dem Verpressen von Stoffen in ein Bohrloch) wird der Porenwasserdruck erhöht. Bei der Extraktion von Flüssigkeiten aus der Erdkruste hingegen sollte es zur Stabilisierung von Störungszonen führen, da die effektive Normalspannung erhöht wird.
Der Grund von Erdbeben bei Erdgas- und Erdölförderung liegt in der vertikalen Entlastung des Gebirges. Dadurch können in historischer Zeit nicht mehr seismisch aktive Störungen wieder aktiviert werden. Meist handelt es sich dabei um flache Überschiebungen oberhalb und unterhalb der Lagerstätte oder um Abschiebungen entlang des Randes des Senkungsbereichs des Produktionsfeldes.



Zusammenfassung:



Induzierte und ausgelöste Erdbeben können in den Erdbebengefährdungskarten deshalb nicht berücksichtigt werden, da die industriellen Eingriffe in die Natur nicht vorhersehbar sind. Durch die offensichtlichen Ursachen wird es möglich, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die entweder die Auswirkungen verringern oder überhaupt das Ereignis selbst verhindern.
Alle Beben, außer jenen im Untertagebau und jenen in der Nähe von Bohrlöchern, sind als "ausgelöst" einzustufen, da sie nur dann auftreten, wenn die tektonischen Voraussetzungen bereits vorliegen.“

Autorin: Nadja Wagner

Quelle:
Wolfgang A. Lenhardt: Erdbeben der vierten Art.
Lokales seismisches Gefährdungspotential durch Eingriffe in die Natur.
in: Bautechnik 10/1998, S. 47 – 57“



Unruhe im Keller

Forscher grübeln darüber, wie sich Erdbeben rund um Geothermie-Kraftwerke vermeiden lassen

Autorin: Ute Kehse

Die Probleme der Geothermie-Branche begannen am 8. Dezember 2006. Um 17.48 Uhr erschreckte ein Erdbeben der Magnitude 3,4 die Bevölkerung der Stadt Basel mit einem lauten Knall und merklichem Geruckel. Ursache war eine Geothermie-Bohrung im Stadtteil Kleinhüningen.

Sechs Tage zuvor hatte das Industriekonsortium Geopower Basel damit begonnen, Wasser in das fünf Kilometer tiefe Bohrloch zu pressen. Die Ingenieure wollten ein Netz aus künstlichen Rissen in den Fels sprengen, um ein zigarrenförmiges, 2,5 Kilometer langes Felsvolumen in einen künstlichen Durchlauferhitzer zu verwandeln. Ein Pilot-Kraftwerk sollte die geförderte Erdwärme in Strom und Heizwärme verwandeln.

Doch der Untergrund reagierte ungestümer als erwartet auf die "Stimulation", bei der 3500 Liter pro Minute mit etwa 300fachem Atmosphärendruck in den 200 Grad Celsius heißen Granit unter der Stadt gepumpt wurden. Das Beben von Basel blieb kein Einzelfall: Auch in Landau in der Pfalz, wo seit Ende 2007 ein Geothermie-Kraftwerk in Betrieb ist, bebte 2009 zweimal die Erde. Mit Magnituden von 2,4 und 2,7 waren die Erdstöße zwar deutlich schwächer als in Basel. Doch weil sich die Brüche nur drei Kilometer unter der Oberfläche ereigneten, waren sie ebenfalls deutlich zu spüren.

Seitdem hat die eigentlich als umweltfreundlich geltende Geothermie ein Imageproblem. An mehreren Orten in Süddeutschland kämpfen zurzeit Bürgerinitiativen vehement gegen geplante Geothermie-Kraftwerke. In Bernried am Starnberger See, in Schaidt, Duttweiler und Brühl in der Pfalz und in Laufzorn südlich von München werden Unterschriften gesammelt, Flyer verteilt und Versammlungen abgehalten. Die Bürger haben Angst vor lärmenden Pumpen und Generatoren, vor allem aber vor Erdbeben. Haben die Betreiber die relativ neue Technologie überhaupt im Griff? Sind stärkere Erschütterungen möglich?

Geowissenschaftler sind zwar fast einhellig der Meinung, dass das Schadensrisiko der tiefen Geothermie sehr gering sei. "Andere Nutzungstechnologien wie der Bergbau, die Gasförderung oder der Bau von Stauseen verlagern zum Teil sehr viel mehr Masse im Untergrund und können wesentlich stärkere Erschütterungen verursachen", sagt etwa Ernst Huenges vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam.

Während Staudämme wohl bereits Erdbeben bis zur Magnitude sieben ausgelöst haben, lag das stärkste durch die Geothermie verursachte Beben bislang bei 3,7, weit unterhalb der Grenze, bei der nennenswerte Schäden an Gebäuden zu erwarten sind. Vergleichbare Erdstöße treten auch bei der Förderung von Erdgas regelmäßig auf. Dennoch sehen die Forscher Raum für Verbesserungen. "Man muss es nicht so knallen lassen wie in Basel", sagt Ingo Sass von der Technischen Universität Darmstadt.

Wie sich Wärmereservoire ohne großes Getöse erschließen lassen, das sollen jetzt zwei Projekte klären: das europäische Forschungsprojekt Geiser (Geothermal Engineering Integrated Mitigation of Induced Seismicity in Geothermal Reservoirs) und das Vorhaben Mags (Konzepte zur Begrenzung der mikroseismischen Aktivität bei der energetischen Nutzung geothermischer Systeme im tiefen Untergrund) an der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover.

Künstliche Risse erzeugt

Schwache Erdbeben unterhalb der Wahrnehmungsschwelle, das stellen die Forscher klar, sind unvermeidlich und teilweise sogar erwünscht. Wenn, wie in Basel, weder Thermalwasser noch natürliche Klüfte im Untergrund vorhanden sind, müssen die Ingenieure künstliche Risse erzeugen. Diese Technologie läuft unter dem Kürzel EGS für "Enhanced Geothermal Systems" (auf deutsch: verbesserte geothermische Systeme). "Den ersten Knacks gibt es, wenn eine Kluft unter hohem Wasserdruck erweitert wird, den zweiten, wenn sich das Gestein verschiebt, und den dritten, wenn die Pumpen abgeschaltet werden und sich die Kluft wieder verengt", erklärt Ingo Sass die Vorgänge. Das leichte, normalerweise nur für Instrumente wahrnehmbare Knirschen im Untergrund sei wichtig, um das Wachsen des unterirdischen Wärmetauschers zu überwachen, so Sass. Nach dem Ende der Stimulation, die ein bis zwei Wochen dauert, lässt die Unruhe im Untergrund allmählich nach. Die Beben von Landau überraschten freilich selbst Fachleute: Dort traten die Erdstöße während des Kraftwerk-Betriebs auf.

Die Forscher suchen daher nun nach Methoden, mit denen sich das seismische Risiko für sämtliche Lebensphasen eines Geothermie-Kraftwerks im Voraus abschätzen lässt. Bislang sei wenig darüber bekannt, welche Faktoren die Häufigkeit und die maximale Magnitude der künstlichen Erdbeben steuern, schrieben Forscher um Toni Kraft von der ETH Zürich kürzlich in der Zeitschrift Eos.

Das EU-Projekt Geiser soll daher untersuchen, welche Rolle etwa die Geologie, die Spannung im Untergrund und die Menge des injizierten Wassers spielen. "Wir wollen auch herausfinden, ob es einen Zusammenhang zwischen künstlicher und natürlicher Seismizität gibt", sagt Projektleiter Huenges. Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass die menschengemachten Beben in Erdbebenzonen stärker ausfallen als in Gebieten ohne natürliche Seismizität.

Sanftere Methode

Basel liegt am Rande des tektonisch aktiven Rheingrabens und wurde 1356 von einem Beben der Stärke 6,7 teilweise zerstört. Der Untergrund steht unter Spannung und ist von zahlreichen Störungszonen durchzogen. In solchen Gebieten können anscheinend schon relativ geringe Injektionsraten Erdbeben auslösen. "Wir wissen jetzt, dass man Basel anders hätte angehen sollen", meint Huenges daher.

Möglichkeiten, die Stärke der künstlichen Erdbeben zu kontrollieren, sollen ebenfalls erkundet werden. Säuren können das heiße Gestein zum Beispiel im Nahbereich der Bohrung sanfter öffnen. "Die hydraulische Methode ist aber am effektivsten", meint Geotechniker Ingo Sass. Um moderater vorzugehen als in Basel, könne der Druck langsamer gesteigert werden, oder man könne ein Stützmittel in das neu erzeugte Kluftnetz einspülen. "Das Gebirge setzt sich dann nicht so ruckartig, und zudem kann das Wasser später besser fließen", sagt Sass.

Eine wichtige Aufgabe der Geothermie-Branche bestehe nun darin, der Bevölkerung die Angst zu nehmen, sagt Ernst Huenges: "Damit die Technologie akzeptiert wird, müssen die Menschen darüber aufgeklärt werden, welche Prozesse bei der geothermischen Nutzung ablaufen." An der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover setzt man im Projekt Genesys daher auf Offenheit.

Direkt unter der Behörde im Stadtteil Buchholz sollen in den nächsten Wochen Risse in einer knapp vier Kilometer tiefen Sandstein-Schicht erzeugt werden. Ab 2013 soll das Wärme-Reservoir die BGR und zwei weitere Behörden mit Heizwärme versorgen. Um Vertrauen zu schaffen, stellt die BGR die Seismogramme ihrer Überwachungs-Stationen nun ins Internet und aktualisiert sie alle zehn Minuten. "Niemand soll auf die Idee kommen, dass Daten zurückgehalten oder manipuliert würden", sagt der Seismologe Christian Bönnemann.

Der norddeutsche Sandstein hat allerdings einen Vorteil: Er scheint nicht so leicht in Wallung zu geraten wie etwa die Gesteine des Rheingrabens. "Wir befürchten eher, dass zu wenig Mikrobeben auftreten, um die Stimulation vernünftig zu überwachen", sagt Bönnemann. Bei einer Probebohrung in der Südheide lag die Seismizität fast bei null.

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Erdbeben mit Messgeräten erfassen

Die Magnitude eines Erdbebens wird durch Seismographen bestimmt und ist ein Maß für die freigesetzte Energie. Die Skala ist logarithmisch, das heißt: Bei Magnitude 3 ist der Ausschlag der Seismographen zehnmal so groß wie bei einem Beben der Magnitude 2. Die Energie wächst sogar um den Faktor 30. Leichte Gebäudeschäden wie Risse im Putz treten gewöhnlich erst bei einer Magnitude von etwa 4,5 auf.

Die Richterskala, die auf den Messungen eines bestimmten Seismographentyps beruht, wird heute nicht mehr allgemein verwendet.

Die sogenannte Intensität , gemessen in der modifizierten Mercalli-Skala, beschreibt dagegen die Auswirkungen an der Oberfläche. Wie stark es an einem Ort wackelt, hängt etwa davon ab, wie weit der Bebenherd entfernt ist und woraus der Untergrund besteht. Magnituden zwischen 3 und 4 entsprechen gewöhnlich den Stufen II und III (sehr leicht, leicht). Bis Stufe IV (mäßig) treten praktisch keine Schäden auf, die Vibrationen entsprechen in etwa denen eines vorbeifahrenden Lastwagens. Ab Stufe VI (stark) können Risse im Putz entstehen. Strukturelle Gebäudeschäden werden erst von Stufe VII (sehr stark) an verzeichnet.

Die gemessenen lokalen Beschleunigungen des Bebens in Basel entsprachen der Stufe III (leicht).“26

-Vulkanausbrüche

Vulkan-Bohrungen - Nadelstiche ins Höllenfeuer

Von Axel Bojanowski – Spiegel-Online 18.08.2009

Vulkane sind die gefährlichste Naturgewalt der Erde: Sie können ganze Regionen verwüsten und sogar das Klima beeinflussen. Dennoch wagen Forscher mit Tiefbohrungen den Vorstoß ins Innere der Feuerberge. Nicht ohne Risiko - Erdbeben und größere Eruptionen können die Folgen sein.

Als sich ihr Bohrer in der Tiefe festfraß, waren die Experten des Iceland Deep Drilling Project (IDDP) zunächst ratlos. Mehr als zwei Kilometer waren sie bereits vorangekommen auf ihrem Weg zu einem Erdwärme-Reservoir unter Islands Vulkan Krafla. Dann stießen sie im April auf ein unbekanntes Hindernis. Erst am 24. Juni flutschte der Meißel wieder - allerdings enorm schnell. Ab 2104 Meter Tiefe sei der Bohrer nach unten "geschossen" und habe sich auf einmal "viel schneller gedreht" als üblich, heißt es im Bericht der Forscher.

Eine dunkle Masse quoll ins Bohrloch - Magma. Anschließend gab es eine Explosion. Mit lautem Knall hatte das Vulkangemisch größere Mengen Bohrflüssigkeit auf einen Schlag verdampft. Die Bohrung sei nie außer Kontrolle geraten, betont Peter Schiffman von der University of California in Davis. Dennoch wurde der Vorstoß gestoppt, vermutlich endgültig. Ob die Bohrung fortgeführt werde, hänge von der Größe des Magma-Reservoirs ab, sagt Schiffman. Möglicherweise handele es sich lediglich um einen "Magma-Ast", den man durchbohren könne.

Die Episode in Island zeigt, dass der Vorstoß in vulkanische Tiefen noch immer eine Reise ins Unbekannte ist. Denn Vulkane stehen unter immensem Druck. Bei Ausbrüchen steigen Aschesäulen bis in die Stratosphäre. Heiße Gas- und Staubwolken rasen die Bergflanken mit 700 Kilometern pro Stunde abwärts, Dutzende Kilometer weit. Unmengen Lava und Gestein bedecken das Umland meterhoch. 1783 verursachte die Eruptionswolke des isländischen Vulkans Laki gar Dürren und Hungersnöte in Europa.

Warnung vor "totalem Desaster"

Bohrungen zur Gasförderung oder Erdwärme-Nutzung haben schon mehrfach Erdbeben ausgelöst - warum also sollten Vulkanbohrungen sicher sein?

Über die Risiken sind Wissenschaftler uneins. "Ein tolles, spannendes Ereignis" sei der Magma-Ausfluss in Island gewesen, sagt Ulrich Harms vom Internationalen Kontinentalen Tiefbohrprogramms ICDP am Geoforschungszentrum Potsdam. Erst dreimal zuvor habe man Magma erbohrt. "Kein echtes Risiko" sieht auch Bernd Zimanowski, Vulkanologe von der Uni Würzburg - "selbst wenn ein Überdruck besteht". Eine Bohrung in eine zähe Magmakammer ähnele einem "Nadelstich in einen äußerst zähen Kuchenteig", sie sei "nicht mit einem Erdgas-Reservoir zu vergleichen".

Andere Experten sind weniger sicher. "Unter ungünstigen Bedingungen", sagt Ralf Büttner von der Uni Würzburg, könne der Kontakt von Bohrflüssigkeit mit Magma "sehr gefährlich werden" - und durch Explosionen einen kleinen Vulkanausbruch auslösen. "Theoretisch denkbar wäre sogar, dass dadurch letztlich eine große Eruption verursacht wird", meint Büttner. Entscheidend seien die Eigenschaften des Vulkans, sagt sein Würzburger Kollege Volker Dietrich. Unter Umständen drohe ein "totales Desaster".

Unter hohem Druck wird Magma gefährlich

Gefährlich sei Magma, wenn es unter hohem Druck stehe. In zäher Masse stauten sich Gase, die das Gemisch hochexplosiv machten. Für Island kommen die Einschätzungen einer Entwarnung gleich: Das Magma unter der Insel ist dünnflüssig; Gase können leicht entweichen.

Allzu flüssiges Substrat wäre jedoch auch nicht gewünscht - es könnte aus dem Bohrloch fließen, gibt der Würzburger Forscher Zimanowski zu bedenken. Während seine Kollegen eher Bohrungen in zähes Magma für bedenklich halten, befürchtet er "weniger glimpfliche Folgen" eher bei dünnflüssiger Substanz. Sollten "große Wassermengen ins Bohrloch gedrückt werden", könne das womöglich einen Ausbruch verursachen.

Vulkanbohrungen seien "eine besondere Herausforderung, insbesondere, wenn keine Informationen über den Druck im Untergrund vorliegen", sagt Bohringenieur Lothar Wohlgemuth, Leiter des ICDP in Potsdam. Gefährlich werde es aber nur, wenn Sicherheitsmaßnahmen nicht eingehalten würden. Diverse Vorkehrungen sorgten dafür, dass Vulkane "sicher aufgeschlossen werden" können.

Den Bohrer ummantelt beispielsweise ein Rohr, in dem ein schwerer Spezialschlamm zirkuliert. Er lastet auf dem Bohrloch und soll dafür sorgen, dass sich der Druck nicht verändert. Zusätzlich wird das Loch stetig zementiert und mit einer Stahlverkleidung geschützt. "Ein Desaster", sagt Wohlgemuth, "gibt es sicher nicht, sofern man die Druckverhältnisse annähernd abschätzen kann".

Allerdings: Das gelingt nicht immer. Unter Hawaii hatten Experten ähnliche Verhältnisse wie in Island erwartet. Und tatsächlich stieß dort in den siebziger Jahren eine Bohrung in einen unterirdischen Magmasee mit den prognostizierten Eigenschaften. 2005 jedoch erschraken Forscher eines anderen Projektes auf der Insel, als eine Substanz mit der Konsistenz von dickem Sirup in ihr Bohrloch quoll. Das Magma war deutlich klebriger als erwartet und mit mehr als 1000 Grad "heißer als die Hölle", staunte ein Wissenschaftler.

Gefährlich wären große Mengen Gas im Boden, sagt GFZ-Forscher Harms. Aber eine ausgedehnte Magmakammer, die den Explosivstoff produziert, sollte man anhand geophysikalischer Messungen vor der Bohrung erkennen können - und "natürlich nicht anbohren". Sollte das aber passieren, "reichten alle Sicherheitsmaßnahmen nicht aus", bestätigt Bohringenieur Wohlgemuth. Ob solche unter Druck stehenden Magmakammern nahe der Oberfläche aber überhaupt existieren, sei derzeit "eine offene Diskussion", sagt Zimanowski.

Schallwellen sollen Gefahrenquellen aufdecken

Vor einer Bohrung erkunden Seismologen mit Schallwellen den Untergrund. Dabei entstehen Querschnittbilder des Bodens, auf denen sich die Abfolge der Erdschichten grob abzeichnet. Größere Magmakammern ließen sich mit der Methode "recht gut detektieren", sagt Harms. Zimanowski aber widerspricht: Die Erkundung von Magmareservoiren sei "kein zuverlässiges Geschäft und immer problematisch".

Über das Innere von Vulkanen haben Wissenschaftler fast nur indirekte Informationen. Wie es in einer Magmakammer tatsächlich aussieht, weiß niemand. Gestein aus dem Inneren von Vulkanen ist für Wissenschaftler deshalb wertvoller als Material vom Mond. Bohrungen seien die einzige Möglichkeit, den Zustand des Magmas vor einem Ausbruch zu erkunden, erklärt Harms. Gerade an Feuerbergen in der Nähe von Großstädten müssten die Aufstiegswege des Magmas erforscht werden, um Risikoprognosen erstellen zu können.

Für die nächste Bohrung haben sich die Wissenschaftler ausgerechnet den gefährlichsten Feuerberg ausgesucht: Die Phlegräischen Felder nahe Neapel. Kein Kegel ziert den sogenannten Supervulkan westlich des Vesuvs - er ist bei der letzten großen Eruption vor 40.000 Jahren weggesprengt worden. Ein großer Ausbruch der Phlegräischen Felder könnte ganz Europa unter Asche begraben.

Ein Expertenteam unter Beteiligung des GFZ Potsdam plant, das Ungetüm von mehreren Seiten anzubohren, auch seine Ausläufer am Meeresboden sollen erforscht werden. Die Vorerkundungen laufen seit langem. Doch unter den Phlegräischen Feldern brodelt Rhyolit-Magma, ein besonders explosives Gemisch. Die zähe, gashaltige Substanz stehe meist unter hohem Druck, warnt der Würzburger Experte Dietrich. Es bestehe "extreme Explosionsgefahr".

Seine Kollegen beruhigen: Selbst explosives Magma "entgase und erstarre noch im Bohrloch", meint Harms. Das Bohrloch sei schmal, es könne deshalb "kaum etwas passieren", glaubt auch Zimanowski. Größere Magma-Reservoire würden ohnehin nicht angebohrt.

Andererseits habe es bislang noch bei jeder Bohrung Überraschungen gegeben, räumt Zimanowski ein: "Eine Bohrung", sagt er "ist ein Nadelstich ins Dunkle."27

Resümee: Die ideologische Quintessenz des Katastrophismus und der Konflikt zwischen Naturalismus und gesellschaftlicher Kausalität


Zwei Katastrophenforscher schreiben: „Katastrophen können mit Naturgefahren, aber auch technologischen und sozialen Gefahren in Zusammenhang stehen. Häufig koinzidieren diese Gefahren und führen erst in der Summe zur Katastrophe, sind also in jedem Fall (auch) Ergebis menschlichen Handelns, sind gesellschaftsbezogen und kulturspezifisch“28

Der Katastrophismus hat schließlich ein bestimmtes Menschenbild zur Folge, das ganz in den Kontext monotheistischer priesterlicher Willkür paßt: Ein Mensch, der solche Katastrophen als „Naturereignis“ erlebt, ist ihm hilflos ausgeliefert – er ist ein fatalistisches Objekt einer blinden Energie. Wenn man folglich den Katastrophismus monokausal zum maßgeblichen Antrieb des geschichtlichen Werdens macht, fällt das handelnde Subjekt als schöpferischer Mensch schlichtweg aus. Zum hauptsächlichen Impuls allen geschichtlichen Handelns wird die Furcht.“29



1http://de.wikipedia.org/wiki/Laacher_See

2Otto Muck: Alles über Atlantis, München/Zürich 1978, S.188

3Muck, S.196

4Thomas Knight u. Robert Lomas: Uriels Maschine, Arrow Books, London 2000

5Gert Meier: Der Untergang Alteuropas, Deutschland in Geschichte und GegenwartSonderdruck o.J.

6http://de.wikipedia.org/wiki/Naturkatastrophe#Liste_historischer_Katastrophen

7http://de.wikipedia.org/wiki/Minoische_Eruption

8http://de.wikipedia.org/wiki/Naturkatastrophe#Liste_historischer_Katastrophen

9http://www.uni-stuttgart.de/wechselwirkungen/ww2006/Holger%20Sonnabend,%20Gerrit%20Jasper%20Schenk.pdf Textwiedergabe in deutscher Sprache mit inhaltlicher Analyse: http://www.thomasgransow.de/Neapel/Vesuv/Vesuvausbruch.htm

10Platon: Sämtliche Werke. Band 3, Berlin [1940], S. 91-192.

Permalink: http://www.zeno.org/Philosophie/M/Platon/Timaios

11Luther-Bibel von 1912

12http://www.atlantis-scout.de/atlantimkrit.htm, s. Auch die Übersetzung von Friedrich Schleiermacher und Hieronymus Müller, Platon – Sämtliche Werke, Bd. 5, Hamburg 1974, S. 230

13Helmuth von Glasenapp: Indische Geisteswelt,Wiesbaden 1958, S. 30

14Henrietta McCall: Mesopotamische Mythen, Stuttgart 1993, S.92ff.

15Rüdiger Glaser: Klimageschichte Mitteleuropas, Darmstadt 2001, S. 114 u. S. 137

16http://www.forschung-fischerprivat.de/fischerweb/Kometen.htm

17http://de.wikipedia.org/wiki/Naturkatastrophe

18Deutsche Übersetzung von G.C. Wittstein, Wiesbaden 2007 (Quelle der nachfolgenden Zitate)

19Caius Plinius Secundus, Bd. 1, S. 155 f.

20Für Details: http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Erd-_und_Seebeben

21http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_gro%C3%9Fer_historischer_Vulkanausbr%C3%BCche

22http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2000/1128/feuilleton/0002/index.html

23http://de.wikipedia.org/wiki/Erdbeben

24Laplanche / Pontalis: Das Vokabular der Psychoanalyse, Frankfurt a.M. 1989, S. 585

25http://www.copernicus-gymnasium.de/eduseis/HTML/erdb4art.html

26http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2010/0713/wissenschaft/0004/index.html

27http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,643190,00.html

28http://www.uni-stuttgart.de/wechselwirkungen/ww2006/Holger%20Sonnabend,%20Gerrit%20Jasper%20Schenk.pdf

29http://www.derhain.de/ZukunftGeschichtskritik.html